Polnische Plakatkunst in der Bundesrepublik der Nachkriegszeit
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Wie sich dieser Aufstellung ebenfalls entnehmen lässt: Ausgestellt wurde im gesamten Bundesgebiet und überall, wo sich nur überhaupt etwas ausstellen ließ – in Galerien, Museen und Kunsthallen ebenso wie in Hotel- und Theaterfoyers, Stadtbibliotheken und Kaufhäusern.[10] Entsprechend heterogen war auch das Spektrum der Veranstalter und Organisatoren, zu denen nicht nur Kultureinrichtungen gehörten, sondern auch studentische Initiativen oder private Sammler, wie zwei Beispiele aus Darmstadt illustrieren:
Dort organisierte zunächst im Juni 1964 der örtliche AStA eine Ausstellung an der TH, worüber nicht nur die Darmstädter Studentenzeitung berichtete, sondern auch die örtliche Presse und die Frankfurter Allgemeine Zeitung.[11] Für einen Einführungsvortrag konnte der ebenso renommierte wie umtriebige Warschauer Akademieprofessor und Plakatkünstler Józef Mroszczak (1910-1975) gewonnen werden, der damals Gastprofessor an der Folkwang Schule für Gestaltung in Essen war (worauf unten noch zurückzukommen ist) und in Darmstadt durch „seine chevalereske Erscheinung und [die] Eleganz seines Vortrages“[12] das Publikum für sich einnahm.
Wenige Monate später, im Oktober 1964, schloss sich das Darmstädter Warenhaus Henschel&Ropertz am Markt (heute Modehaus Henschel) an und adelte den Umsatz mit Konfektionsware durch „Meisterwerke polnischer Plakatkunst“. Gezeigt wurden in diesem Fall Plakate aus der Privatsammlung des Journalisten Hans-Joachim Orth.[13] (Abb. 6-7)
Welche Art von Plakaten bekam das westdeutsche Publikum auf den Ausstellungen zu sehen? Den entschieden größten Anteil machten Plakate zu kulturellen Anlässen aus, also Theater-, Film-, Ausstellungs-, Konzert-, Opern- oder Zirkusplakate, so dass das polnische Kulturplakat geradezu zum Inbegriff polnischer Plakatkunst wurde. Politische Plakate bildeten in den Ausstellungen hingegen, wenig überraschend, eher die Ausnahme und beschränkten sich dann meist auf recht dezente und wenig kämpferische Entwürfe zum 1. Mai oder zum polnischen Nationalfeiertag am (damals) 22. Juli (Abb. 8). Auch touristische Werbeplakate, die es in Polen in großer Vielzahl gab (berühmt wurden z. B. die der Fluggesellschaft LOT), oder die in Polen weitverbreiteten Arbeitsschutzplakate spielten auf den westdeutschen Ausstellungen allenfalls eine marginale Rolle.
Zu den populärsten und meistausgestellten polnischen Plakatkünstlern in der Bundesrepublik der 1960er Jahre gehörten neben den Altmeistern Henryk Tomaszewski (1914-2005) und Józef Mroszczak vor allem Roman Cieślewicz (1930-1996) sowie Jan Lenica (1928-2001). Dessen Plakat zu Alban Bergs Oper „Wozzeck“ wurde zu einer Ikone polnischer Plakatkunst und fehlt bis heute in keiner Anthologie. (Abb. 9-14)
Jan Lenica ist vielleicht auch derjenige unter den polnischen Plakatkünstlern, der sich am meisten dem kollektiven bundesdeutschen Gedächtnis eingeprägt hat, wenn nicht dem Namen nach, so doch durch seine unverwechselbare, prägnante Formensprache. Bereits in den frühen 1960er Jahren entwickelte er jene psychedelisch-jugendstilistische Pop Art-Optik aus ineinanderfließenden Formen, die zu seinem Markenzeichen wurde. (Abb. 15-17)
[10] Was allerdings kein Spezifikum polnischer Plakatausstellungen war; Kunstaktionen und Ausstellungen an außermusealen Orten zu veranstalten, war in der Zeit generell beliebt.
[11] Darmstädter Studentenzeitung Nr. 71, Juli 1964, S. 18; Darmstädter Tageblatt, 12.6.1964, S. 12; Darmstädter Echo, 12.6.1964, S. 14; FAZ, 17.6.1964, S. 28. Ein Digitalisat der Darmstädter Studentenzeitung wird durch das ASTA-Archiv der TU Darmstadt online zur Verfügung gestellt: http://astarchiv.ulb.tu-darmstadt.de/405/ (Zugriff 29.03.2017).
[12] Darmstädter Echo, 12.6.1964, S. 14.
[13] Der in enger Verbindung mit der Deutschen Gesellschaft für Kultur- und Wirtschaftsaustausch mit Polen stand (vgl. Fn. 5), von der unten noch die Rede sein wird.