Polnische Plakatkunst in der Bundesrepublik der Nachkriegszeit
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Ihm ist es auch zu verdanken, dass 1964 der Warschauer Akademieprofessor Józef Mroszczak, wie erwähnt, als Gastprofessor an die Folkwang-Schule nach Essen kommen konnte, finanziert durch ein Stipendium der Firma Krupp. Mroszczak seinerseits leitete an der Warschauer Kunstakademie die Abteilung für Gebrauchsgrafik, war eine Koryphäe der polnischen Plakatkunst und generell eine vielbeschäftigte Größe des kulturellen Establishments in Polen; auch gab es kaum eine polnische Plakatausstellung in der Bundesrepublik, in die er nicht in irgendeiner Weise involviert war. Sein Förderer Carl Hundhausen wiederum war im Gegenzug 1966 als Referent zur 1. Internationalen Plakatbiennale in Warschau geladen, deren Spiritus rector Mroszczak war,[21] und er gehörte wenig später zu den Mitbegründern des Deutschen Plakat-Museums in Essen,[22] wo wiederum Mroszczaks Plakatkunst mehrfach gewürdigt wurde: u. a. auf der erwähnten Ausstellung von 1971 sowie – bereits posthum – durch eine große Retrospektive 1978.[23]
Polnische Plakate waren aber nicht nur künstlerisch wegweisend, leicht verfügbar und trafen den Nerv der Zeit. Sie hatten überdies auch noch einen moralischen Bonus – was zugleich einmal mehr zeigt, dass sich die Aufteilung der Welt in Gut und Böse im Kulturkampf des Kalten Krieges nicht immer strikt an den Eisernen Vorhang hielt: Die Wirtschaftswunderjahre in der Bundesrepublik waren nicht nur eine Zeit der Konsumbegeisterung, sondern auch der Konsumkritik, des Kulturpessimismus und der Skepsis gegenüber Kommerzialisierung, Massenkultur und Kulturindustrie. Eines der Feindbilder par excellence in diesem Zusammenhang verkörperte die US-amerikanische Filmindustrie samt ihrer Hollywood-Plakate, die zum Inbegriff der Effekthascherei, des Marktschreierischen, Vulgären und des Kitsches wurden. Da kam die polnische Plakatkunst wie gerufen, die sich umstandslos zum positiven Gegenbild stilisieren und verklären ließ: Gefeiert als frisch, unverdorben, originell, nicht dem Kommerz, sondern nur dem Künstlerischen verpflichtet, avancierte sie in dieser Lesart gewissermaßen zum Edlen Wilden der Plakatwerbezunft. Es entbehrt vor diesem Hintergrund freilich nicht einer gewissen Ironie, dass dann ausgerechnet ein amerikanischer Revolverheld in dem Plakat wiederauferstand, das zu einem der ikonischsten der jüngeren polnischen Geschichte werden sollte. (Abb. 22)
[21] Vgl. dazu Katarzyna Matul, Jak to było możliwe? O powstawaniu Międzynarodowego Biennale Plakatu w Warszawie, Kraków 2015, bes. S. 20-23. Vgl. auch den Katalog zur Biennale, I Miedzynarodowe Biennale Plakatu w Warszawie / The First International Poster Biennale in Warsaw, Warszawa 1966, Kap. III: Symposium, demzufolge Hundhausen als Referent mit einem Vortrag zur „role of the word as an element of communication in the poster“ (o. P.) vertreten war.
[22] Dessen Grundstock bestand u. a. aus einem Konvolut von Plakaten, die man vom ebenfalls kurz zuvor gegründeten Polnischen Plakatmuseum in Wilanów erworben hatte.
[23] „Józef Mroszczak: Plakate und Entwürfe“, Essen, Haus Industrieform / Deutsches Plakat-Museum, 18.8.-23.9.1978.