Die Kinder vom Bullenhuser Damm
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„Die Kinder sprachen alle ein gebrochenes Deutsch mit polnischem Akzent. Nach einer Weile kam Frahm rein und sagte, die Kinder sollen sich ausziehen. Ich sah, dass die Kinder etwas stutzten, und deswegen sagte ich, ihr sollt euch ausziehen, weil ihr noch gegen Typhus geimpft werden sollt. Ich nahm jetzt Frahm vor die Tür, damit die Kinder nichts hören konnten und fragte ihn dort leise, was soll mit den Kindern geschehen? Frahm war auch ganz blass und sagte, ich soll die Kinder aufhängen.“[1]
Der SS-Hauptsturmführer und KZ-Arzt Dr. Alfred Trzebinski, der dies am 24. April 1946 im Hamburger Curiohaus-Prozess aussagte und der zusammen mit anderen Tätern die Kinder in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs ermordet hatte, kannte den polnischen Akzent seiner Opfer nur zu gut. Er selbst war 1902 in Jutroschin in der preußischen Provinz Posen (heute Jutrosin, Wojewodschaft Großpolen) geboren worden, die 1919/20 durch den Versailler Vertrag zu Polen gekommen war. Außerdem hatte er einen polnischen Vater. Die Kinder stammten jedoch nicht alle aus Polen. Von den 20 jüdischen Kindern, die in der ehemaligen Schule am Bullenhuser Damm im Hamburger Stadtteil Rothenburgsort erhängt worden waren, kamen eines aus Italien, zwei aus den Niederlanden, eines aus der Slowakei, zwei aus Frankreich und 14 aus Polen. Alle Kinder waren im Herbst 1944 im Konzentrationslager Auschwitz von ihren Eltern getrennt, für medizinische Versuche ausgesucht und nach Hamburg ins KZ Neuengamme gebracht worden.
Die Wege der Kinder ins Konzentrationslager Auschwitz
Mania Altman, geboren am 7. April 1938 im polnischen Radom als Tochter von Pola und Shir Altman, einem Schumacher, lebte ab dem Frühjahr 1941 mit ihrer Familie in dem von den deutschen Besatzern in Radom eingerichteten Getto. Die Eltern sowie die Tanten und Onkel, die mit ihren Familien ebenfalls im Getto lebten, mussten in verschiedenen Lagern arbeiten. Über das nahe gelegene Zwangsarbeitslager Pionki, dem Pulverfabriken angeschlossen waren, wurde Mania mit ihren Eltern im Sommer 1944 ins KZ Auschwitz deportiert. Der Vater kam anschließend ins KZ Mauthausen und wurde dort in den letzten Kriegswochen ermordet. Im August 1944 wurde Mania in Auschwitz von ihrer Mutter getrennt. Sie war zu diesem Zeitpunkt sechs Jahre alt. Pola Altman wurde im Oktober in ein Außenlager des KZs Groß-Rosen deportiert, dort 1945 befreit und emigrierte 1951 in die USA. Bis zu ihrem Tod 1971 hat sie nichts über das Schicksal ihrer Tochter erfahren.
Lelka Birnbaum, die etwa 1933 in Polen geboren wurde, ist nur von einer Namensliste bekannt, die der dänische Arzt und Häftling des KZs Neuengamme, Dr. Henry Meyer, mit Nachname, Geschlecht und Alter in dem zusammen mit dem schwedischen Arzt Gerhard Rundberg verfassten Buch „Rapport fra Neuengamme“ veröffentlichte. Ihr vollständiger Name erscheint außerdem auf dem Deckblatt zu einer Röntgenaufnahme und auf einem Foto, mit dem die an ihr verübten medizinischen Experimente dokumentiert wurden. Als sie in Auschwitz eintraf, war sie vermutlich elf Jahre alt.
Sergio De Simone (Abb. 1 . ) wurde am 29. November 1937 in Neapel geboren. Seine Mutter Gisella, geborene Perlow, stammte aus Fiume/Rijeka und war Jüdin, der katholische Vater, Edoardo De Simone war Schiffsoffizier. Wegen der alliierten Luftangriffe auf Neapel zog die Familie im Sommer 1943 nach Fiume, wo Sergio, seine Mutter und sieben weitere Familienmitglieder, darunter auch seine Cousinen Alessandra und Tatiana, im März 1944 verhaftet und über das KZ und Sammellager Risiera di San Sabba bei Triest am 4. April 1944 ins KZ Auschwitz deportiert wurden. Sergio war zu diesem Zeitpunkt sechs Jahre alt. Der Vater wurde als Zwangsarbeiter nach Dortmund verschleppt. Die Mutter wurde im Konzentrationslager Ravensbrück befreit und auch die beiden Cousinen überlebten. In Italien trafen sich die Eltern wieder. Die Mutter hoffte bis zu ihrem Tod 1984, dass ihr Sohn noch leben würde.
[1] Aussage von Dr. Alfred Trzebinski im Curiohaus-Prozess, 24.4.1946, zitiert nach: Curiohaus-Prozess, verhandelt vor dem britischen Militärgericht in der Zeit vom 18. März bis zum 3. Mai 1946 gegen die Hauptverantwortlichen des KZ Neuengamme, hrsg. vom Freundeskreis e. V., Hamburg 1969, Band 3, S. 346-351. Zitiert nach: Dossier Täter vor Gericht. Die Curio-Haus-Prozesse, http://media.offenes-archiv.de/01_gruen_aussagen_01.04.11_klein.pdf