Adam Szymczyk und die documenta 14
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Adam Szymczyk - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
Innerhalb der Documenta-Halle dominieren außereuropäische Künstlerinnen und Künstler. Im Vorraum und doch peripher, wo man sonst den Andenkenshop oder die Garderobe vermuten würde, präsentieren Künstler aus Mali, Igo Diarra (*1968 Bamako, Abb. 30a, b) und La Medina, in Vitrinen, an der Wand und in verschachtelten Räumen Plattencover, Dokumente, Pokale, Kleidung, Musikinstrumente, Fotografien und andere Devotionalien zu den letzten Konzerten des Berühmtesten aller afrikanischen Jazzmusiker, Ali Farka Touré (1939-2006). Ausschließlich in der Ausstellung erfährt man, dass dessen Musik „voller wichtiger Botschaften für Afrika“ gewesen sei; welche das waren, bleibt unbekannt. Im Rahmenprogramm findet ein Revival-Konzert mit Musikern der Band in den Kasseler Henschel-Hallen statt. Ebenfalls im Eingangsbereich sind zuletzt entstandene Masken des kürzlich verstorbenen kanadischen Indianer-Chiefs Beau Dick (1955-2017, Abb. 31) zu sehen, die nicht nur zeitgenössisch-künstlerischen, sondern auch zeremoniellen Charakter haben. Der Bildhauer aus dem Stamm der Kwakwaka'wakw in British Columbia wurde seit 2013 durch Aktionen gegen Kolonialismus und Kapitalismus bekannt.
In der Haupthalle konkurrieren großformatige Werke und Installationen: eine etwas lieblos wirkende Zusammenstellung aus Klang und acht Gemälden des senegalesischen Malers, Kurators und Aktivisten El Hadji Sy (*1954 Dakar, Abb. 32a, b); die aus Fragmenten von Flüchtlingsbooten gestalteten Klanginstrumente des mexikanischen Komponisten, Klang- und Performance-Künstlers Guillermo Galindo (*1960 Mexiko-Stadt, Abb. 33a-c); das deckenhohe „Quipu“ (2017) der chilenischen Dichterin, Malerin und Objektkünstlerin Cecilia Vicuña (*1948 Santiago de Chile, Abb. 34) – eine purpurrot gefärbte, aus ungesponnener Wolle bestehende weiche Plastik, die an die gleichnamigen alt-peruanischen Vorrichtungen aus Schnüren, Knoten und farbigen Fäden zur Aufzeichnung von Ereignissen erinnert; eine hängende Installation aus indigogefärbten Fasertextilien des aus Mali stammenden und in Paris aufgewachsenen Künstlers Aboubakar Fofana (*1967 Bamako, Abb. 35), der mit seinen Arbeiten verlorene afrikanische Traditionen und Techniken wiederbeleben und einen Einklang mit der Natur herstellen will: „Die natürliche Welt in Kombination mit unseren menschlichen Fähigkeiten ist für ihn unser aller Anfangs- und Endpunkt zugleich.“[37] (Johanna Macnaughtan)
Demgegenüber wirken Werke auf den Fluren und in den Seitenkabinetten der Documenta-Halle künstlerisch wie aus der Zeit gefallen: die unscharfen Malversuche der Schweizer Grafikerin und Aktionskünstlerin Miriam Cahn (*1949 Basel, Abb. 36), welche globale Katastrophen und persönliche Tragödien in intuitiven Traumbildern verarbeitet; die an die amerikanische Farbfeldmalerei erinnernden, blockartig gegliederten Tafeln von Stanley Whitney (*1946 Philadelphia, Abb. 37); schließlich die aus einfachen Materialien wie Schreibtischplatten und Klebeband gestaltete Installation von Marie Cool (*1961 Valenciennes) und Fabio Balducci (*1964 Ostra, Abb. 38) aus den Jahren 2003 bis 2011, die an die Arte Povera der 1970er-Jahre anschließt und erst durch die Performance zu einem Werk der aktuellen Kunst wird: „Durch die Auseinandersetzung mit Prozessen der Wahrnehmung stellt das Duo normative Verhaltensweisen, Haltungen und Werte – insbesondere das Konzept der Zeitlichkeit – infrage“,[38] so Pierre Bal-Blanc.
[37] Johanna Macnaughtan: Aboubakar Fofana, auf der Webseite der documenta 14: http://www.documenta14.de/de/artists/13516/aboubakar-fofana, sowie im documenta 14: Daybook, München 2017, Seiten zum 22. Mai
[38] Pierre Bal-Blanc: Marie Cool Fabio Balducci, auf der Webseite der documenta 14: http://www.documenta14.de/de/artists/13710/marie-cool-fabio-balducci, sowie im documenta 14: Daybook, München 2017, Seiten zum 3. September