Menu toggle
Navigation

Ateliers polnischer Maler in München um 1890

Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013

Mediathek Sorted

Mediathek
Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013
Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013

Lenbach, ebenfalls Schüler von Piloty, hatte bereits in seinem vorherigen Malstudio, das er zwischen 1871 und 1886 im Ateliergebäude des Bildhauers Anton Hess (1838-1909) in der Luisenstraße 17 in der Maxvorstadt betrieben hatte,[17] eine repräsentative Folge von drei Räumen eingerichtet: Während der erste Raum als Entree diente, enthielt der zweite eine museale Sammlung mit Kopien niederländischer und italienischer Gemälde auf Wänden, die mit rotem Damast bespannt waren. Außerdem waren Bronzebüsten, geschnitzte Schränke, Majoliken, Bären- und Tigerfelle und Antiquitäten „aller Genres und Zeitalter“ ausgestellt, die der Künstler auf seinen Reisen durch ganz Europa zusammengetragen hatte. Erst danach gelangte man in den dritten, schlicht gehaltenen eigentlichen Arbeitsraum.[18] Während seines anschließenden Aufenthalts in Rom fasste Lenbach den Plan, seine künftige Münchner Villa als „Palast zu bauen, der das Dagewesene in den Schatten stellen wird“. Seine historischen Sammlungen sollten auf höchstem Niveau den Rahmen für die eigenen Werke bilden und diese nahtlos in die historische Entwicklung der Kunst einbinden: „Die machtvollen Zentren der europäischen Kunst sollen dort mit der Gegenwart verbunden sein.“[19]

Ähnlich öffentlichkeitswirksam inszenierte der Historien- und Porträtmaler Friedrich August von Kaulbach (1850-1920) seinen Atelierbetrieb. Seit 1872 besaß er Wohnung und Atelier in einem Mietshaus in der Schwanthalerstraße 36 in der Ludwigsvorstadt, dessen Räume er offenbar schon zu dieser Zeit herrschaftlich einrichten ließ und das er 1876 erwarb. Wie Lenbach ließ er sich 1887-89 von dem Architekten Gabriel von Seidl (1848-1913) eine Villa im Stil der italienischen Renaissance errichten. Während bei Lenbach Atelier und Sammlung in einem Anbau eingerichtet waren, befanden sich Kaulbachs Atelierräume im Wohnhaus, wo sie sich über eine Höhe von zwei Stockwerken und eine Fläche von 132 Quadratmetern erstreckten. Die Einrichtung des Malstudios mit Gobelins, Orientläufern, schweren Stoffen und Draperien, einer kassettierten Holzdecke, geschnitzten Türportalen, Renaissancemöbeln und antiken Skulpturen galt Anfang der 1890er-Jahre als das eleganteste und am prächtigsten gestaltete Künstleratelier in ganz München.[20] Seine eigenen Gemälde hatte Kaulbach auf Staffeleien und auf dem Parkettboden stehend an den Wänden entlang ausgestellt. Makart in Wien sowie Lenbach und Kaulbach in München, aber auch Frederic Leighton in England, der polnische Historienmaler Jan Matejko in Krakau, der Ungar Mihály Munkáczy in Paris und eine Generation später Franz von Stuck wiederum in München galten nicht nur aufgrund ihrer prachtvollen Malerresidenzen, sondern auch durch enge Kontakte zu herrschenden und fürstlichen Häusern und durch öffentliche Huldigungen als „Malerfürsten“ – ein inoffizieller und nicht näher definierter Titel, der in der älteren Kunstgeschichte eigentlich Peter Paul Rubens zukam und der im späten 19. Jahrhundert auch auf andere Künstler angewendet wurde.[21]

Schon aus den 1870er-Jahren datieren gezeichnete Ansichten und literarische Beschreibungen, die über das Atelier des polnischen Schlachten-, Pferde- und Genremalers Józef Brandt (1841-1915) berichten, der sich in München aufgrund seiner Herkunft aus einer polnischen Adelsfamilie Josef von Brandt nannte.[22] Brandt, aufgewachsen in Warschau, kam 1863 über Paris zum Studium nach München, war ein Jahr jünger als Makart, studierte wie Lenbach und Makart an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste bei Carl Theodor von Piloty, vor allem aber im Privatatelier des Pferdemalers Franz Adam (1815-1886) und in den Aquarellkursen von Theodor Horschelt (1829-1871). 1867 mietete er einen von drei miteinander verbundenen Atelierräumen bei Franz Adam in der Schillerstraße 23 in der Ludwigsvorstadt. Im ersten Raum unterrichtete Adam seine Schüler, darunter den polnischen Maler Aleksander Gierymski (1850-1901), im zweiten arbeiteten dessen Bruder, Maksymilian Gierymski (1646-1874), und der polnische Maler Juliusz Kossak (1824-1899), der 1868/69 vorübergehend in München war, und im dritten war Brandt tätig.[23] 1869 schloss Brandt, der schon im ersten Münchner Studienjahr dort und in Krakau überaus erfolgreich seine Werke in der Öffentlichkeit vorgestellt hatte, sein Studium ab und machte sich als freischaffender Künstler selbstständig.[24] 1870 zog er in eine Wohnung in der benachbarten Landwehrstraße, wo ihm ein Zimmer als Atelier diente,[25] 1871 eine Straße weiter, in die Schillerstraße.[26] 1874 mietete Brandt unweit von Kaulbach in einem Mietshaus in der Schwanthalerstraße 19 im zweiten Stock eine Fünfzimmerwohnung, die er für seine Zwecke umbaute und in der er bis zu seinem Tod sein Atelier unterhielt.[27] Vermutlich schon in diesem Jahr besuchte Prinz Luitpold von Bayern (1821-1912), der für seine freundschaftlichen Kontakte zur Münchner Künstlerschaft und für seine ebenso regelmäßigen wie unangekündigten Besuche auch bei jungen Künstlern bekannt war,[28] Brandts Atelier. Denn im Herbst 1874 war Brandt bei Luitpold zum Essen eingeladen, wobei er auch andere Mitglieder der königlichen Familie kennen lernte.[29]

 

[17] Adreßbuch von München für das Jahr 1878, III. Teil, Seite 82 (siehe Online-Ressourcen)

[18] Felix Gahl: Bei Franz von Lenbach, in: Der Sammler, Nr. 58, 1882, Seite 3-5; Zitat bei Langer 1992, Seite 99

[19] Zitiert nach: Franz von Lenbach 1836-1904, Ausstellungs-Katalog Städtische Galerie im Lenbachhaus, München 1987, Seite 12

[20] Langer 1992, Seite 102-104; Birgit Joos: München – die Stadt der Malerfürsten, in: Malerfürsten 2018 (siehe Literatur), Seite 47; Doris H. Lehmann: Im Palast der Kunst. Bühne und Schauraum eines öffentlichen Lebens, in: Malerfürsten 2018, Seite 124 f. Aufnahmen eines unbekannten Fotografen aus Kaulbachs Atelier erschienen 1900 in der Zeitschrift Die Kunst für Alle, 15. Jahrgang, 1899-1900, München 1900, Seite 3 (Digitalisat: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kfa1899_1900/0014/image); weitere historische Fotografien aus Kaulbachs Atelier im Ausstellungs-Katalog Malerfürsten 2018, Seite 146

[21] Birgit Jooss 2005 (siehe Literatur); Doris H. Lehmann: „Malerfürsten“. Facetten einer modernen Erfolgsgeschichte, in: Malerfürsten 2018, Seite 9-13. Eine explizite Verwendung des Begriffs durch Friedrich Pecht in einem Artikel über den Lehrer von Makart und Lenbach, Carl von Piloty: Ein Malerfürst der Gegenwart, in: Die Gartenlaube, Nr. 40, 1880, Seite 648-651 (Digitalisat: https://archive.org/details/bub_gb_JVxRAAAAYAAJ/page/n657)

[22] Biografie zu Józef Brandt auf diesem Portal in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/brandt-jozef. Ausführlicher zu Brandts Ateliers in der Online-Ausstellung „Józef Brandt – Ein polnischer Malerfürst in München“ auf diesem Portal, https://www.porta-polonica.de/de/Atlas-der-Erinnerungsorte/jozef-brandt

[23] Eliza Ptaszyńska 2008 (siehe Literatur), Seite XI; Halina Stepień: Franz Adam und sein Schülerkreis in Polen, in: Albrecht Adam und seine Familie, Ausstellungs-Katalog Münchner Stadtmuseum 1981/82, Seite 37 f.

[24] Anonym: Kunstkritik. Die Schlacht bei Wien 1683. Oelgemälde von Joseph Brandt in München, in: Die Dioskuren, 18. Jahrgang, Nr. 10, 9. März 1873, Seite 78

[25] Ptaszyńska 2008, Seite XI

[26] Adressbuch von München für das Jahr 1871, Seite 129

[27] Adressbuch von München für das Jahr 1875, Seite 126; Langer 1992, Seite 171

[28] Jooss 2012 (siehe Literatur), Seite 152, 167

[29] Ptaszyńska 2008, Seite XIII