Olga Boznańska. Krakau – München – Paris
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Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verändert ihr Leben radikal. Der französische Kunstmarkt bricht zusammen, die Mieteinnahmen von ihrem Elternhaus in Krakau treffen in Paris nicht mehr ein. Während der Kriegsjahre finden kaum noch Ausstellungen statt. 1915 nimmt die Malerin an Schauen polnischer Kunst in Wien und Paris teil, 1918 an einer Ausstellung polnischer Maler und Bildhauer, die im Pariser Palais des Grafen Felix-Nicolas Potocki (1845-1921) zugunsten kriegsversehrter Polen abgehalten wird. Den Winter 1920/21 verbringt sie wieder in Krakau. Freunde wie Ludwik Puget versuchen sie zu überreden, in Polen zu bleiben. Sie übergibt jedoch die Verwaltung des Elternhauses an den Buchhalter und Kunstsammler Edward Chmielarczyk, kehrt nach Paris zurück und nimmt ihre Arbeit wieder auf. In zurückgezogenen Stunden entstehen Stillleben mit Dosen, Schalen, Vasen und japanischen Figuren und auch Blumenbilder (Abb. 50-53). Weiterhin porträtiert sie in großer Zahl Persönlichkeiten der Pariser Kunstwelt und der internationalen intellektuellen Kreise wie die amerikanische Malerin Jane Freeman (1871-1963), die Boznańska für das „Bildnis einer Dame mit einer dreifachen Perlenkette“ Modell sitzt (um 1922, Abb. 54). Wie zuvor entstehen bis zum Ende der Zwanzigerjahre in großer Zahl Porträts von Freunden und Freundinnen aus Krakau und Paris, deren Namen gelegentlich auf den Rückseiten der Gemälde vermerkt sind (Abb. 55, 56, 58, 60, 61), oder von polnischen Künstlern und Intellektuellen wie der in Paris ansässigen Ärztin und Psychologin Melania Lipińska (Mélanie Lipinska, 1865-1933; um 1926, Abb. 57) und der Schriftstellerin und Übersetzerin Julia Euzebia ze Skrochowskich Rylska (1884-1969; um 1930, Abb. 59), die in Paris studiert und ab 1926 in Krakau gelebt hat. Alle diese Porträts malt Boznańska wie gewohnt in impressionistischem, mehr oder minder pointilistischem Stil.
Während Paris die „wilden“ Zwanzigerjahre feiert, gilt Boznańska trotz ihrer zahlreichen gesellschaftlichen und künstlerischen Kontakte inzwischen als vereinsamt und verschroben. Die kubistische Malerin Alicja Halicka (1889-1974), in Krakau geboren, in München und Paris ausgebildet und von Boznańska um 1910 auf dem „Porträt dreier Schwestern“ (Nationalmuseum Krakau/Muzeum Narodowe w Krakowie) im Bild festgehalten, wird sie später als „einst berühmt“ schildern, inzwischen sei sie aber „unberechtigterweise“ völlig vergessen: „Sie malte vorwiegend Porträts, die sich zwischen Carrière und Pointilismus bewegten und lebte am Boulevard de Montparnasse in einem großen Atelier voller Mäuse, die nie bekämpft wurden. ‚Sie sind meine Freunde‘, hätte sie gesagt. Steif wie ein Schürhaken, hieratisch, das Gesicht mit einem merkwürdigen grünlichen Make-up geschminkt und den Kopf mit einer altertümlichen Mantilla bedeckt, benutzte sie deren Enden, um den Staub von einem ihrer Gemälde zu wischen, das sie zeigen wollte.“[55] Andere wie der Maler Józef Czapski (1896-1993) berichten, dass sie Boznańska Ende der Zwanzigerjahre getroffen hätten: „Und ich erinnere mich – ich mache die Kapisten dafür verantwortlich, das ist meine Gruppe – für die Tatsache, dass wir sie kaum zur Kenntnis genommen haben. Als wir nach Paris kamen, hatte der Konflikt zwischen den Abstrakten und den Kubisten schon begonnen – der gesamte Post-Impressionismus – und sie malte immer noch, als wäre nichts geschehen. Plötzlich war sie verschwunden. Wir haben darin versagt, ihr die nötige Ehre zu erweisen.“[56]