Olga Boznańska. Krakau – München – Paris
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1895 übernimmt sie für eine gewisse Zeit die Leitung der Malschule des Landschafts‑ und Genremalers Theodor Hummel (1864-1939). Gemeinsam mit ihrer Schwester Iza reist sie in diesem Jahr in die Schweiz. 1895, 1896 und 1898 ist sie mit Porträtgemälden auf der Internationalen Kunstausstellung der Münchner Secession vertreten, ebenso auf der Großen Berliner Kunstausstellung der Jahre 1895, 1897 und 1898. 1896 erhält sie von Julian Fałat (1853-1929), der im Vorjahr zum Direktor der Schule für schöne Künste/Szkoła Sztuk Pięknych in Krakau berufen worden ist, das Angebot, die dort geplante Abteilung für Damen zu leiten, was sie jedoch ablehnt. 1896 und 1897 sind in den Kunstschauen der Société nationale des beaux-arts in den Ausstellungsgebäuden auf dem Pariser Marsfeld Kinderbilder von ihr zu sehen.[35] 1897 reist sie mit Irena Serda nach Paris. In München ist sie in diesem Jahr an einer Zeitschrift der polnischen Künstlergemeinde beteiligt, die unter dem Titel „Jednodniówka“ von der jüngeren Generation, unter anderem von Czajkowski, Władysław Wankie, Stanisław Radziejowski und Feliks Wygrzywalski, herausgegeben wird und die nur ein einziges Mal erscheint. Das Blatt folgt in seiner modernen buchkünstlerischen Gestaltung dem Stil der im Vorjahr gegründeten Münchner Zeitschrift „Jugend“ und enthält auf vierzig Seiten in lockerer Folge Gemäldereproduktionen, Grafiken und Vignetten der älteren und jüngeren polnischen Maler, darunter von Boznańska ein Damenporträt, sowie Prosa, Lyrik, dramatische Skizzen und Musikstücke polnischer Literaten und Komponisten.[36] 1898 zeigt Boznańska in der Ausstellung des Berliner Vereins der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen im Gebäude der Königlichen Akademie Unter den Linden zwei Kinderbilder, „Buben“ und „Mädchen mit Kind“.[37] In Krakau wird sie Mitglied des im Vorjahr gegründeten Verbands polnischer Künstler „Sztuka“/Towarzystwo Artystów Polskich „Sztuka“. In Paris zeigt sie 24 Werke in einer Zweierausstellung, die der Kunsthändler Georges Thomas (1842-1915) in seiner Galerie an der Avenue Trudaine mit ihr und ihrem Vetter, Daniel Mordant, veranstaltet.[38] Im Oktober 1898 verlässt sie München, geht nach Paris und bezieht dort eine Wohnung in der Rue Campagne Première Nr. 17 im Künstlerviertel Montparnasse unweit des Jardin du Luxembourg.
Der genaue Anlass ihrer Übersiedlung nach Paris ist nicht bekannt. Später wird sie sagen, sie sei ihrer Schwester Iza gefolgt, die ihr Studium nach einem Aufenthalt in der Schweiz in der französischen Hauptstadt habe fortsetzen wollen.[39] Tatsächlich dürften die familiären Bindungen und die Anziehungskraft von Paris als eigentliche Hauptstadt der europäischen Kunst in dieser Zeit der Grund gewesen sein. Während in München die Malerei des Realismus und des Naturalismus in den Neunzigerjahren vom Symbolismus und vom Jugendstil abgelöst wird, ist Paris immer noch die Stadt der Impressionisten. Auch Whistler hat dort seit 1892 sein Atelier, ebenfalls im Stadtviertel Montparnasse, wenige Straßen von Boznańskas künftiger Adresse entfernt. Schon seit 1895 hat sie sich nach Paris orientiert; denn Mordant übermittelt ihr im Februar des Jahres die Einlieferungsfristen der wichtigsten Ausstellungssalons,[40] darunter der Société nationale des beaux-arts auf dem Champ-de-Mars, wo sie aber erst im Folgejahr zugelassen wird. Die Ausstellung 1898 bei Georges Thomas, welcher vorwiegend junge und unbekannte Künstler zeigt, ihre erste Einzelausstellung, ist zugleich ihr erster Erfolg in Paris. Sie zeigt Porträts, Kinderbilder, Stillleben, Blumen, „Italiener“ und eine „Bretonin“, während Mordant Reproduktionsgrafik ausstellt, Kaltnadelradierungen nach Rembrandt, Rubens, Tiepolo, Delacroix und nach modernen Meistern wie Meissonier, Besnard und Carrière.[41]
[35] Exposition nationale des beaux-arts. Exposés au Champs-de-Mars. Catalogue illustré des ouvrages de peinture, sculpture et gravure, Paris 1896, Seite VIII, Nr. 192; Paris, 1897, Seite VIII, Nr. 169; online: https://archive.org
[36] Reprint in der Publikation: Jednodniówka - Eintagszeitung. Neuausgabe, herausgegeben von Zbigniew Fałtynowicz / Eliza Ptaszyńska, Muzeum Okręgowe w Suwałkach, Suwałki 2008, zugleich Katalog der Ausstellung „Signatur - anders geschrieben. Anwesenheit polnischer Künstler im Lichte von Archivalien“, Polnisches Kulturzentrum, München 2008; Digitalisat der historischen Zeitschrift „Jednodniówka“: https://polona.pl/item/373549/8/
[37] XVI. Kunst-Ausstellung des Vereins der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen, Berlin 1898, Nr. 31, 32; online: http://www.digishelf.de
[38] Artikel zu Boznańskas Porträt des Kunsthändlers Georges Thomas, 1899, Privatbesitz, online: http://catalogue.gazette-drouot.com/ref/lot-ventes-aux-encheres.jsp?id=4002557
[39] Marcin Samlicki: Olga Boznańska, Sztuki Piękne 1925/26, Jg. 2, Nr. 3, Seite 106
[40] Ewa Bobrowska: Paris of Her Dreams, in: Ausst.-Kat. Olga Boznańska, Krakau 2014, Seite 55
[41] Catalogue. Expositions des œuvres de Mlle Olga Boznanska (peinture) et de M. Daniel Mordant (gravure), Galerie G. Thomas, 17, avenue Trudaine, Paris [1898]