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Ateliers polnischer Maler in München um 1890

Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013

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Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013
Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013

In den Jahren zuvor hatte Brandt auf Reisen durch Polen und die Ukraine zahlreiche Antiquitäten und Requisiten gesammelt, die er als Vorlagen für seine Gemälde benötigte. Außerdem erwarb er solche Objekte von anderen Künstlern oder von verarmten adligen Familien in Polen und bezahlte dafür gelegentlich mit Gemälden.[30] So war mit der Zeit eine umfangreiche Sammlung aus Säbeln und Pistolen der polnischen Husaren, Harnischen, Helmen, Schilden, Pferdesatteln und ‑geschirren, Musikinstrumenten und Kostümen mit den zugehörigen Figuren, antiken Vorhängen und Stoffen, orientalischen Sitzmöbeln und Tischen, türkischen Zelten, persischen Teppichen sowie Renaissance- und Barockmöbeln entstanden. In seinem neuen Atelier in der Schwanthalerstraße fand Brandt nicht nur die Möglichkeit, diese Gegenstände zu lagern, sondern sein Atelier damit auch repräsentativ auszustatten und zu dekorieren. Auf der einen Seite des Korridors schuf er zwei Atelierräume, von denen er den größeren mit orientalischen Sofas, einem Tisch mit Einlegearbeiten, Möbeln des 16. und 17. Jahrhunderts, Waffen und Rüstungen ausstattete. Die Wände verkleidete er mit einem türkischen Zelt, auf dem Boden drapierte er persische Vorleger. Staffeleien sowie Regale für Farben und Pinsel dienten als Utensilien für die Malerei. Im zweiten Raum lagerte er Harnische und Musikinstrumente. Hier arbeitete über viele Jahre der mit ihm befreundete Maler Władysław Szerner (1836-1915), den Brandt auch als Kustos für die Sammlung beschäftigte.[31] Auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs richtete er ein Lager für Kostüme, Grafiken und Bücher und ein vorbildlich sortiertes Arsenal für historische Waffen, Rüstungen, Regimentsbanner und türkische Zelte ein.

Schon bald nach der Eröffnung sorgte Brandts Atelier nicht nur in München, sondern auch in Polen für Aufsehen. Szerner zeichnete, offenbar nach Fotografien, eine Ansicht, auf der Brandt mit einer Malpalette zu Füßen vor einem auf der Staffelei stehenden und üppig gerahmten Gemälde sitzt und in einem illustrierten Buch blättert. Geweihe, Waffen, historische Stoffe, Wandbehänge und Draperien, Statuetten, Dosen und die eigenen Gemälde dienten zur Dekoration des Raumes. Die Innenansicht, die bereits alle Elemente der rund fünfzehn Jahre später entstandenen Fotografien von Teufel enthält, wurde im Juni 1876 in der Warschauer Zeitschrift Kłosy (dt. Ähren) als Holzstich veröffentlicht.[32] Im Oktober berichtete der in Dresden ansässige polnische Schriftsteller Józef Ignacy Kraszewski (1812-1887) in seinen „Briefen aus München“ ausführlich über Brandts Atelier, das „wahrhaftig ein historisches Museum“ sei, „jest to całe muzeum historyczne“.[33] Im Dezember erschienen in der Warschauer Zeitschrift Tygodnik Ilustrowany (dt. Illustrierte Wochenschrift) auf einer Doppelseite zwei Ansichten des Ateliers auf einem wiederum von Szerner gezeichneten Blatt zusammen mit einem umfangreichen Artikel über Brandt.[34] Dort ist auch ein zweiter Raum mit Draperien, einer kunstvoll dekorierten Sammlung von Säbeln, Rüstungen und Regimentsfahnen zu sehen, die von einem Bild der Schwarzen Madonna gekrönt wird und die Szerner zu einer noch umfangreicher und dekorativer staffierten Rahmung seiner in Holz gestochenen guckkastenartigen Ansicht der Atelierräume inspirierte.[35]

Die beiden 1889 von Teufel angefertigten Fotografien, von denen eine in seinem Buch erscheint (Abb. 1, 2), zeigen, dass sich in den zurückliegenden fünfzehn Jahren am grundsätzlichen Arrangement nicht viel geändert hat. Allerdings war die Sammlung jetzt sehr viel dichter gruppiert, geschnitzte Türstürze und Paravents, Zierteller und zahlreiche Orientbrücken waren hinzugekommen. Auch diese Aufnahmen erschienen 1890 und 1899 in polnischen Zeitschriften.[36] 1903 berichtete der polnische Maler und Kunstkritiker Władysław Wankie (1860-1925), der ab 1882 zwanzig Jahre lang zum Münchner Kreis um Brandt gehörte, in der in St. Petersburg erscheinenden Zeitschrift Życie i Sztuka (dt. Leben und Kunst),[37] sogar in Polen würden nur wenige Menschen eine derartige Fülle an historischen Objekten besitzen wie Brandt, „mało kto i w kraju posiada taką całość naszych zabytków“.[38] Die umfangreichste Beschreibung der Atelierwohnung in der Schwanthalerstraße stammt von einem Enkel Brandts, der sie bei dessen Tod 1915 im Alter von neun Jahren besuchte und später darüber berichtete.[39] 1920 wurde die gesamte über 330 Gegenstände zählende Ausstattung des Ateliers dem letzten Willen von Brandt entsprechend nach Warschau transportiert und dem dortigen Nationalmuseum übergeben.[40]

 

[30] Bagińska 2015 (siehe Literatur), Seite 41

[31] Bagińska 2015, Seite 44

[32] Władysław Szerner (1836-1915): Józef Brandt w swojéj pracowni (dt. Jósef Brandt in seinem Atelier), 1875/76. Holzstich von Jan Styfi (1841-1921), in: Kłosy, 1876, Band XXII, Nr. 574, Seite 405 (Online-Ressource: http://www.wbc.poznan.pl/dlibra/publication?id=117872&tab=3); abgebildet in der Online-Ausstellung „Józef Brandt“ auf diesem Portal, https://www.porta-polonica.de/de/atlas-der-erinnerungsorte/jozef-brandt, Abb. 2

[33] Listy J. I. Kraszewskiego. Monachium w Październiku 1876 r., in: Kłosy, 1876, Band XXIII, Nr. 591, Seite 274, 3. Spalte (Online-Ressource: http://www.wbc.poznan.pl/dlibra/publication?id=117872&tab=3)

[34] J. Wojciechowski: Józef Brandt, in: Tygodnik Illustrowany, 1876, Band II, Nr. 52, Seite 412-414; Władysław Szerner (1836-1915): Pracownia Józefa Brandta w Monachium (Das Atelier von Jósef Brandt in München), 1875/76. Holzstich von Paweł Boczkowski (1860-1905), Seite 416 f. (Online-Ressource: http://bcul.lib.uni.lodz.pl/dlibra/publication?id=1571&tab=3); abgebildet in der Online-Ausstellung Józef Brandt auf diesem Portal, https://www.porta-polonica.de/de/atlas-der-erinnerungsorte/jozef-brandt, Abb. 3

[35] Ein Entwurf der staffierten Rahmung befindet sich im Jacek-Malczewski-Museum in Radom/Muzeum im. Jacka Malczewskiego w Radomiu, ebenso die der Zeichnung zugrunde liegenden Fotografien. Eine der Fotografien ist abgebildet bei Bagińska 2015, Seite 48, vergleiche dort Anmerkung 23, eine weitere im selben Ausstellungs-Katalog, Seite 56.

[36] S. Fabijański: Pracownia Józefa Brandta, in: Świat 1890, Seite 517; Pracownia profesora Józefa Brandta w Monachium, in: Tygodnik Ilustrowany, 1899, Band II, Nr. 40, Seite 789 (Online-Ressource: http://bcul.lib.uni.lodz.pl/dlibra/publication?id=1491&tab=3)

[37] Władysław Wankie: U Józefa Brandta w Monachium, in: Życie i Sztuka, 1903, Nr. 48, Seite 2

[38] Zitiert nach Bagińska 2015, Seite 46

[39] Andrzej Daszewski (1906-1992): Zbiory militariów Józefa Brandta, in: Muzealnictwo Wojskowe, Warschau 1985, Seite 68-76. Fotografien des Ateliers aus dem Jahr 1915 besitzt das Jacek-Malczewski-Museum in Radom/Muzeum im. Jacka Malczewskiego w Radomiu; eine Abbildung bei Bagińska 2015, Seite 47. Zur Abstammung von Daszewski vergleiche http://www.sejm-wielki.pl/b/zi.4.7.b

[40] Bagińska 2015, Seite 48. Heute befindet sich die Sammlung in verschiedenen Abteilungen des Nationalmuseums Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie und des Museums der polnischen Armee/Muzeum Wojska Polskiego.