Adam Szymczyk und die documenta 14
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Adam Szymczyk - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
In Athen beziehen sich etliche dieser Veranstaltungen auf die Orte, an denen sie stattfinden. Darunter ist eine Tanzperformance im Archäologischen Museum Piräus, für die 15 Künstler dem Athener Choreographen Kostas Tsioukas jeweils einen Bewegungsablauf geschenkt haben. Die daraus entwickelte Choreographie soll eine neue Sicht auf die im Museum gezeigte antike Kunst vermitteln: „Das Ziel ist es“, so Pierre Bal-Blanc, „Bewegungen ins Archäologische Museum zu bringen. Es geht darum, neue Perspektiven zu bieten, aber ohne ein Spektakel zu veranstalten.“[24] In Zusammenarbeit mit dem griechischen Fernsehsender ERT wird unter dem Titel „Keimena“ ein wöchentliches Filmprogramm ausgestrahlt, das bis Mitte September 2017 immer montags um Mitternacht experimentelle Dokumentar‑ und Spielfilme zeigt.[25]
Der documenta 14 ist vieles vorgeworfen worden: in Athen eine schlechte und unprofessionelle Präsentation der Objekte und Installationen, fehlende Beschriftungen und mangelnde Kommunikation der Veranstaltungen,[26] in Kassel eine „lieblose Präsentation“, in der sich jene Langeweile spiegele, „die Szymczyk von Anfang an für den Gründungsort der Documenta empfand“.[27] Nach der Eröffnung in Athen stellte die Kritik fest, dass der „Drang ins Ethnologische“ so mächtig sei wie nie zuvor, „und die alte Frage, ob es einen Unterschied zwischen Kunst und Kult gebe, scheint niemanden mehr zu interessieren“.[28] Nach dem Beginn in Kassel war in der Presse zu lesen: „Man kann sich des Eindrucks schwer erwehren, dass ein überbesetztes Kuratorenteam zweitklassige Werke aus möglichst weiter Entfernung benutzt, um ihr Desinteresse am Status quo der Kunst zu demonstrieren.“[29] Das alles ist offenbar das Resultat des theoretischen Überbaus, über dessen Wirksamkeit Szymczyk selbst sagt, dass es „beinahe unmöglich“ sei, „ein Projekt zu realisieren, das darauf abzielt, aus dem Inneren der Organisationsstruktur und der eingeschränkten Position einer staatlich geförderten Kulturinstitution heraus … eine politische Aussage zu machen.“[30]
Dennoch sei Szymczyk, wie er in einem Interview mit der Dokumentarfilmerin Natascha Pflaumbaum zu Protokoll gibt, mit der documenta 14 auf der Suche nach Kunst, die die Welt verändert und zwar außerhalb des Establishments: „Ich möchte, dass diese Ausstellung das System verändert, in dem zeitgenössische Kunst heute stattfindet, ein System der Institutionen, das verknöchert ist, in dem es eine Art Nahrungskette gibt, in der Museen, Ausstellungen, Kunstmessen, Künstler, Galeristen, Sammler, staatliche Institutionen, die ein bisschen Geld für zeitgenössische Kunst ausgeben, voneinander abhängig sind. Dieses System scheint nicht zu genügen, um der Kunst ihre Stärke zurückzugeben, mit der sie in der Gesellschaft etwas verändern kann.“[31] Für Pflaumbaum hat sich in Athen ein Teil dieser Veränderung verwirklicht: „Athen erlebt im April zur Eröffnung der documenta 14 eine überwältigende Aufmerksamkeit. Athen ist im Rausch, im Kunstrausch. Die Welt blickt nach Athen, so wie es sich Adam Szymczyk, der Leiter der documenta 14, wohl nicht hat träumen lassen. Seine Idee für Athen geht auf. Der Konzertsaal der Megaron-Musikhalle ist voller Journalisten und Kunstexperten. Und auf der Bühne: alle Künstlerinnen und Künstler der documenta 14. Was für ein Statement!“[32]
[24] Metropolenreport Athen und die documenta 14 (siehe Anm. 22), Minute 10’40-12’10.
[25] Das Programm der bisher gelaufenen Filme mit kurzen Video-Ausschnitten sowie eine Vorschau sind auf der Webseite der documenta 14 zu finden: http://www.documenta14.de/de/public-tv/
[26] Hili Perlson: At documenta 14, Everything’s a Strategy – Even bad Hanging, im Internet auf artnet news, https://news.artnet.com/exhibitions/documenta-14-review-bad-hanging-strategy-919811
[27] Hanno Rauterberg: Im Tempel der Selbstgerechtigkeit. Warum die Documenta in Kassel krachend scheitert. Und Münster die bessere Kunst zeigt, Die Zeit, Nr. 25, 13.6.2017, online: http://www.zeit.de/2017/25/documenta-kassel-kunst-kapitalismuskritik
[28] Hanno Rauterberg: Alles so schön zwittrig hier, Die Zeit, Nr. 15, 5.4.2017, online: http://www.zeit.de/2017/15/documenta-athen-kassel-eu-politik/komplettansicht
[29] Kolja Reichert: Documenta in Kassel. Ein tiefsitzendes Unbehagen an der Kunst, Frankfurter Allgemeine, 9.6.2017, online: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/superkunstjahr-2017/unbehagen-an-der-kunst-documenta-in-kassel-15052732-p2.html
[30] Adam Szymczyk: 14: Iterabilität und Andersheit: Von Athen aus Lernen und agieren, in: Der documenta 14 Reader, München 2008, Seite 21 f.
[31] Documenta 14: Weltkunst – Eine Reise, arte tv, Dokumentarfilm von Natascha Pflaumbaum, gesendet am 14.6.2017, Minute 21’56, online bis 12. September 2017: http://www.arte.tv/de/videos/064491-000-A/documenta-14-weltkunst-eine-reise
[32] Ebenda, Minute 47‘30