Adam Szymczyk und die documenta 14
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Adam Szymczyk - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
In der Neuen Galerie stammt die zentrale und sich über mehrere Räume erstreckende Installation von der in Berlin lebenden Konzept- und Installationskünstlerin Maria Eichhorn (*1962 Bamberg, Abb. 39a, b), die für Arbeiten zur Produktion, Rezeption und Wertschöpfung in der bildenden Kunst und zur Kritik der damit befassten Institutionen bekannt ist. In ihrem Fall belegt der einführende Text von Alexander Alberro eindrücklich, dass Künstlerinnen und Künstler gelegentlich selbst nicht bereit sind, über ihre aktuelle Arbeit Auskunft zu geben.[39] Die ausführlichen Werktitel, Ausstellungstexte und eine eigene Webseite helfen jedoch darüber hinweg: Unter dem Obertitel „Rose Valland Institut“ (2017) zeigt Eichhorn eine neunteilige, beeindruckend sorgfältig produzierte dokumentarische Installation zu Raubgutaktionen der Nationalsozialisten und zu unrechtmäßig an Büchern und Kunstgegenständen erlangtem Besitz zumeist aus jüdischem Eigentum. Darunter sind Versteigerungsprotokolle der Jahre 1935 bis 1942 aus dem Landesarchiv Berlin, Inventarlisten beschlagnahmter Kunst- und Einrichtungsgegenstände aus einem jüdischen Haushalt in Breslau, zur Verfügung gestellt vom Staatsarchiv und vom Nationalmuseum Wrocław, Bücher, die die Berliner Stadtbibliothek 1943 aus entzogenem jüdischem Eigentum erwarb, ein Album mit Fotografien von Beschlagnahmeaktionen in Paris aus dem Bundesarchiv in Koblenz sowie Dokumente zur Beschlagnahme des Vermögens und der Kunstsammlung von Alexander Fiorino in Kassel zwischen 1939 und 1941 aus dem Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden. Das Rose Valland Institut wurde von Eichhorn eigens für die documenta 14 gegründet[40] und veranstaltet im September 2017 einen Workshop zum Thema Raubkunst unter der Leitung der Provenienzforscherinnen Małgorzata A. Quinkenstein und Nathalie Neumann.
Zwischen anderen Schauplätzen der jüngeren Geschichte, dem Senegal, wo die in Belgien lebende Künstlerin Pélagie Gbaguidi (*1965 Dakar, Abb. 40a, b) geboren ist, und Deutschland, vermittelt die Installation „The Missing Link. Dicolonisation Education by Mrs Smiling Stone“ (2017). Sie wirbt für die Erkenntnis, dass Kolonisation und Ausbeutung, die Idee einer Unterordnung von Völkern, nur durch Schulbildung, hier durch einen Workshop mit Kasseler Schülern, überwunden werden können. Yervant Gianikian (*1942 Merano) und Angela Ricci Lucchi (*1942 Lugo di Romagna), die sich in ihren archivalisch-dokumentarischen Filmen ebenfalls mit Problemen des Kolonialismus und mit der Situation des Individuums zwischen Geschichte, Überlieferungen und Gegenwart beschäftigen, zeigen aquarellierte Zeichnungen und eine Videoinstallation von einer Reise nach Russland (Abb. 41a, b). Von der indischen Malerin Nilima Sheikh (*1945 Neu-Delhi, Abb. 42), die sich über Jahrzehnte mit feministischen Themen befasst hat, ist unter dem Titel „Terrain: Carrying Across, Leaving Behind“ (2016-17) ein aus 16 Tafeln bestehendes Temperabild zu sehen, das einen oktogonalen Raum umschließt: „Die räumliche Ausgestaltung ist an shamianas angelehnt, traditionelle südasiatische Zeltpavillons, die als Treffpunkte für Feiern, Theater- und Gedenkveranstaltungen sowie politische Versammlungen dienen. Die fragile Papierarchitektur erinnert an provisorische Unterkünfte, die Pilgern Rast bieten, während das visuelle Vokabular auf vielfältige Ausdrucksformen von Bewegung und Distanz zurückgreift: Migration, Exil, flüchtige Geografien und gemeinsame Historiografien, die Europa und Asien durchziehen“, so Natasha Ginwala, kuratorische Beraterin der documenta 14, in einem Text von herausragender Präzision.[41]
[39] Alexander Alberro: Maria Eichhorn, auf der Webseite der documenta 14: http://www.documenta14.de/de/artists/13489/maria-eichhorn, sowie im documenta 14: Daybook, München 2017, Seiten zum 26. April
[40] Webseite: http://www.rosevallandinstitut.org
[41] Natasha Ginwala: Nilima Sheikh, auf der Webseite der documenta 14: http://www.documenta14.de/de/artists/13561/nilima-sheikh, sowie im documenta 14: Daybook, München 2017, Seiten zum 3. Juli