Olga Boznańska. Krakau – München – Paris
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Eine größere Anzahl von Porträts dürfte bis heute unbekannt geblieben sein, weil sie sich noch in Familienbesitz befinden oder weil sie während des Zweiten Weltkriegs verloren gegangen sind. Andere befinden sich in Privatsammlungen oder sind aus Privatbesitz und durch Vermächtnisse in die Museen gekommen. Darunter sind das Porträt des Zahnarztes Doktor Woszycki (um 1896/1899, Nationalmuseum Krakau/Muzeum Narodowe w Krakowie), das Bildnis des Malers und Bühnenbildners Franciszek Siedlecki (1867-1934), der ab 1889 in München bei Franz von Stuck studiert und zu Boznańskas Freunden gehört hat (1896, Sammlung Krzysztof Musiał), die Porträts des Philosophen und Schriftstellers Michał Henryk Dziewicki (1851-1928) und der Englischlehrerin Gertruda Dziewicka, seiner Schwester (beide 1897, Princes Czartoryski Foundation/Fundacja Książąt Czartoryskich), ebenfalls Bekannte der Malerin, ein weiteres Porträt von Czajkowski (1894) und eines von Boznańskas Freundin Irena Serda (1896, beide Nationalmuseum Krakau/Muzeum Narodowe w Krakowie). Alle Porträtierten sind nach dem Vorbild von Paul Nauen sitzend, aber mit verschiedenen Posen und in unterschiedlicher Farbigkeit dargestellt.[28]
Daneben malt die Künstlerin immer wieder Selbstporträts, die sie mal gelöst und in Alltagskleidung (1893, Abb. 19), mal kritisch und in schwarzem Gewand (1896, Abb. 20) oder selbstbewusst im Malkittel (um 1897, Abb. 21) zeigen. Diese Selbstbildnisse stellen, in regelmäßigen Abständen und in nicht unbedeutender Zahl entstanden, in Öl oder Pastell, auf Pappe, Leinwand oder Papier, in unterschiedlichen Formaten, mal skizzenhaft, mal repräsentativ ausgeführt, ein Mittel zur Selbstbefragung dar. Vielleicht sind sie aber auch eine Möglichkeit, immer wieder andere Formen des Porträts an sich selbst auszuprobieren. Die Künstlerin zeigt sie öffentlich und verkauft sie auch. Das etwa 1897 entstandene großformatige Pastell beispielsweise (Abb. 21) stellt sie 1906 zusammen mit anderen Werken im Verband polnischer Künstler „Sztuka“/Towarzystwo Artystów Polskich „Sztuka“ in Krakau aus. Es wird vom damaligen Direktor, Feliks Kopera (1871-1952), für das Krakauer Nationalmuseum erworben, gelangt dann durch Tausch in den Besitz des Sammlers und Kunstkritikers Feliks Jasieński (1861-1929), der Boznańska gelegentlich bei Verkäufen ihrer Werke hilft und der durch seine umfangreiche Sammlung japanischer Kunst bekannt geworden ist, und kommt schließlich als Schenkung von ihm zurück in das Nationalmuseum.[29]
Auch die Reihe der Kinderbilder setzt Boznańska fort. Nach den Gemälden „Mädchen mit Sonnenblumen“ (1891, Muzeum Ziemi Lubuskiej, Zielona Góra) und „Mädchen mit dem weißen Taschentuch“ (1890/93, Privatbesitz) folgt 1893 die Studie einer sitzenden Frau, die ihre Tochter in den Armen hält (Abb. 22).[30] Der Typ des Mädchens mit den goldblonden Haaren und den auffallend dunklen Augen, der auch im Jahr darauf bei dem „Mädchen mit Chrysanthemen“ (Abb. 23) wiederkehrt, wird allgemein mit den Infantinnen-Porträts von Velázquez in Verbindung gebracht, wenn auch nicht mit der exakten Physiognomie, so doch mit dem selbstsicheren Blick und der autonomen Persönlichkeit der gemalten Vorbilder. Ebenfalls 1894 entsteht das „Porträt einer Frau mit weißer Bluse“ (Abb. 24), das möglicherweise eine Studie zu Bildern über die Mutterschaft ist. Boznańskas „Mädchen“-Bilder beeinflussen den zu dieser Zeit in Warschau arbeitenden Maler Józef Pankiewicz (1866-1940), dessen „Bildnis eines Mädchens im roten Kleid (Józefa Oderfeld)“ (1897, Nationalmuseum Kielce/Muzeum Narodowe w Kielcach) einen ähnlichen Typus zeigt und der sich ebenfalls sowohl an Velázquez als auch an Whistler orientiert hat.[31]
[28] Abbildungen im Ausst.-Kat. Olga Boznańska, Krakau 2014, Nr. III.14-21
[29] Ebenda, Seite 121
[30] Das Bild „Studie zu einer Frau mit Mädchen“ (Abb. 22) befand sich ursprünglich auf der Rückseite des Selbstbildnisses im schwarzen Gewand (Abb. 20) und wurde 1933 von diesem aus konservatorischen Gründen getrennt.
[31] Ewa Bobrowska: Olga Boznańska and Her Artistic Friendships, in: Ausst.-Kat. Olga Boznańska, Krakau 2014, Seite 73