Daniel Chodowiecki – Die Polonica
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Daniel Chodowiecki - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
Zwei Blätter beleuchten die Geschichte der Ritter vom Deutschen Orden, die Ende des 13. Jahrhunderts im Baltikum den Deutschordensstaat gründeten und 1410 in der Schlacht bei Tannenberg gegen die Polnisch-Litauische Union eine schwere Niederlage erlitten. Chodowiecki zeigt sie in mittelalterlichem Reiterkostüm (Abb. 50) und außerdem den Hochmeister des Deutschen Ordens, Herzog Albrecht von Preußen (1490-1568), bei einer Befragung des Reformators Martin Luther im Jahr 1523 (Abb. 56), der dazu riet, den Deutschordensstaat in ein weltliches Herzogtum umzuwandeln und die Reformation einzuführen. Eine Auswirkung der konfessionellen Gegensätze, die seitdem in Polen herrschten, war das 1645 vom polnischen König Władysław IV. Wasa initiierte Thorner Religionsgespräch (Abb. 58) das zwischen den preußisch beeinflussten Lutheranern und den Katholiken der polnisch-litauischen Adelsrepublik vermitteln sollte.
Chodowiecki schilderte außerdem Begebenheiten aus dem Leben polnischer Könige wie Zygmunt III. Wasa (1566-1632), dessen Amtsführung der protestantische Adlige und Wojewode von Belz, Rafał Leszczyński (1579-1636), scharf kritisierte (Abb. 51).[22] Außerdem sind zwei Szenen aus dem Leben von Jan III. Sobieski (1629-1696), seit 1674 König von Polen (Abb. 52, 53), der Tod König Kasimirs des Großen (Kazimierz III Wielki, 1310-1370) bei der Hirschjagd (Abb. 54), ein beginnender Zweikampf zwischen König Johann I. Albrecht (Jan I Olbracht, 1459-1501) mit einem Herzog von Masowien (Abb. 55) sowie die Flucht König Stanisław I. Leszczyński (1677-1766) während des Polnischen Thronfolgekriegs 1734 über Danzig (Abb. 59) ins zweite Exil zum preußischen König Friedrich Wilhelm I. nach Königsberg zu sehen.
Die letzte Radierung von Chodowiecki zur Geschichte Polens zeigt den russischen General Alexander Wassiljewitsch Suworow (1730-1800) im nächtlichen Feldlager vor der Warschauer Vorstadt Praga am Vorabend des 4. November 1794 (Abb. 60). Suworow hatte bereits 1768 am polnischen Feldzug gegen die Konföderierten von Bar teilgenommen, 1769 Warschau besetzt und 1771 das Heer der Konföderierten besiegt. Im September 1794 wurde er von der russischen Zarin Katharina der Großen nach Polen geschickt, um den Aufstand polnischer Patrioten unter Führung von General Tadeusz Kościuszko (1746-1817) gegen die Teilungen Polens niederzuschlagen. Nach einem Sieg bei Brest nahm er Praga in einem ungleichen Kampf gegen die Stadtmiliz von Warschau, ein jüdisches Regiment sowie Zivilisten und Bauern ein, wobei 20.000 Einwohner ums Leben kamen und Warschau am darauffolgenden Tag kapitulierte. Bei einem Massaker an der Zivilbevölkerung wurden in Praga weitere 10.000 Menschen getötet. Chodowieckis Radierung erschien vier Jahre später, 1798, in einer Folge von acht Blättern zur „Geschichte Katharina’s II.“ im „Historisch-genealogischen Kalender“ in Berlin. Dass er das dramatische Geschehen mit einer romantischen Szene am Lagerfeuer vor dem Massaker von Praga repräsentierte, ist vermutlich seiner gesellschaftlichen Stellung in der preußischen Hauptstadt geschuldet, die eine Kritik an dem 1795 zwischen Russland, Österreich und Preußen geschlossenen Vertrag zur dritten Teilung Polens nicht zuließ. Im Jahr vor Erscheinen der Radierung, 1797, war Chodowiecki zum Direktor der Berliner Akademie der Künste ernannt worden.
Axel Feuß, Oktober 2016
[22] Chodowiecki bezieht die Geschichte vermutlich fälschlich auf den polnischen König Sigismund [II.] August (1520-1572].