Polnische Plakatkunst in der Bundesrepublik der Nachkriegszeit
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4. Politisches
So einhellig die Begeisterung für die polnische Plakatkunst in der Bundesrepublik auch war – ihre Ausstellungen waren nicht immer politisch unumstritten, schon gar nicht aus Sicht der Bonner Behörden und vor dem Warschauer Vertrag von 1970. Dies hing allerdings weniger von den Ausstellungsinhalten und auch nicht so sehr von den tagespolitischen Stimmungsschwankungen im polnisch-westdeutschen Annäherungsprozess ab, sondern war vor allem abhängig von den Ausstellungsveranstaltern und deren politischer Couleur.
Ein buchstäblich rotes Tuch für die Bundesbehörden war die KPD-nahe „Deutsche Gesellschaft für Kultur- und Wirtschaftsaustausch mit Polen“. 1950 als westdeutscher Ableger der ostdeutschen Helmut-von-Gerlach-Gesellschaft in Düsseldorf gegründet,[24] entfaltete sie fortan beachtliche Aktivitäten und setzte alles daran, um durch Veranstaltungen, Ausstellungen und ihre Zeitschrift „Jenseits der Oder“ ein positives Polenbild in der Bundesrepublik zu verbreiten – sehr zum Unmut nicht nur der Vertriebenenverbände.[25] (Abb. 23)
Bis Mitte der 1950er Jahre war sie praktisch die einzige Organisation, die überhaupt Ausstellungen polnischer Kunst in der Bundesrepublik ausrichtete, wobei sie allerdings oft unterschiedlichste Kultureinrichtungen als Kooperationspartner gewinnen konnte, die beispielsweise Ausstellungsräume zur Verfügung stellten. Auch die oben erwähnte Wanderausstellung polnischer Plakate von 1950 wurde durch sie organisiert. Während sie aus polnischer Sicht so etwas wie die inoffizielle westdeutsche Freundschaftsgesellschaft für Polen war, galt sie in der Bundesrepublik als kommunistische Tarnorganisation und hielt mit ihrer Umtriebigkeit nicht nur die Vertriebenenverbände auf Trab, sondern auch den Verfassungsschutz und das Auswärtige Amt, das gegen den Verein „stärkste Bedenken“[26] hegte. Einen entsprechend schweren Stand hatten viele ihrer polnischen Plakatausstellungen in der Bundesrepublik. Mitunter wurden Vernissagen durch Landsmannschaften gestört oder Ausstellungen gleich im Vorfeld polizeilich verboten, um die Ruhe und Sicherheit nicht zu gefährden.
[24] Vgl. Fn. 5 oben. Bis 1953 trug sie ebenfalls den Namen Helmut-von-Gerlach-Gesellschaft, ehe sie sich auf juristischen Druck der Nachkommen von Gerlachs in „Deutsche Gesellschaft für Kultur- und Wirtschaftsaustausch mit Polen“ umbenannte. Zur Geschichte und Entwicklung insbesondere der westdeutschen Gesellschaft s. Christian Lotz, „Zwischen verordneter und ernsthafter Freundschaft. Die Bemühungen der Helmut-von-Gerlach-Gesellschaft um eine deutsch-polnische Annäherung in der DDR und in der Bundesrepublik (1948-1972)“, in: Hans Henning Hahn et al. (Hg.), Erinnerungskultur und Versöhnungskitsch, Marburg 2008, S. 201-217.
[25] Die Zeitschrift „Jenseits der Oder“ erschien von 1950 bis 1957; 1958 wurde sie durch die „Deutsch-polnischen Hefte“ abgelöst, die bis 1964 erschienen, gefolgt von der Zeitschrift „Begegnung mit Polen“.
[26] So die gängige Formulierung. Vgl. z. B. Politisches Archiv des Auswärtigen Amts Berlin (PAAA), B 95, Bd. 861, Ref. 705 (Ostabteilung) an Ref. 605 (Kulturabteilung), 13.9.1960.