Ateliers polnischer Maler in München um 1890
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Diese Negative gelangten nach dem Ableben von Teufel über verschiedene Stationen an den Benno-Filser-Verlag in Augsburg, der sie 1935 im Rahmen seines Verlagsarchivs aus 22.500 Negativen an das Bildarchiv Foto Marburg übergab, wo sie sich noch heute befinden.[6] Auch unter diesen Negativen sind gleiche, variierende oder ganz neue Aufnahmen aus Ateliers polnischer Künstler, nämlich wiederum von Brandt (Abb. 1), Buchbinder (Abb. 3), Czachórski (Abb. 5) und Ejsmond (Abb. 7, 8), dann von Zdzisław Jasiński (Abb. 10), Kozakiewicz (Abb. 11), Kazimierz Pułaski (Abb. 13), Rosen (Abb. 14), Streitt (Abb. 16), Suchodolski (Abb. 18) und Wierusz-Kowalski (Abb. 20, 21). Nicht immer wurden die polnischen Künstler vom Archiv oder in der Literatur korrekt identifiziert, was unter anderem an den deutschen Namensvarianten liegt, die in München gebräuchlich und mit denen die Fotos und Negative beschriftet waren, und was beispielsweise bei Franciszek Streitt[7] und Kazimierz Pułaski[8] zu beobachten ist.
Die Fotografien von Teufel bilden das umfangreichste und am besten erforschte Dokument über diese besondere Form des Künstlerateliers während der Zeit des Historismus.[9] Schon Zeitgenossen wie Beck erkannten, dass die Ateliers nicht etwa alle ähnlich im Geschmack der Zeit eingerichtet waren, sondern in ihrer Ausstattung je nach der persönlichen Anschauung der Malerinnen und Maler über ihre künstlerische Arbeit differierten. Sie unterschieden sich vor allem nach dem malerischen Fach ihrer Betreiber, also ob sie Landschafts-, Porträt-, Genre-, Historien-, Militär-, Jagd- oder Pferdemaler waren oder sich mit religiösen, symbolistischen oder orientalischen Themen beschäftigten. Außerdem hatten natürlich auch der künstlerische Erfolg und damit die wirtschaftliche Situation der Künstler eine Auswirkung auf die Größe der Räume und die Üppigkeit und Qualität der Ausstattungen.
Beck, der offenbar Künstler ausgewählt hatte, die er persönlich oder deren Werke er von Ausstellungen her kannte, schrieb: „Ich möchte die Ausstattung des Ateliers die sichtbare Charakterisierung des künstlerischen Individuums nennen.“[10] Im Atelier des berühmten Münchner Porträtmalers Franz von Lenbach (1836-1904), der sich zwischen 1886 und 1889 eine herrschaftliche Villa hatte errichten lassen, sah Beck „weiche kostbare Teppiche auf dem Boden; noch kostbarere, riesige Gobelins an den Wänden. In einer Ecke ein stufenförmiger Aufbau mit nicht gerade vielen, aber wertvollen Kunstschätzen besetzt – sonst nichts von jenen Kleinigkeiten, die einem Gemache ein anmutiges Lächeln verleihen – alles atmet hier klassische Ruhe.“[11] Bei dem Militärmaler Louis Braun (1836-1916) entdeckte er eine Sammlung von Waffen: „die Requisiten des Soldaten verstreut oder aufgestapelt, im bunten Durcheinander, wie es das Schlachtfeld selbst bietet“, sowie ein vermutlich aus Gips und Holz gebautes Festungsmodell als Studienobjekt.[12] Bei Edmund Harburger (1846-1906), Maler humoristischer Bauernszenen, fand Beck eine lebensecht eingerichtete Bauernstube vor.[13] Der Porträtmaler Rudolf Wimmer (1849-1915) überraschte mit einem Raum „für den vornehmsten Besuch eingerichtet, überall tritt uns feiner künstlerischer Geschmack in ernster Würde entgegen“.[14] Bei Karl Raupp (1837-1918), Maler vom Leben der Fischer und Landleute am Chiemsee, ruhte ein halb durchgeschnittener Fischerkahn auf einem eleganten, seidenüberzogenen Hocker inmitten von Renaissancemöbeln mit Büsten und Ziertellern. Der Porträt- und Gesellschaftsmaler Georg Papperitz (1846-1918), „Mann der vornehmen Welt“,[15] hatte seine Skizzen und fertig gerahmten Gemälde in einem weiten und hohen Saal mit drei Rundbögen und kannelierten klassizistischen Säulen arrangiert, während bei Walther Firle (1859-1929), der religiöse Genreszenen malte, über einem „primitiven Altare, Kerzenleuchtern und Kirchenrequisiten“[16] an der Decke ein ausgestopfter Kranich schwebte.
[6] Langer 1992, Seite 9 f.; 346 Aufnahmen sind auf der Webseite Bildindex der Kunst und Architektur, https://www.bildindex.de/, unter dem Suchwort „Münchner Künstlerateliers“ alphabetisch nach den porträtierten Künstlern abrufbar. Auf den meisten Seiten gibt es Informationen zur Herkunft unter dem weiterführenden Link „Mehr Informationen zum Fotokonvolut Filser 1935“.
[7] Teufel 1889, Band 3, Tafel 82 („F. Streit“, siehe Abb. 17); Bildindex Foto Marburg („Franz Streit“), https://www.bildindex.de/media/obj22005152/fm121835
[8] Langer 1992, Seite 176 („Casimir von Pulaski, unbekannt“); Bildindex Foto Marburg („K. von Pulaski, Stillebenmaler“), https://www.bildindex.de/media/obj22005106/fm121771
[9] Vergleiche vor allem die Dissertation von Brigitte Langer 1992 zu diesem Thema (siehe Literatur).
[10] Beck 1890, Spalte 232
[11] Beck 1890, Spalte 235
[12] Beck 1890, Spalte 248
[13] Beck 1890, Spalte 248 f.
[14] Beck 1890, Spalte 397
[15] Beck 1890, Spalte 402
[16] Beck 1890, Spalte 409