Ateliers polnischer Maler in München um 1890
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In der Neuen Pinakothek waren um 1891 Gemälde von Brandt, Wierusz-Kowalski und Aleksander Gierymski zu sehen, deren Hängung in der ständigen Schausammlung die Mitglieder der polnischen Künstlerkolonie mit Stolz erfüllte, zumal Brandt seine Gemälde mit dem Zusatz „z Warszawy“ (dt. aus Warschau) signiert und mit der polnischsprachigen Ortsbezeichnung „Monachium“ anstelle von „München“ bezeichnet hatte.[128] In der Kunstsammlung des Prinzregenten Luitpold befanden sich bei dessen Ableben im Jahre 1912 Gemälde von Brandt, Wierusz-Kowalski, Czachórski, Chełmiński, Stanisław Grocholski (1860-1932)[129] und Wywiórski.[130] Zu dem Zeitpunkt, als Teufel den Großteil seiner Atelieraufnahmen anfertigte, also 1889/90, hatten natürlich zahlreiche polnische Künstler München schon seit langem oder gerade erst verlassen wie beispielsweise Apoloniusz Kędzierski (1861-1939)[131], der 1889 nach vierjährigem Studium zurück nach Warschau gegangen war, oder Ludwik de Laveaux (1868-1894)[132], der 1890 nach Paris wechselte. Andere studierten in den ersten Semestern an der Kunstakademie wie Władysław Pochwalski (1860-1924)[133] oder Józef Puacz (1863-1927)[134] oder kamen sehr viel später.
Nach der Auswahl der von Teufel berücksichtigten polnischen Künstler zu urteilen, hatte dieser seine Namensliste aus dem Kreis von Brandt und Wierusz-Kowalski erhalten. Diese Liste hätte jedoch, berücksichtigt man nur die in München wirklich etablierten polnischen Künstlerinnen und Künstler, sehr viel länger ausfallen können: Szerner, Maler von gekonnten Pferdeszenen, der seit 1865 in München studiert und lange Zeit in Brandts Atelier als Assistent gearbeitet hatte, blieb bis zu seinem Lebensende 1915 in München. Sein Atelier lag über dem von Brandt in der Schwanthalerstraße 19 im dritten Stock, er selbst wohnte in der Goethestraße 29[135] unweit von Wierusz-Kowalski. Olga Boznańska, eine hoch talentierte und versierte Figuren- und Porträtmalerin, die seit 1886 in München bei Privatlehrern studierte und ab 1888 an den Ausstellungen im Glaspalast teilnahm, eröffnete im Folgejahr ihr eigenes Atelier, das sie bis zu ihrem Weggang nach Paris 1898 erfolgreich führte.[136] Aleksander Gierymski, der 1868-72 in München studiert hatte, war von 1888 bis 1890 wieder in der Stadt und malte unter anderem seine berühmten Münchner Stadtansichten bei Nacht. 1890 erwarb die Neue Pinakothek sein Gemälde vom „Wittelsbacher Platz“, das zuvor in der Jahresausstellung im Glaspalast mit einer Medaille ausgezeichnet worden war.[137] Sein Atelier lag in der Amalienstraße 49 in der Maxvorstadt, privat wohnte er in der Adalbertstraße 27.[138] 1890 kam die an der Kunstakademie in St. Petersburg ausgebildete Figuren- und Interieurmalerin Otolia Kraszewska (1859-1945)[139] nach München, wohnte in der Sophienstraße 5 in der Maxvorstadt, nahm ab 1892 an den Ausstellungen im Glaspalast teil und blieb bis zu ihrem Lebensende in der bayerischen Hauptstadt.
In München etabliert war zu dieser Zeit auch der Landschaftsmaler Roman Kochanowski (1856-1945)[140], der nach seinem Studium in Krakau und Wien 1881 nach München gekommen war und hier bis zu seinem Lebensende künstlerisch arbeitete. Von ihm erwarb der Münchner Kunstverein 1890 und in den folgenden Jahren insgesamt zehn Gemälde, die unter den Mitgliedern als Jahresgabe verlost wurden. Ansässig war er in Landwehrstraße 29.[141] Szymanowski und Grocholski hatten ab 1880 bzw. 1881 in München studiert und eröffneten gemeinsam zwischen 1891 und 1893 in einem Haus in München-Pasing eine private Malschule, in der bis 1901 zahlreiche polnische Künstler studierten. Kurella, der die Münchner Kunstakademie von 1861 bis 1867 besucht hatte, war mit Brandt, den Brüdern Gierymski, Józef Chełmoński (1849-1914)[142] und Czachórski befreundet und eines der aktivsten Mitglieder der polnischen Künstlerkolonie. Er malte Genrethemen aus dem dörflichen und kleinstädtischen Leben in Polen sowie religiöse Szenen, war in der Schwanthalerstraße 36 ansässig[143] und bis 1897 in München künstlerisch tätig. Wywiórski hatte von 1883 bis 1887 an der Akademie studiert, aber auch Privatunterricht in den Ateliers von Brandt und Wierusz-Kowalski genommen und orientierte sich anfangs an deren Motiven. Er bereiste ganz Europa und fuhr 1900 mit Wojciech Kossak nach Ägypten um ein Panorama über die „Schlacht bei den Pyramiden“ vorzubereiten. In München war er in der Theresienstraße 148 ansässig.[144] 1894 ging er nach Berlin um in Kossaks Atelier zu arbeiten, wohin ihm Pułaski ein Jahr später folgte.
[128] Ptaszyńska 2008, Seite XII
[129] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/grocholski-stanislaw
[130] Ptaszyńska 2008, Seite XIII
[131] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/kedzierski-apoloniusz
[132] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/laveaux-ludwik-de
[133] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/pochwalski-wladyslaw
[134] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/puacz-jozef
[135] Adressbuch von München 1890, I. Teil, Seite 361
[136] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/boznanska-olga; Online-Ausstellung „Olga Boznańska“ auf diesem Portal, https://www.porta-polonica.de/de/atlas-der-erinnerungsorte/olga-boznanska
[137] Vergleiche die Online-Ausstellung „Aleksander Gierymski“ auf diesem Portal, Abbildung 11, https://www.porta-polonica.de/de/atlas-der-erinnerungsorte/aleksander-gierymski
[138] Adressbuch von München 1890, I. Teil, Seite 102. Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/gierymski-aleksander
[139] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/kraszewska-otolia
[140] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/kochanowski-roman
[141] Adressbuch von München 1890, I. Teil, Seite 179
[142] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/chelmonski-jozef
[143] Adressbuch von München 1890, I. Teil, Seite 193
[144] Adressbuch von München 1893, I. Teil, Seite 131 (Gorstkin Wywiorski)