Adam Szymczyk und die documenta 14
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Adam Szymczyk - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
Das Motto „Von Athen lernen/Learning from Athens“ blieb bis zuletzt gültig. Signet der Ausstellung wurde eine der sprichwörtlichen Eulen von Athen.[16] Was man von Athen lernen könne, konkretisiert Szymczyk erst im Vorwort zum Documenta-Reader. Man könne „Iterabilität und Andersheit“ lernen (hier wohl zu übersetzen mit Wiederholbarkeit, Differenzierung und Unterschiedlichkeit kultureller Strukturen und Erfahrungen), indem man von Athen aus tätig werde: „Die Entscheidung, die documenta 14 als ‚Theater und sein Double‘ (nach Antonin Artaud) in Athen und Kassel zu konzipieren – und somit ihr geografisches und ideologisches Zentrum aus ihrer Heimat in Deutschland zu verschieben –, folgte aus dem Gefühl, dass es notwendig sei, in Echtzeit und in der echten Welt zu agieren. Die Welt kann nicht ausschließlich von Kassel aus erklärt, kommentiert und erklärt werden – aus einer Perspektive, die allein in Nord‑ und Westeuropa verortet ist […] Die Bewegung der documenta nach Athen, durch die wir verlernen wollen, was wir wissen, statt den Bewohnern der Stadt Lektionen zu erteilen, soll einen Möglichkeitsraum eröffnen. Die alte Welt basiert auf Begriffen der Zugehörigkeit, der Identität und der Verwurzelung. Unsere stets neue Welt wird eine Welt der radikalen Subjektivitäten sein. […] Künstler_innen können uns jedoch einen Weg aufzeigen, der uns lehrt, was es heißt, zu ‚lernen, von unten zu lernen‘, wie Gayatri Chakravorty Spivak es beschreibt, oder in Souleymane Bachir Diagnes Formulierung, von anderen zu lernen, um zusammenzuleben. Indem wir von ihnen lernen, können wir uns eine symmetrische Situation der Begegnung zwischen Gleichen vorstellen statt einer asymmetrischen Machtbeziehung zwischen dem Souverän und den Subalternen. Künstler_innen – das heißt Autor_innen, Filmemacher_innen, Bildhauer_innen, Maler_innen, Schauspieler_innen und all jene, denen der Zugang zur Republik einst verwehrt blieb – können uns lehren, dass wir zuerst lernen müssen, uns selbst Fremde zu werden und somit eine ‚Ent-Schaffung‘ (im Sinne Simone Weils) zu durchleben, statt die Überproduktion fortzusetzen. Sie können uns zeigen, wie sich die Fundamente unseres positiven und passiven Verständnisses der Welt erschüttern lassen, sie können uns lehren, wie die Städte zu verlassen und dann erneut zu bewohnen sind (Kassel und Athen sind hier einschlägige Beispiele) und wie auf diese Art und Weise, wie wir arbeiten und was wir aus den Früchten unserer Arbeit machen, Wert zu legen ist.“[17]
[16] Dreisprachige Webseite der Ausstellung: http://www.documenta14.de
[17] Adam Szymczyk: 14: Iterabilität und Andersheit: Von Athen aus Lernen und agieren, in: Der documenta 14 Reader, München 2008, Seite 27, 33-34