Galerie ŻAK | BRANICKA, Berlin
Zwanzig Minuten vor dem eigentlichen Termin rette ich mich, der sonnige Berliner Spätsommer hat sich in einen heftigen Sturm mit einer bedrohlich aufziehenden Wolkenwand verwandelt, in die Galerie. Ich brauche einige Momente um zu erkennen, dass ich in einer anderen Zeit gelandet bin. Vom Personal ist niemand zu sehen, nur im Hintergrund scheint jemand zu telefonieren. Ich trete an den massiven Tresen und blicke in ein Büro der Dreißigerjahre. Der Stil der Möbel, der Typographien und der Plakate ist unverkennbar. Wäre ich tatsächlich durch eine Zeitreise in die Nazizeit zurückversetzt worden, könnte ich hier und jetzt eine Flugreise mit der Deutschen Luft Hansa AG buchen. Auf dem Besuchertisch liegt, eingeklemmt in einen altertümlichen Zeitungsstock, ein Nachrichtenblatt von 1932. Das Titelbild zeigt einen bärtigen Flugkapitän, der eine Uniformmütze der Lufthansa trägt.
Und doch ist alles ein Fake. Sämtliche Bilder der Zeitung tragen dieselbe Unterschrift, „Pilot Robert Kuśmirowski sprawdzający maszynę przed odlotem“/„Pilot Robert Kuśmirowski kontrolliert die Maschine vor dem Abflug“. Die Zeitung ist zugleich das Frühjahrs-Newspaper der Galerie. An mehreren Stellen des Blattes erscheinen ein Interview mit dem slowenischen Architekten Miloš Kosec und ein Bericht über den von der Galerie vertretenen polnischen Künstler Ryszard Wasko als Blindtext. Der Pilot auf dem Titelbild ist in Wirklichkeit der Künstler der gesamten Installation, Robert Kuśmirowski, geboren 1973 in Łódź und ansässig in Lublin. Bekannt für die Konstruktion von imaginären Zeitkapseln mit gefakten Fotos, Fälschungen oder perfekt konstruierten Nachempfindungen von historischen Objekten, häufig aus der Nazizeit, die unsere kollektiven Erinnerungen unterlaufen und hinterfragen, hat der Künstler dieses Mal eine Fotografie jenes Lufthansa-Büros zum Ausgangspunkt seiner aktuellen Installation ausgewählt, das zwischen 1928 und 1938 im Gebäude Lindenstraße 35 residierte. „Nehmen Sie Platz“, sagt Monika Branicka, eine der beiden Chefinnen der Galerie, „diese Installation kann man auch benutzen.“
Die Kunstkritikerin und Historikerin ist 2007 aus Krakau nach Berlin gekommen und hat hier ihre erste eigene Galerie ins Leben gerufen. Durch Bekannte erfuhr sie, dass die ebenfalls aus Krakau stammende Künstlerin Asia Żak eine Galerie in Mitte gegründet hatte. Beide lernten sich kennen und beschlossen drei Monate später, ihre Galerien zusammenzulegen. Im Jahr 2008 zeigte die junge Galerie ŻAK | BRANICKA bereits neun teilweise gleichzeitige Ausstellungen und nahm an der im selben Jahr von einem Zusammenschluss Berliner Galeristen gegründeten abc art berlin contemporary teil, die seitdem jährlich Mitte September stattfindet und in deren beratendem Gremium Monika Branicka sitzt.