Olga Boznańska. Krakau – München – Paris
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Weitaus privateren Charakter hat das Damenbildnis mit einem japanischen Sonnenschirm (1892, Abb. 15), das eine Unbekannte in rotem Kleid sitzend auf einem niedrigen Fensterbrett zeigt. Wieder wird durch das Fenster eine Stadtlandschaft sichtbar. Auf Atelierbildern der Malerin (1890, Privatsammlung; Museum Lublin/Muzeum Lubelskie) sind weitere japanische Schirme als Wanddekoration zu erkennen.[23] Einen trägt sie selbst auf einer Fotografie, die sie im Malkittel vor einem Tisch mit Pinseln und Farbtuben zeigt und die 1893 in Krakau aufgenommen worden ist (Abb. 16). Die rote Dame könnte also ebenfalls im Fenster eines der Ateliers gemalt worden sein, sei es in Krakau oder in der Münchner Theresienstraße, bei einer von Boznańskas Freundinnen oder bei ihrem Verlobten Józef Czajkowski, der ab 1892 bei dem Historien‑ und Genremaler Johann Caspar Herterich (1843-1905) an der Münchner Akademie studiert. Ihn malt Boznańska zu dieser Zeit im schwarzen Anzug, aber vor farbigem Hintergrund und im Stil der Freilichtmalerei (Nationalmuseum Krakau/Muzeum Narodowe w Krakowie).[24] Vermutlich ist es Czajkowski, der auf dem etwas später entstandenen Atelierbild auf dem grünen Sofa am rechten Bildrand zu sehen ist (Abb. 17).
Im November 1892 stirbt Boznańskas Mutter in Krakau. Gemeinsam mit ihrem Vater und ihrer Schwester reist sie nach Paris um die Verwandten mütterlicherseits zu besuchen und trifft dort auch ihren Vetter, den angesehenen Grafiker Daniel Mordant (1853-1914), zu dem sie fortan einen engen Kontakt pflegt. Czajkowski wird 1896 nach Paris gehen, um an der Académie Julian bei Jean-Paul Laurens (1838-1921), Jean-Joseph Benjamin-Constant (1845-1902) und bei Whistler zu studieren. Ab 1900 lebt er wieder in Krakau. Bei einem kurzen Besuch in Paris löst er die Verlobung mit Boznańska auf, weil beide immer weit entfernt voneinander leben. Er arbeitet später als Architekt, Innenraum-Designer und Professor an den Kunstakademien in Krakau, Wilna und Warschau.[25]
1893 kommt doch noch eine Verbindung zu Paul Nauen zustande, in dessen Privatschule Boznańska eigentlich hatte studieren wollen. Hedwig Weiß und eine weitere Freundin, Helena Kossobudzka, die von 1893 bis 1900 in München lebt, zeigen Nauen ein Selbstporträt von Boznańska, das diese nach dem Tod der Mutter von sich in Trauerkleidung gemalt hat. Nauen bittet die Malerin, sie porträtieren zu dürfen und diese willigt ein. Er zerstört das frisch gemalte Bildnis zwar noch vor der Fertigstellung, weil es den Charakter der Abgebildeten nicht angemessen wiedergegeben habe. Sie revanchiert sich dennoch mit einem Porträt, das Nauen (1893, Abb. 18) in einer dreiviertellangen Jacke auf dem geblümten Sofa in ihrem Atelier in der Theresienstraße neben einem Tischchen mit einer japanischen Teetasse zeigt. Es habe an diesem Morgen geregnet, wird sie später berichten, und Nauen sei mit hochgeschlagenem Kragen zur Tür hereingekommen: „Genau das wollte ich malen.“[26] Im selben Jahr erhält sie auf einer Ausstellung der Münchner Künstlergenossenschaft für ein Bildnis des Bruders von Samuel Hirszenberg eine Goldmedaille. Sie nimmt an Ausstellungen in Prag und in der Berliner Kunsthandlung Amsler & Ruthardt teil und reist erneut zu den Verwandten nach Paris. Durch das Porträt von Paul Nauen wird die Malerin europaweit berühmt. 1894 erhält sie dafür auf der Universal-Ausstellung polnischer Kunst in Lemberg/Lwów/Lviv eine Silbermedaille, auf der III. Internationalen Kunstausstellung in Wien eine Goldmedaille, die ihr vom Bruder des österreichischen Kaisers, Erzherzog Karl Ludwig, überreicht wird.[27] Auf der Zachęta-Ausstellung in Warschau 1895 wird das Gemälde mit dem zweiten Preis ausgezeichnet und im Folgejahr vom Nationalmuseum in Krakau als erstes Bild der Künstlerin für eine nationale Sammlung angekauft. Der Erfolg ebnet ihr in München und in Polen den Weg als Porträtmalerin.
[23] Ausst.-Kat. Olga Boznańska, Krakau 2014, Seite 113, 115; Ausst.-Kat. Olga Boznańska (1865-1940), Warschau 2015, Seite 176 f.
[24] Abbildung im Ausst.-Kat. Olga Boznańska, Krakau 2014, Seite 175
[25] Zu Józef Czajkowski vergleiche die Biografie in der Encyclopedia Polonica auf diesem Webportal sowie den Artikel von Janusz Antos auf culture.pl, http://culture.pl/en/artist/jozef-czajkowski
[26] Marcin Samlicki: Olga Boznańska, in: Sztuki Piękne, 1925/26, Nr. 3, Seite 106-107, zitiert nach: Piotr Kopszak: In Munich, in: Ausst.-Kat. Olga Boznańska, Krakau 2014, Seite 42 f.
[27] Ebenda, Seite 43. Vergleiche: Sammlungen und Ausstellungen, in: Kunstchronik. Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe, Neue Folge 5, 1894, Heft 28, 14.6.1894, Spalte 449; online: http://digi.ub.uni-heidelberg.de