Daniel Chodowiecki – Die Polonica
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Daniel Chodowiecki - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
„Ich gehöre auch einigermaßen zu diesen guten Leuten [den braven réfugiés, die vor 100 Jahren ihr Vaterland verlassen mussten und aller Orten, wo sie hinkamen, geehrt und geliebt wurden und auch in Deutschland viel Gutes gestiftet haben], denn meine Großmutter mütterlicherseits war eine réfugiée, aber von meinem Vater her bin ich ein Pole, ein Abkömmling einer braven Nation, die bald nicht mehr existieren wird,“ schrieb Chodowiecki 1793, im Jahr der zweiten Teilung Polens, über seine Herkunft [1]. Mit réfugiés, also Flüchtlingen, waren die Hugenotten, die französischen Protestanten, gemeint, die seit 1530 in Frankreich durch den Klerus und die Monarchie unterdrückt worden waren. Das von Ludwig XIV. 1685 erlassene Edikt von Fontainebleau kam einem Verbot des Protestantismus gleich und löste die Flucht von einer Viertelmillion Hugenotten in protestantisch dominierte Gebiete Europas aus. Daniels Mutter, Marie Henriette Ayrer (*1702), stammte sowohl mütterlicher- als auch väterlicherseits von hugenottischen Flüchtlingsfamilien ab. Daniels polnischer Urahn war nach der von ihm selbst verbreiteten Familientradition der Adlige Bartłomiej Chodowiecki, der in der Mitte des 16. Jahrhunderts in Großpolen lebte. Der Adelstitel lässt sich jedoch schon im 17. Jahrhundert nicht mehr nachweisen und ist auch nicht in den polnischen Wappenbüchern verzeichnet [2]. Daniels direkte Vorfahren waren Theologen und Kornhändler in Thorn. Sein Großvater Christian (*1655) zog wegen besserer Handelsmöglichkeiten nach Danzig und betrieb dort einen Getreidehandel, den der Sohn Gottfried/Godfryd (*1698), Daniels Vater, übernahm. Seit ihrer Heirat schlossen sich Daniels Eltern der reformierten Kirchengemeinde in Danzig an, orientierten sich an der Kultur der französischen Emigranten und sprachen in der Folge Französisch. Französisch wurde daher Daniel Chodowieckis Muttersprache. Er sprach aber auch Deutsch und sehr wenig Polnisch. Vom großväterlichen Erbe kaufte sich die Familie ein Haus in der Heiliggeistgasse.
Biographisches
Am 16. Oktober 1726 in Danzig geboren, verlebte Daniel Chodowiecki offenbar eine unbeschwerte Kindheit. Vom Vater, der als Miniaturmaler dilettierte, erlernte er das Zeichnen. Nach dessen Tod 1740 begann er eine Kaufmannslehre in einer Gewürz- und Lebensmittelhandlung. Daneben setzte er, unterstützt von seiner Tante Justine Ayrer, seine Zeichenstudien autodidaktisch fort. 1743 siedelte er mit sechzehn Jahren nach Berlin über, um, wie schon sein jüngerer Bruder Gottfried, in der Haushaltswarenhandlung seines Onkels Antoine Adrien Ayrer zu arbeiten. Beide Brüder fertigten für dessen Geschäft Miniaturen an, die sie nach Stichen kopierten und mit denen man anschließend Dosen dekorierte. 1748/49 erlernte Daniel von dem Augsburger Kupferstecher Johann Jacob Haid (1704-1767) die Emailmalerei. Daniels früheste erhaltene künstlerische Arbeit ist zwar schon ein polnisches Motiv, jedoch vermutlich eine Kopie, nämlich die Zeichnung nach einem Werk des ebenfalls aus Augsburg stammenden Kupferstechers Georg Christoph Kilian (1709-1781) [3] mit dem Titel „Ein polnisches Jubel-Jahr und Buß-Predigt, in Cracau gezeichnet“ aus dem Jahr 1750 [4]. 1754 beschloss er, sich als Künstler selbstständig zu machen, nahm Zeichenunterricht bei dem Berliner Historienmaler Bernhard Rode (1725-1797) und suchte Kontakt zu anderen arrivierten Malern und Radierern wie Antoine Pesne, Joachim Martin Falbe und Blaise Nicolas Le Sueur, der 1756 Direktor der Berliner Akademie der Künste wurde.
1755 heiratete er die zur französischen Kolonie in Berlin gehörende Jeanne Barez (1726-1785). 1757 begann er mit dem Tiefdruck zu experimentieren, denn aus diesem Jahr datiert seine erste Radierung. 1758 entstand nach einem der ersten Tiefdrucke sein vermutlich frühestes Ölgemälde, „Bauernjunge mit verbundenem Gesicht“ (Nationalmuseum Danzig / Muzeum Narodowe w Gdańsku). Im Sommer dieses Jahres fing er mit einem intensiven Naturstudium an und zeichnete mit Rötel und Bleistift vor allem Frauen bei der häuslichen Arbeit. Mit der Geburt des ersten Kindes 1761 ließ sein Interesse an diesem Thema jedoch nach. Bis 1770 bekam das Ehepaar Chodowiecki fünf Kinder, die später alle künstlerisch tätig wurden. 1764 wurde er zum Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Künste und Mechanischen Wissenschaften in Berlin ernannt. Nach ersten Schaffensperioden als Radierer 1758/59 und 1763/64 begann er 1767 mit dem ununterbrochenen Schaffen von über zweitausend kleinformatigen Radierungen. Den Lebensunterhalt für die Familie verdiente er jedoch vor allem durch Bildnisminiaturen und Emailmalerei auf Dosen [5]. 1773 reiste er nach Danzig und Schlesien. Im selben Jahr traf er in Dresden mit den befreundeten Malern Anton Graff (1736-1813) und Adrian Zingg (1734-1816) zusammen. 1779 erschien ein erstes Verzeichnis der Radierungen, im Jahr darauf seine Autobiographie. Nach dem Tod der Mutter reiste er 1780 erneut nach Danzig. Seit 1782 engagierte er sich für eine Reform der Berliner Akademie, die er 1786 als deren Sekretär und einer der sechs Rektoren durchsetzen konnte. 1790 wurde er Vizedirektor, 1797 als Nachfolger von Bernhard Rode Direktor der Akademie. Am 7. Februar 1801 starb Daniel Chodowiecki in Berlin. (Abb. 1)
[1] Briefe Daniel Chodowieckis an die Gräfin Christiane von Solms-Laubach, herausgegeben von Charlotte Steinbrucker, Straßburg 1927, Seite 180. Bereits zitiert in dem Bändchen Chodowiecki. Zwischen Rokoko und Romantik [1916], Seite 71
[2] Ausführlich zu den Vorfahren von Daniel Chodowiecki siehe Maria Bogucka 1997, Seite 33-36
[3] Helmut Börsch-Supan 1998, Seite 605
[4] Klassik Stiftung Weimar, Kunstsammlungen. Abgebildet bei Elżbieta Budzińska 1986, Abbildung 1
[5] Martin Klar: Emaildosen von Daniel Chodowiecki, in: Pantheon. Internationale Jahreszeitschrift für Kunst, München 1931, Seite 38-44