„Der Sturm“ und seine polnischen Künstler 1910–1930
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Geboren und aufgewachsen in Warschau als Sohn eines Eisenbahnbeamten, studierte Feliks Krassowski (1895-1967) von 1911 bis 1914 an der Warschauer Zeichenschule/Klasa Rysunkowa w Warszawie. Ab 1914 arbeitete er in der Bühnenwerkstatt des im Jahr zuvor eröffneten Polnischen Nationaltheaters/Teatr Polski w Warszawie als Assistent des Malers und Bühnenbildners Wincenty Drabik (1881-1933). Als dieser 1915 nach Kiew ging, nahm er sein Kunststudium wieder auf und belegte Kurse bei dem expressionistischen Maler Konrad Krzyżanowski (1872-1922) an der Schule der Schönen Künste/Szkoła Sztuk Pięknych w Warszawie. Er nahm an Ausstellungen teil, debütierte aber 1917 auch als Bühnenbildner an dem von der Schauspielerin und Theaterregisseurin Stanisława Wysocka (1877-1941) geleiteten experimentellen Studio-Theater/Teatr Studya. In der Spielzeit 1919/20 arbeitete er am Theater in Inowrocław, 1921 bis 1924 am Nationaltheater Toruń/Teatr Narodowy w Toruniu sowie von 1924 bis 1926 in Krakau am Juliusz-Słowacki-Theater/Teatr im. Juliusza Słowackiego w Krakowie. In Krakau lernte er den futuristischen Schriftsteller und Herausgeber der avantgardistischen Literaturzeitschrift Zwrotnica, Tadeusz Peiper (1891-1969), kennen, der Kontakt zum Kreis der polnischen Konstruktivisten um Szczuka und Strzemiński ebenso wie zu Kulturschaffenden in Frankreich, Italien, den Niederlanden und Deutschland pflegte. Im Verlag von Zwrotnica veröffentlichte Krassowski 1926 eine Broschüre zu einem neuen Konzept des kontinuierlichen Bühnenaufbaus, der „Wachsenden Szene/Scena narastająca“, bei der das bewusst sparsam gestaltete Bühnenbild im Laufe eines Theaterstücks um immer neue Elemente anwachsen sollte (Abb. 37).[117] Im selben Jahr stellte er seine Bühnenentwürfe in der 1925 gegründeten Krakauer Künstlergruppe Jednoróg/Das Einhorn (Cech Artystów Plastyków „Jednoróg”) aus.
Wie Walden auf Krassowski aufmerksam wurde, ist nicht bekannt. Vermutlich besaß er dessen Broschüre „Scena narastająca“, denn bereits im Juni 1926 veröffentlichte er zwei Abbildungen daraus[118] im Sonderheft „Theater“ der Sturm-Zeitschrift (Abb. 38, 39). In den folgenden Jahren wurde Krassowski vor allem für seine expressionistisch-kubistischen Bühnenbilder bekannt (Abb. 40). Seine Dekoration für das 1927 am Neuen Theater in Poznań/Teatr Nowy w Poznaniu aufgeführte Drama „Der Maskenschnitzer/Le sculpteur de masques“ (1908) von Fernand Crommelynck gilt als konsequentestes Beispiel für die Technik der „wachsenden Szene“ (Abb. 41).[119] Zwischen 1928 und 1939 war er als Bühnenbildner an Theatern in Bydgoszcz, Toruń, Częstochowa und Sosnowiec tätig. Während des Zweiten Weltkriegs blieb er in Warschau und arbeitete in einer Fabrik. 1945/46 war er Beauftragter des Bezirks Masuren für Kultur und Kunst in Olsztyn, arbeitete dann als Bühnenbildner an Theatern in Bielsko und Cieszyn und war schließlich von 1949 bis zu seinem Eintritt ins Rentenalter 1966 am Teatr Wybrzeże in Danzig tätig. Krassowski wird in der polnischen Theatergeschichte, so Głuchowska, zusammen mit dem Maler und Bühnenbildner Andrzej Pronaszko (1888-1961) und dem Bühnenbildner und Theaterregisseur Iwo Gall (1890-1959) zum Dreigestirn der modernen polnischen Bühnendekoration gezählt.[120]
[117] Feliks Krassowski: Scena narastająca. Zasady i projekty, Krakau: Zwrotnica, 1926
[118] Dort auf Seite 24 und 25; abgebildet auf Antykwariat Warszawa, https://antykwariatwaw.pl/blog/ksiazka-krzepi-antykwariat-warszawa/scena-narastajaca-krassowski-feliks-staraniem-tadeusza-peipera-nakladem-zwrotnicy-1926
[119] Głuchowska 2012 (siehe Literatur), Seite 474
[120] Zur Biographie und Einschätzung von Krassowski vgl. Głuchowska 2012 (siehe Literatur), Seite 473 f. sowie Encyklopedia teatru polskiego, http://www.encyklopediateatru.pl/osoby/15995/feliks-krassowski