Daniel Chodowiecki – Die Polonica
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Daniel Chodowiecki - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
Die Polonica
Der polnische Kunsthistoriker Andrzej Ryszkiewicz (1922-2005) identifizierte 1953 in seiner Einführung zu einer Sammlung von Reproduktionen nach Chodowiecki im Besitz des Publizisten, Historikers und Bibliophilen Wacław Zawadzki (1899-1978) noch 116 Zeichnungen, Radierungen und Ölgemälde von Chodowiecki mit polnischen Motiven [7]. Das früheste dieser Werke, ein Miniaturbildnis des polnischen Königs Stanisław Leszczyński, soll von dem achtjährigen Daniel (nach der Natur oder nach einer Vorlage?) in Danzig gezeichnet worden sein, ist aber verloren gegangen [8]. Die nächste „polnische“ Arbeit, die bereits erwähnte Darstellung der von zahlreichen Würdenträgern besuchten Feierlichkeit zum Jubiläumsjahr 1750 in Krakau, hat zu umfangreichen Spekulationen Anlass gegeben, aus welchem Grund Chodowiecki in Krakau gewesen sein soll – obwohl diese Reise durch keine schriftlichen Zeugnisse belegt ist [9]. Strittig bleibt, ob Chodowiecki die Zeichnung nicht doch nach einem Stich des Augsburger Meisters Georg Christoph Kilian angefertigt hat, wie Börsch-Supan meint [10], und zwar unmittelbar nachdem Chodowiecki in Augsburg die Emailmalerei erlernt hatte, oder ob Kilian seinen Stich nach der in Krakau von Chodowiecki gezeichneten Szene anfertigte, wie Elżbieta Budzińska herausgefunden zu haben meint.
Bei einer anderen Arbeit, dem Porträt eines Jungen mit ausrasierter polnischer Frisur und polnischem Gewand [11], war stets umstritten, ob es sich um ein Bildnis von Chodowieckis Sohn Heinrich oder um ein Porträt des Sohnes eines der in Danzig ansässigen polnischen adligen Familien handelte. Der einzige überlieferte Druck dieses Knabenporträts befand sich im Besitz der Posener Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften und ging im Krieg verloren. Vergleichsbeispiele wie ein Porträt von Chodowieckis Sohn Wilhelm, ebenfalls mit polnischer Frisur und Kleidung [12], sind heute im Warschauer Nationalmuseum nur noch durch Fotografien überliefert. Ebenso ist ungeklärt, aus welchem Grund Chodowiecki seine Söhne in der für das Berliner Umfeld der Familie ungewöhnlichen polnischen Nationaltracht gezeichnet haben mag. Von anderen Werken wie dem in Danzig gezeichneten „Profilbild eines polnischen Edelmanns“, das Zawadzki/Ryszkiewicz abbildeten [13], ist der Verbleib unbekannt, ebenso von einer Miniatur des Fürstprimas von Polen und Erzbischofs von Gnesen, Gabriel Jan Podoski (Gabriel Johann Graf Podoski, 1719-1777), das sich früher im Lubomirski-Museum in Lemberg befand. In verschiedenen polnischen Sammlungen sind heute noch mit Rötel gezeichnete Porträts aus den polnischen Adelsfamilien in Danzig, die sogenannten „Roten Köpfe“, erhalten, die jedoch nicht publiziert sind.
Unter den 108 bekannten Zeichnungen von Chodowieckis Reise 1773 von Berlin nach Danzig, die sich seit 1865 als Vermächtnis aus dem Nachlass der Schwiegertochter von Chodowiecki in der Akademie der Künste in Berlin befinden und die seit 1883 in einer Kunstmappe und bis heute in zahlreichen kommentierten Buchausgaben und Ausstellungskatalogen veröffentlicht worden sind, sollen nach Ansicht von Elżbieta Budzińska „fast die Hälfte sehr interessante Polonica“ sein. [14] Ob nun aber jeder Angehörige der Unterschicht, ein „Garkoch auf dem Langen Markt“ oder „Ein Glaser“ in der mindestens bi-nationalen Stadt Danzig ein Pole gewesen sein muss, Arbeitstracht hin oder her, sei dahingestellt. Unter den rund zweitausend Radierungen von Chodowiecki gibt es Darstellungen, in denen sich ein polnisches Motiv am Rand befindet, wie zum Beispiel drei polnische Reiter in einer seiner Illustrationen zu „Minna von Barnhelm“ oder ein Mann in polnischer Kleidung in einer Illustration zu „Clarissa“, einem Roman von Samuel Richardson (1689-1761). Eine Landkarte Polens, die in der Vignette einen polnischen Edelmann zeigt, ist möglicherweise nicht von Chodowiecki. Jedenfalls verzeichnet sie das grundlegende 1857 von Engelmann angefertigte Werkverzeichnis „sämtlicher Kupferstiche“ nicht. In Lavaters „Physiognomischen Fragmenten“ sind „polnische Typen“ zu finden, in Basedows „Elementarwerk“ „sogar wunderschöne Schlitten in der Form eines Schwans, ein typisches polnisches Gespann aus dem 18. Jahrhundert“, wie Elżbieta Budzińska meint.[15]
Alle diese teils nicht mehr erhaltenen Arbeiten sind von polnischen Autoren ausführlich und kontrovers diskutiert worden und können aus verständlichen Gründen hier nicht umfassend dokumentiert werden. Recherchiert man mit den heutigen Möglichkeiten im Internet, so findet man eine Folge von Radierungen mit dem Titel „Illustrationen zur Geschichte des 18. Jahrhunderts“, die Johann Georg Penzel 1793 verlegte. Sie sind mit dem Kürzel „D. Chod. del.“ (lat. delineavit, hat es gezeichnet) signiert und ebenfalls nicht bei Engelmann vermerkt. Sie enthalten die beiden Blätter „Stanislaus als eben erwählter König von Pohlen“ und „August wird von Carl XII. genöthiget der pohlnischen Krone zu entsagen“, die jedoch so simpel und ungelenk sind, dass man sie Chodowiecki kaum zuschreiben mag. Auch sie werden hier nicht abgebildet und besprochen. Die für diese Präsentation ausgewählten Werke zeigen nur jene Bilder aus der „Reise von Berlin nach Danzig“ die für alle Autoren unzweifelhaft polnische Motive zeigen, sowie Radierungen, die unstrittig von Chodowiecki sind und Szenen aus der Geschichte Polens zum Inhalt haben.
[7] Daniel Chodowiecki. 64 reprodukcje. Teka w opracowaniu W. Zawadzkiego, wstęp A. Ryszkiewicza, Warschau 1953, Seite 9-12
[8] Irena Urbanowska 2001, Seite 155
[9] Elżbieta Budzińska 1986, Seite 121 f.; Irena Urbanowska 2001, Seite 155
[10] Helmut Börsch-Supan 1998, Seite 605
[11] Elżbieta Budzińska 1986, Abbildung 3
[12] Elżbieta Budzińska 1986, Abbildung 2
[13] Irena Urbanowska 2001, Abbildung Seite 158
[14] Elżbieta Budzińska 1986, Seite 120
[15] Elżbieta Budzińska 1986, Seite 119