Kunst polnischer Künstler im Kunstmuseum Bochum
Um neben den darstellenden und musikalischen endlich auch der bildenden Kunst in Bochum eine „kommunale Pflegestädte“[1] der bildenden Kunst zu bieten, eröffnete die Stadt Bochum im Jahre 1960 die „Städtische Kunstgalerie“ – das heutige Kunstmuseum Bochum. Der Stadtrat hatte beschlossen, Kunst nach 1945 zu sammeln und auszustellen mit dem Ziel, wie es der Gründungsdirektor Peter Leo formuliert: „(die) freiheitlich unbegrenzten Vielfalt bildnerischer Absichten, wie sie besonders die Entwicklung der Kunst nach 1945 auszeichnet (zu demonstrieren), die Ausweitung des Erfahrungsbereiches über den heimischen und nationalen Raum hinaus für ein in dieser Hinsicht stiefmütterlich behandeltes Publikum; zumal trotz bisher ungenügender Gegenliebe der Ideal-Adressat dieser Bemühungen die ansässige werktätige Bevölkerung bleibt.“[2]
Leo verstand sich als europäischer Kunstvermittler, der in dieser Zeit des „Kalten Krieges“ von Beginn an Europa nicht am „Eisernen Vorhang“ enden ließ. Er konzipierte zwar engagierte Einzel- und Themenausstellungen mit zeitgenössischer Kunst aus den Niederlanden, Frankreich, Italien, Spanien oder England, aber „als augenfälligste Lücke in den Beständen selbst der großen westdeutschen Museen erschien (ihm) die Kunst der sozialistischen Volksrepubliken. [...] Seit 1963 hat das Museum Bochum in Polen, Jugoslawien, Rumänien und in der Tschechoslowakei eine dichte Folge von Ausstellungen zusammengestellt und deutsche Kunst auch dort erstmalig präsentiert.“[3] Innerhalb der Ausstellungsreihe „Profile“, in der „jeweils zwei nach Generation und Herkunft verschiedene Kunstkritiker gleicher Nationalität in Unabhängigkeit voneinander oder von sachfremden Rücksichten [...] eine(r) Auswahl zeitgenössischer Kunst ihres Landes...vorführen“[4], kam es 1964/65 zu ersten Präsentation zeitgenössischer Kunst aus Polen. Es wurde unter anderen Werke von Jerzy Beres, Halina Chrostowska, Tadeusz Kantor, Aleksander Kobzdej, Janina Kraupe-Świderska, Marian Kruczek, Zbigniew Makowski, Jerzy Stajuda und Jan Tarasin gezeigt und aus dieser Ausstellung erworben. Alle diese Erwerbungen stellen Mosaiksteine in einem europäischen Sammlungspanorama dar, das Leo aus weiteren herausragenden Kunstwerke von nationalen und internationalen Künstlern zusammensetzt, wie Josef Albers, Carel Appel, Hans Arp, Francis Bacon, Willi Baumeister, Christo, Constant, Crippa, Ansgar Jorn, Lucebert, Cy Twombly oder Ossip Zadkine.
Nachdem Peter Leo 1972 unerwartet verstarb, übernahm sein aus der damaligen Tschechoslowakei gebürtige Assistent Peter Spielmann die Leitung des mittlerweile „Museum Bochum“ genannten Institutes. Von der Nationalgalerie in Prag kommend, erwies er sich als profunder Kenner der mittel- und osteuropäischen Kunstszene und ermöglichte durch seine mitgebrachten Kontakte zu der damaligen Zeit ansonsten nur schwer zugängliche Einblicke. Hatte Peter Leo „Fenster“ und „enge Durchlässe“ in den „Eisernen Vorhang“ mit diplomatischem Geschick geschaffen, so öffnete sein Nachfolger dank seines Netzwerkes so mache „Türe“. Wenn auch mit einem Schwerpunkt „Tschechischer Kunst“, setzte er diese europäische Ausstellungs- und Sammlungstradition fort und erwarb speziell auch verschiedene bedeutende Werke sowohl von bereits in der Sammlung vertretener als auch weiterer Künstler wie Władysław Hasior, Henyk Stażewski oder Władysław Strzeminski. Er nahm zudem eine „wesentliche Änderung“ vor: „Die ursprüngliche Festlegung auf die Kunst nach 1945 erwies sich als willkürliche und kunsthistorisch irrelevante Abgrenzung. Um historisch logisch die Kunstentwicklung darstellen zu können, entschloss man sich, Kunst des 20. Jahrhunderts zu sammeln“ und auszustellen. Historische und zeitgenössische Kunst aus Polen waren unter anderen in Einzel- und in verschiedensten Themenausstellungen zu sehen, wie : „Stanisław Fijałkowski“ (1978), „Das Prinzip Hoffnung“ (1983), „Jósef Szajna“ (1985), „Osteuropäische Avantgarde“ (1989) oder „Tadeusz Makowski 1882 -1932“ (1990), um nur einige zu nennen.
Das Museum Bochum galt sowohl in West- als auch in Osteuropa als ein herausragendes Forum, das zwischen diesen verschiedenen Kunstszenen vermittelte. Wenn man in Bochum immer um einen ausgewogen Überblick über die nationale und internationale Kunst bemüht war, so prägte doch die teilweise persönliche Erfahrung des Nationalsozialismus diese Generation und deren Verhältnis zur speziell tschechischen und polnischen Kunst. Bisweilen kam es zur politischen Überfrachtung von Kunst. Hatte das Bochumer Institut sich als einen wichtigen Arbeitsschwerpunkt die Vermittlung zwischen Ost und West gesetzt, so relativierte sich diese Ausrichtung durch den Mauerfall. Zeitweise konnte man nahezu einen Boom von Ausstellungen mit ost- und mitteleuropäischer Kunst in Westdeutschland beobachten, der dann aber verebbte.