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„Der Sturm“ und seine polnischen Künstler 1910–1930

Titelseite von „Der Sturm“, 13. Jahrgang, 2. Heft, Berlin 1922, mit einer Zeichnung von Louis Marcoussis (Ludwik Kazimierz Władysław Markus, 1878-1941)

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Titelseite von „Der Sturm“, 13. Jahrgang, 2. Heft, Berlin 1922, mit einer Zeichnung von Louis Marcoussis (Ludwik Kazimierz Władysław Markus, 1878-1941)
Titelseite von „Der Sturm“, 13. Jahrgang, 2. Heft, Berlin 1922, mit einer Zeichnung von Louis Marcoussis (Ludwik Kazimierz Władysław Markus, 1878-1941)

Walden konnte in den Zwanzigerjahren mit den Ausstellungen des Sturm in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr die bahnbrechenden Erfolge erzielen wie im Jahrzehnt zuvor. Seine Arbeitskraft blieb jedoch ungebrochen. Sein zunehmendes Engagement für den Kommunismus führte zu zahlreichen Versuchen, den Sturm breiteren Schichten zugänglich zu machen. Dazu gehörten ein Verleih von originalen Kunstwerken und ein Lesesaal, den er 1920 in den Ausstellungsräumen eröffnete und in dem noch 1926 siebzig internationale Kunst-, Literatur- und Musikzeitschriften unter anderem aus Ägypten, Argentinien, Italien, den Niederlanden, Polen, Sowjet-Russland und den USA auslagen. Im selben Jahr rief er ein Sturm-Kabarett ins Leben, das „jeden Mittwoch 8 ½ Uhr“ stattfand und anschließend Tanz mit einer Jazzband versprach.[103] Ebenfalls seit 1920 existierte die Gesellschaft der Sturmfreunde, die ihren Mitgliedern für einen Jahresbeitrag von 15 Mark anbot, „die expressionistische Kunst unserer Zeit als Gesamterscheinung kennen zu lernen“. Eine Mitgliederzeitung unterrichtete über „alle Neuerscheinungen der expressionistischen Malerei, Plastik, Dichtung und Musik“. Für die Mitglieder wurden „Sturmabende (Rezitation und Musik) sowie Aufführungen der Sturmbühne veranstaltet“,[104] außerdem die jährlichen Sturm-Bälle, die in verschiedenen Sälen Berlins stattfanden, von Sturm-Künstlern gestaltet wurden und zu denen Ballzeitungen erschienen. 1929 fand in den Clubräumen des Sturm täglich um 21 Uhr ein politisches Kaspertheater statt.[105]

Schon seit September 1916 veranstaltete Walden Sturm-Kunstabende, die eine Fortsetzung der Autorenlesungen des Vereins für Kunst darstellten und damit schon im dreizehnten Jahr stattfanden. Allerdings hatte sich der Autorenkreis verändert: Vorgetragen wurden jetzt ausschließlich Werke heute kaum noch bekannter expressionistischer Dichter und Schriftsteller, sogenannter Sturm-Künstler, wie August Stramm, Franz Richard Behrens, Dezső Kosztolányi, Wilhelm Runge oder Sophie van Leer, vorgetragen von dem Schauspieler und Essayisten Rudolf Blümner (1873-1945). Ab April 1918 wurde die Reihe durch Sturm-Abende mit denselben Lesungen, aber ergänzt durch Musikwerke von Walden abgelöst. Sie fanden „jeden Mittwoch 7 ¾ Uhr in der Kunstausstellung“ statt, am 24. Mai 1922 zum zweihundertsten Mal, wiederum mit Rezitation von Blümner und Musik von Walden.[106]

Im Oktober 1924 änderte sich diese Reihe erneut: Für den 240. Sturm-Abend stand ein Chorkonzert der Gesangsgemeinschaft Rosebery d’Arguto mit zweihundertfünfzig Mitwirkenden im Konzertsaal der Staatlichen Hochschule für Musik in der Fasanenstraße in Charlottenburg auf dem Programm (Abb. 32, 33). Zwei Monate später veröffentlichte der Schriftsteller und Verlagslektor Adolf Knoblauch (1882-1951), der schon seit 1911 regelmäßig in der Sturm-Zeitschrift publizierte,[107] dort eine Rezension über das Konzert und schrieb: „Sturmabend! Proletarischer Kinderchor! Einführung der Gesangsgemeinschaft Rosebery d’Arguto! Konzertsaal der Hochschule für Musik! Neunzehnteiliges Sanges-Programm! Selig, die diesen Abend erleben! Trauer denen, die nicht gekommen waren! Eine kleine Verstimmung, dass der Saal nur zur Hälfte gefüllt war, nicht des übervollen Saales hingerissene Beifallstürme den Kindern und Mädchen auf dem Podium danken konnten!“ (PDF 28)

[103] Annoncen für den Lesesaal und das Sturm-Kabarett in: Der Sturm, Band 17, 6. Heft, 1926, nach Seite 96, online: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/sturm1926_1927/0123

[104] Anzeige „Gesellschaft der Sturmfreunde“, in: Der Sturm, 15. Jahrgang, Januar 1924, online: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/sturm1924/0268

[105] Brühl 1983 (siehe Literatur), Seite 71

[106] Anzeige Sturm-Abend, in: Der Sturm, 13. Jahrgang, 5. Heft, 1922, 2. Umschlagseite nach Seite 80, online: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/sturm1922/0106

[107] Brühl 1983 (siehe Literatur), Seite 302