Polnische Plakatkunst in der Bundesrepublik der Nachkriegszeit
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2. Historisches: „Polnische Welle“ und darüber hinaus
Der Grundstein für den Siegeszug der polnischen Plakatkunst in der Bundesrepublik wurde bereits zu Beginn der 1950er Jahre gelegt. Das wichtigste Medium zu ihrer Popularisierung waren dabei, neben Zeitschriften und einzelnen Buchpublikationen, vor allem Ausstellungen. So wanderte bereits im Jahr 1950 eine Ausstellung polnischer Plakate durch die Bundesrepublik, mit Stationen u. a. in Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt/M., Nürnberg und München,[5] worüber u. a. die Zeitschrift „Gebrauchsgraphik“ einen mehrseitigen Bildbericht brachte.[6]
Vereinzelte Ausstellungen polnischer Gebrauchsgrafik schlossen sich in den folgenden Jahren an; der große Boom aber begann nach dem Polnischen Oktober 1956. Der ‚polnische Frühling im Herbst‘ ließ dem Land nicht nur „die Herzen des Westens zufliegen“, wie Die Zeit damals schrieb,[7] sondern setzte auch ein beispiellos reges Interesse an zeitgenössischer polnischer Kunst und Kultur in der Bundesrepublik in Gang – ein Phänomen, das als sogenannte „Polnische Welle“ bereits unter Zeitgenossen sprichwörtlich wurde. Die Faszination für das Tauwetter in Polen mit seiner im damaligen Ostblock einzigartigen kulturellen Blüte und scheinbaren Liberalität spielte dabei ebenso eine Rolle wie politisch-moralische Motive angesichts des belasteten deutsch-polnischen Verhältnisses und einer wenig konstruktiven Bonner Polenpolitik. Dass in Polens Kulturpolitik bereits Ende der 1950er Jahre schon wieder frostigere Winde wehten, tat der Polnischen Welle in der Bundesrepublik keinen Abbruch. Bis weit in die 1960er Jahre hinein füllten sich die westdeutschen Veranstaltungskalender zunehmend mit Angeboten zu polnischer Musik, Literatur, Theater, Film oder bildender Kunst, es gab Polnische Wochen im Rundfunk, Städte und Gemeinden organisierten polnische Kulturtage, und alle paar Wochen wurde irgendwo im Bundesgebiet eine Ausstellung mit polnischer Gegenwartskunst eröffnet.
Ausstellungen polnischer Plakatkunst bildeten einen wesentlichen Bestandteil dieser Polnischen Welle und machten einen Großteil aller Ausstellungen polnischer Kunst in der damaligen Bundesrepublik aus: Von den insgesamt gut über 100 Ausstellungen, die sich bis 1970 in der Bundesrepublik samt West-Berlin nachweisen lassen,[8] waren ein gutes Drittel Plakatausstellungen. Bei vielen von ihnen handelte es sich um Wanderausstellungen, die in mehreren Städten der Bundesrepublik gezeigt wurden, so dass die Zahl der Veranstaltungsorte noch um Einiges höher liegt.
Einen Eindruck von der zeitweiligen Dichte vermittelt der folgende Überblick über Ausstellungen polnischer Plakatkunst, die in den Jahren 1964-66 stattfanden.[9] (Abb. 5)
[5] Veranstalter war die Düsseldorfer Helmut-von-Gerlach-Gesellschaft (1953 umbenannt in „Deutsche Gesellschaft für Kultur- und Wirtschaftsaustausch mit Polen“), die 1950 als westdeutscher Ableger der gleichnamigen ostdeutschen Gesellschaft gegründet worden war; auf diese politisch umstrittene Gesellschaft ist unten noch zurückzukommen. Zur genannten Ausstellung siehe auch Jeannine Harder, „Polnische Plakatkunst als Medium transnationaler Kunstkontakte und Kulturpolitik im Ost-West-Konflikt“, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2015, www.europa.clio-online.de/essay/id/artikel-3789, S. 2 (Zugriff 27.6.2016).
[6] Eberhard Hölscher, „Polnische Plakate“, in: Gebrauchsgraphik 1950, Nr. 10, S. 44-49.
[7] Gösta von Uexküll, „Wunder in Polen“, Die Zeit, 25.10.1956.
[8] Nach bisherigen Recherchen der Verf., die im Rahmen eines derzeit (2017) laufenden DFG-Forschungsprojekts am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München zu Ausstellungen polnischer Gegenwartskunst in der Bundesrepublik Deutschland 1956-1970 durchgeführt wurden (zum Projekt s. http://www.zikg.eu/projekte/projekte-zi/ausstellungen-polnischer-gegenwartskunst-in-der-Bundesrepublik-1956-1970, Zugriff 23.03.2017).
[9] Die folgende Zusammenstellung basiert auf unterschiedlichen Quellen, insbesondere zeitgenössischen polnischen und deutschen Zeitschriften und Zeitungen, Ausstellungskatalogen und Archivmaterial. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; von weiteren, bisher nicht ermittelten Ausstellungen ist auszugehen.