Daniel Chodowiecki – Die Polonica
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Daniel Chodowiecki - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
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Wie sehr die Email- und Miniaturmalerei im Vordergrund seiner Tätigkeit stand, belegt Chodowieckis sogenanntes „Familienblatt“, das den Künstler 1771 unter dem Titel „Cabinet d’un peintre“ offenbar beim Bemalen eines Dosendeckels im Kreis seiner Familie zeigt. Es ist in französischer Sprache seiner Mutter, „Madame Marie Henriette Ayrer, Witwe des verstorbenen Herrn G. Chodowiecki“, gewidmet. (Abb. 2) Öffentliches Aufsehen erregte sein 1765/66 entstandenes Historiengemälde „Der Abschied des Jean Calas von seiner Familie vor der Hinrichtung am 10. März 1762“ (Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie), dessen radierte Fassung den Künstler weithin bekannt machte. Künftig malte er jedoch keine Historienbilder mehr, sondern bevorzugte als Maler kleinformatige Schilderungen mit häuslichen Szenen aus dem bürgerlichen Milieu. Historische Motive, darunter auch Begebenheiten aus der polnischen Geschichte, führte er stattdessen als Radierungen aus. 1769 begann er mit zwölf Illustrationen zu Gotthold Ephraim Lessings „Minna von Barnhelm“ für den „Berliner Genealogischen Kalender“ eine lange Reihe von Radierungsfolgen für Kalender und Almanache. Sie gelten allgemein als steif, denn auf kleinem Hochformat musste der Künstler prägnante Figurenszenen mit ausladenden Gesten in häufig parallelen Bildhandlungen schildern.
Chodowiecki zeichnete unablässig wo immer er war, auf der Straße, bei Empfängen und Bällen, sitzend, stehend, reitend, fahrend, meist so, dass die porträtierten Personen nichts davon merkten. Wenn es aus gesellschaftlichen Gründen notwendig war, etwa um einer Dame in ihrem Schlafzimmer nicht zu nahe zu treten, zeichnete er sogar durchs Schlüsselloch. Er schuf einmalige Sitten- und Alltagsschilderungen seiner Zeit und erhielt in der Folge Illustrationsaufträge zu den Werken aller möglichen Dichter, „zu sentimentalen und fröhlichen Geschichten, zu Modebildern, zur Geschichte simpler und tragischer, verlogener und leichtsinniger Menschen,“ wie es in dem bereits erwähnten vor einhundert Jahren erschienenen Bändchen [6] heißt: „Die Schattenseiten, die Verkehrtheiten der Gesellschaft seiner Zeit hat er gern geschildert, am liebsten durch Gegenüberstellung von Gut und Böse, Schön und Hässlich.“ Dabei fehlte ihm sowohl die Eleganz des französischen Rokoko, etwa von Antoine Watteau, der bereits 1721 gestorben war, als auch die Schärfe des englischen Karikaturisten William Hogarth (1697-1764), deren Werke Chodowiecki natürlich kannte, da er selbst eine große Sammlung von Kupferstichen besaß und damit auch handelte. Beim Zeichnen tatsächlich erlebter Menschen und Szenen brachte er die amüsantesten Blätter hervor. Bei der Schilderung von Ereignissen aus vergangenen Zeiten konnte er sich jedoch, so bis heute die einhellige Meinung, in das historische Geschehen nur schwer einfühlen. Die immer ersehnte Anerkennung als Historienmaler blieb ihm daher versagt.
Berühmt und geschätzt wurde er jedoch durch die seit 1769 entstandenen zweihundert Zeichnungen für das pädagogische „Elementarwerk für die Jugend und ihre Freunde“ von Johann Bernhard Basedow (1724-1790), das 1774 mit einhundert von Chodowiecki in Kupfer radierten Tafeln erschien. Auf ihnen konnten Kinder zusammen mit dem begleitenden Unterricht nahezu alle Bereiche des Lebens von fröhlichen Kinderspielen bis zu detaillierten Darstellungen der Berufe kennen lernen. Ähnlich umfangreich und bekannt wurden Chodowieckis physiognomische Studien für das 1775-78 erschienene vierbändige Werk „Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe“ von Johann Caspar Lavater (1741-1801). Während seiner zehnwöchigen Reise nach Danzig 1773 führte Chodowiecki ein umfangreiches Tagebuch, das zusammen mit 108 Zeichnungen ein berühmt gewordenes Zeitdokument darstellt. In Danzig schuf er neben Porträtminiaturen auch gerade modern gewordene Profilbildnisse in Rötel, einer rötlichen Kreide. Nach einem etwas naiv wirkenden Gruppenbildnis der Familie Chodowiecki im Berliner Tiergarten von 1772 (Märkisches Museum, Berlin) entstanden offenbar keine weiteren Gemälde.
Seitdem widmete sich Chodowiecki den sich häufenden Illustrationsaufträgen vor allem für Kalender, darunter der „Berliner Genealogische Kalender“ mit dreizehn Jahrgängen zwischen 1770 und 1790, der „Historisch Genealogische Calender“ (8 Jahrgänge, 1793-1803), der „Gothaische Hof-Calender“ (1778, 1780-94), Georg Friedrich Lichtenbergs „Goettinger Taschen-Calender“ (1779-94) und der in Lauenburg erschienene „Königlich Grosbritanische Historische Genealogische Calender“ (1778-96). Dafür schuf er meist in Folgen von zwölf Bildern Illustrationen zu Cervantes, Shakespeare, Salomon Gessner, Lessing, Gellert und Schiller, moralisierende und an Hogarth angelehnte Zyklen wie das „Leben eines Lüderlichen“ (1772) und „Fortgang der Tugend und des Lasters“ (1777), kulturgeschichtliche Szenen wie Hochzeitsbräuche, einen „Totentanz“ (1791), Darstellungen von Kleider-, Hut- und Haarmoden und seit 1781 Folgen historischer Ereignisse, darunter Szenen aus der Französischen Revolution, der polnischen Geschichte oder Anekdoten aus dem Leben Friedrichs des Großen. Diese Tätigkeit brachte ihn in engen Kontakt zu Verlegern, Schriftstellern und Vertretern der bürgerlichen Aufklärung. Sein bis 1800 entstandenes druckgraphisches Werk umfasst 2042 radierte Kupferplatten.
[6] Chodowiecki. Zwischen Rokoko und Romantik [1916], Seite 32