Polnische Plakatkunst in der Bundesrepublik der Nachkriegszeit
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3. Gut, günstig und am Puls der Zeit: Gründe des Erfolgs
Wie sind die große Popularität der polnischen Plakatkunst in der Bundesrepublik und die große Zahl der Ausstellungen gerade in den 1960er Jahren zu erklären? Zwei entscheidende Gründe, nämlich Qualität und Renommee zu einen sowie die allgemeine Polenbegeisterung der sogenannten Polnischen Welle zum anderen, wurden oben bereits genannt. Doch noch weitere Faktoren spielten eine Rolle.
Ein ganz pragmatischer Grund liegt auf der Hand: Im Vergleich zu Gemäldeausstellungen waren Plakatausstellungen mit sehr viel geringerem finanziellem und logistischem Aufwand zu organisieren; zudem waren die Plakate leicht zu beschaffen, es gab Vertriebswege dafür, und als prinzipiell reproduzierbares Medium waren sie erschwinglich: So konnte man beispielsweise bei einer Ausstellung in Frankfurt am Main 1963 Exemplare polnischer Plakate für 3 DM erwerben,[19] was damals dem Preis eines Suhrkamp-Taschenbuchs entsprach. Plakatausstellungen zu organisieren, war mithin der einfachste und kostengünstigste Weg, um auf den Zug der Polnischen Welle aufzuspringen, und auch die ersten privaten Sammlungen polnischer Plakate in der Bundesrepublik entstanden in dieser Zeit. Darin liegt zugleich ein Unterschied zu Ausstellungen polnischer Malerei oder Skulptur. Letztere entstanden in dieser Zeit alle in deutsch-polnischer Kooperation und wurden durch Leihgaben aus Polen bestritten. Ab und an wurde zwar etwas angekauft, doch nennenswerte private oder öffentliche Sammlungen zeitgenössischer polnischer Malerei existierten damals in der Bundesrepublik noch nicht. Anders bei den Plakaten. Zwar gab es auch hier deutsch-polnische Kooperationsausstellungen mit polnischen Leihgaben, zunehmend aber auch Ausstellungen, die die Plakatbestände privater Sammler, später auch öffentlicher Sammlungen zeigten.
Die große Resonanz hatte jedoch noch weitere Gründe, zu denen sich auch die spezifische Aktualität des Mediums Plakat zählen lässt: Die Zeit des Wirtschaftswunders war auch eine goldene Ära der Werbewirtschaft, das Produkt- und Grafikdesign spielt eine immer wichtigere Rolle, und nicht zufällig präsentierte die documenta III 1964 erstmals eine eigene Abteilung zu Industriedesign und Gebrauchsgrafik, auf der auch Polen prominent vertreten war. So ist es nicht allzu überraschend, dass in dieser Zeit nicht nur die westdeutsche Gebrauchsgrafik-Szene, sondern auch und gerade Wirtschafts- und Werbefachleute ein Faible für polnische Plakatkunst entwickelten, sich für ihre Vermittlung einsetzten und anfingen, selbst polnische Plakate zu sammeln und Ausstellungen zu organisieren (auch wenn auf den polnischen Kulturplakaten nicht für Margarine oder Stahl geworben wurde).
Einer dieser kulturbeflissenen Werbe- und Wirtschaftsleute war Carl Hundhausen (1893-1977) aus der Führungsriege des Hauses Krupp. Nach 1945 zuständig für die dringend nötige Image-Aufbesserung des Konzerns, wurde Hundhausen in den 1950er Jahren enger Berater und zugleich eine Art Kultur-Scout für den Krupp-Generalbevollmächtigten Berthold Beitz; er war auch eine der treibenden Kräfte hinter den verschiedenen deutsch-polnischen Ausstellungskooperationen, die die Firma Krupp mitinitiierte und -finanzierte.[20] Nebenher hatte Hundhausen an der Folkwang Schule für Gestaltung eine Professur für „wirtschaftliche Werbelehre“ inne und gilt als der Vater der „Public relations“ in Deutschland.
[19] Vgl. „Plakate — ohne Dekoration und Kitsch. Eine Ausstellung polnischer Werbegraphik im Studentenhaus“, FAZ, 23.7.1963, S. 12.
[20] Z. B. die großen Überblicksausstellungen „Polnische Malerei vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart“ (1962) (vgl. http://www.porta-polonica.de/de/node/260) sowie „Polnische Graphik“ (1965), beide im Museum Folkwang in Essen. Hundhausens aktive Rolle geht u. a. hervor aus Archivmaterial im Historischen Archiv Krupp sowie dem Archiv des Nationalmuseums in Warschau.