Olga Boznańska. Krakau – München – Paris
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Durch Thomas lernt sie den einflussreichen Politiker und Kunstsammler Olivier Sainsère (1852-1923) kennen, zu dieser Zeit schon Präfekt und Staatskanzler, seit 1901 der erste Mäzen und Sammler von Pablo Picasso. Bei ihm sind sie und Iza häufig zu Gast. 1899 malt sie die Porträts des Ehepaars Sainsère, elf Jahre später das Familienbildnis der Tochter und des Schwiegersohns, des Arztes und späteren Nobelpreisträgers Charles Richet (1850-1935), die teils in französischem Privatbesitz, teils von Fotografien bekannt sind. Zu dieser Zeit verfestigt sich Boznańskas Malweise, das Inkarnat der Porträtierten in impressionistischer Weise aus kleinen Farbflecken zu gestalten, den Umriss der Figur aufzulösen und den Malgrund, meist eine bräunliche Malpappe, durchscheinen und in die Farbgestaltung mit einfließen zu lassen. Tendenziell ist der impressionistische Duktus auch schon früher zu beobachten, etwa bei der „Studie zu einer Frau mit Mädchen“ (1893, Abb. 22), wird jetzt aber zu einem durchgehenden Stilmerkmal der Künstlerin. 1899 entstehen in dieser Art das Bildnis der Malerin Anna Saryusz-Zaleska (Abb. 28), wohl einer Schulfreundin aus Krakau, des Malers Antoni Kamieński (1860/61-1933, Abb. 29), der in Warschau lebt, sich aber in diesen Jahren häufig in Paris aufhält, ein repräsentatives Porträt des Galeristen Georges Thomas (Privatbesitz)[42] und das Bildnis einer unbekannten Dame in einer blauen Bluse (Abb. 30). Mal mehr, mal weniger entsteht der Eindruck, dass die Porträtierten durch diese Malweise in einem Farbnebel und damit in einer entrückten Stimmung aufgehen. Französische Kunstkritiker haben dieses Phänomen mit Eugène Carriere (1849-1906) in Verbindung gebracht, zu dem Mordant eine enge Verbindung gepflegt hat. Boznańska selbst hat dies jedoch entschieden zurückgewiesen. Sie hat sich eher Édouard Vuillard (1868-1940) verbunden gefühlt, den sie nie persönlich kennen gelernt, der aber mit dem von ihr wenig geschätzten Pankiewicz verkehrt hat.[43]
Auch Kinderbilder entstehen weiterhin: das impressionistisch und farbenfroh gehaltene Bild „Großmutters Namenstag“ (um 1900, Abb. 31), dann das im dunstigen Porträtstil gemalte Gemälde einer „Nanny“ mit einem Kleinkind auf dem Arm (1899, Nationalmuseum Breslau/Muzeum Narodowe we Wrocławiu), unter dem Titel „Mutterschaft“ das Bild einer jungen Frau mit ihrem Säugling (1902, Privatbesitz), das Doppelporträt eines älteren Mädchens und eines Jungen (1907, Staatliche Kunstgalerie, Lviv) und schließlich das ganz in rosa Farbschleier aufgelöste Doppelporträt zweier Mädchen (1906, Abb. 32), dessen heutige Farbigkeit jedoch einer Übermalung durch den Maler Alfons Karpiński (1875-1961) zu verdanken ist, dessen spätere Ehefrau Władysława rechts auf dem Bild dargestellt ist.
Ihr hauptsächliches Arbeitsgebiet bleibt jedoch das Porträt. In großer Zahl hält sie nun Mitglieder der polnischen Gemeinde in Paris im Bild fest, die in diesen Jahren rund sechstausend Personen umfasst,[44] oder Polen, häufig von Rang und Namen, die vorübergehend in Paris ihren Aufgaben nachgehen. Darunter sind der Lehrer und Literaturhistoriker Dr. Antoni Marian Kurpiel-Łękawski, der 1899 bis 1900 ein Paris-Stipendium der Polnischen Akademie der Künste und Wissenschaften wahrnimmt (Regionalmuseum Rzeszów/Muzeum Okręgowe w Rzeszowie), der Biologe und Professor Jan Danysz (1860-1928; 1901, Privatbesitz), der Krakauer Architekt Franciszek Mączyński (1874-1947; 1902, Abb. 33), der an der Pariser Kunstakademie studiert, oder die Lehrerin, Übersetzerin und Sozialaktivistin Janina Dygat (1873-1941), Tochter eines polnischen Emigranten, deren Bildnis der französische Staat 1903 von der Malerin für das Musée du Luxembourg erwirbt und das später über den Louvre in das Musée d'Orsay gelangt.[45] 1903 malt sie das Bildnis der Malerin Maria Koźniewska-Kalinowska (1875-1968, Abb. 34), die ab diesem Jahr in Paris an der Académie Colarossi studiert und auch bei Boznańska Malstudien nimmt, zwischen 1904 und 1905 die Porträts von Samuel Hirszenberg (Staatliche Kunstgalerie, Lviv), des Pianisten und Chopin-Schülers August Radwan (1867-1958, Abb. 35) und der Lehrerin und Sozialaktivistin Zofia Kirkor-Kiedroń (1872-1952, Abb. 36), 1907 des Kunstsammlers Jasieński (Nationalmuseum Krakau/Muzeum Narodowe w Krakowie), des Krakauer Bildhauers Ludwig Puget (1877-1942, Abb. 37), der zu dieser Zeit in Paris an der Académie de la Grande Chaumière studiert, und das Bildnis der aus Lemberg/Lwów/Lviv stammenden Malerin Maria Bauer-Papara (1883-1933, Abb. 38), einer Freundin von Boznańska.
[42] Abbildung in: Ausst.-Kat. Olga Boznańska, Krakau 2014, Seite 67
[43] Ewa Bobrowska: Olga Boznańska and Her Artistic Friendships, in: Ausst.-Kat. Olga Boznańska, Krakau 2014, Seite 82-85
[44] Ewa Bobrowska: Paris of Her Dreams, in: Ausst.-Kat. Olga Boznańska, Krakau 2014, Seite 53
[45] Bildnis einer jungen Dame, 1903. Öl auf Pappe, 82,5 x 60,2 cm, signiert: Olga Boznańska 1903, Musée d'Orsay, Paris, Inv. Nr. RF 1980 72; online: http://www.musee-orsay.fr/en/collections/index-of-works/notice.html?no_cache=1&nnumid=016577&cHash=cf8a5f44b4 ; als „Bildnis von Fräulein Dygat“ im Ausst.-Kat. Olga Boznańska, Krakau 2014, Nr. III, 37