Die Kinder vom Bullenhuser Damm
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Als Trzebinski nach einer halben Stunde wiederkam, war die Ermordung der Kinder noch in vollem Gange: „Es waren schon einige weg. Einige schliefen noch nicht und fragten mich, werden wir auch bald ins Bett gebracht? Ich ging in den Raum wo die erste Erhängung stattgefunden hatte und sah, dass an einem anderen Haken an der Wand ein Mädchen hing. In einem Verschlag neben dem Raum lagen die Leichen von 3 Kindern, darunter die Leiche des Jungen, der zuerst gehängt worden war. Ich sah Frahm nicht und ging durch das Gebäude und hörte Stimmen neben der Tür des Raumes wo die Heizungslager waren. Ich ging hinein und dort standen Dreimann, Jauch, Wiehagen und Frahm. An einem starken Heizungsrohr hingen in 4 Schlingen 4 Männer. […] Ich sagte zu Jauch, ich gehe zur Spaldingstraße, komme aber bald wieder. Ich ging aber erst noch einmal zu den Kindern und sah, dass einige immer noch nicht recht schliefen. Um zu verhindern, dass sie bei Bewusstsein erhängt werden, habe ich ihnen noch eine 2. Morphiumspritze gegeben. Es waren vor allem die größeren und kräftigeren Kinder, bei denen die Wirkung nicht so eingesetzt hatte. Ich hatte wie ich schon sagte, noch 20 ccm drinnen. Das erschien mir zu wenig und so nahm ich aus meiner Arzneitasche noch 2 Morphiumampullen heraus, wovon jede 0,015 ccm enthielt. Diese schüttete ich zu dem übrigen hinzu und dosierte es gefühlsmäßig. Es waren ungefähr noch 6 Kinder. Die Reaktion trat schnell ein, weil die Kinder ja schon eine Spritze hatten. Ich wartete, bis alle Kinder fest schliefen und ging dann zur Spaldingstraße.“
Im Curiohaus-Prozess belasteten sich Pauly, Trzebinski, Frahm und Jauch gegenseitig. Frahm, offenbar der Einzige, der zugab eigenhändig Kinder erhängt zu haben, gab am 24. Mai 1946 in einer eidesstattlichen Aussage zu Protokoll: „Es waren ungefähr 20 Kinder im Alter zwischen 12 bis 16 Jahren. Einige schienen krank zu sein. Außer den Kindern waren Dr. Trzebinski, Dreimann und Jauch im Keller. Strippel kam zeitweise auch herein. Wiehagen stand vor der Tür, Speck stand ebenfalls Wache am Gebäude. Der Name des Chauffeurs, der die Kinder brachte, ist Petersen. – Die Kinder mussten sich in einem Zimmer des Kellers ausziehen, wurden dann in ein anderes Zimmer geführt, wo sie von Dr. Trzebinski eine Injektion bekamen, so dass sie einschliefen. Diejenigen, die nach der Injektion noch Lebenszeichen von sich gaben, wurden in ein anderes Zimmer getragen. Es wurde ihnen ein Strick um den Hals gelegt und sie wurden dann an Haken wie Bilder an der Wand aufgehängt. Dies wurde von Jauch, mir, Trzebinski und Dreimann ausgeführt. Strippel war auch zeitweilig dabei. Die Leichen blieben dann in dem Zimmer, von wo sie am nächsten Tage von Neuengamme aus abgeholt wurden.“
Abschließend berichtete Frahm von einer danach ausgeführten weiteren Mordaktion: „Um Mitternacht kam ein anderer Schub von Gefangenen aus Neuengamme. Diesmal handelte es sich um 20 erwachsene Russen. Diese wurden in einen Raum des Kellers geführt und dort wurden sie von uns vieren, Jauch, Trzebinski, Dreimann und mir und teilweise Strippel, aufgehängt. Ein Seil wurde um ein Rohr gelegt, welches unter der Decke herlief. Die Schlinge wurde den Gefangenen um den Hals gelegt und wir zogen sie dann hinauf. Die Leichen blieben in dem Zimmer liegen, wo sie auch am nächsten Tag abgeholt wurden. Um 6 Uhr morgens waren alle Russen tot und ich ging schlafen.“
Trzebinski sagte jedoch aus, er habe in der Zwischenzeit in der Spaldingstraße Krankenakten durchgearbeitet und sei dann zum Bullenhuser Damm zurückgekehrt: „Ich ging jetzt in das Gebäude hinein um nach den Kindern zu sehen. In dem Raum, wo die Kinder waren, war niemand mehr. Nur die zurückgebliebenen Gepäckstücke lagen noch da. Ich ging in das Zimmer, wo die Erhängungen stattgefunden hatten und fand den Raum verschlossen. […] Ich nahm mir dann Frahm vor, der mir den Raum aufschloss. Da lagen die Kinder alle und jedes Kind hatte das Erhängungsmal am Hals. Ich habe dann jedes Kind untersucht, ob es auch tot war, dann ging ich in den Raum der erhängten Männer und habe auch diese auf den Tod hin untersucht. Damit war dieses traurige Kapitel abgeschlossen. Wir sind dann zurückgefahren.“[28]
[28] Alle vorangegangenen Zitate nach: Dossier Täter vor Gericht (siehe Anmerkung 1)