Janina Szarek und das Teatr Studio am Salzufer – Tadeusz Różewicz Bühne Berlin
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Für die Eröffnungspremiere wählen die Theatergründer das Stück „Die weiße Ehe“ (Białe małżeństwo) von Tadeusz Różewicz aus. Der Autor, selbst ein großer Befürworter der Theatergründung, und Henryk Bereska, der das Stück ins Deutsche übersetzte, verzichten in einer symbolischen Geste auf ihre Tantiemen, um ihre Unterstützung der Initiative zum Ausdruck zu bringen. Różewicz wird zum geistigen Patron der Bühne, die er als „Theater biologischer und künstlerischer Erneuerung“ bezeichnet. Über seine Rolle bei der Entstehung des Theaters schreibt Janina Szarek folgendermaßen: „Unabhängig von den Inszenierungen dieses Autors in unserem Theater, hat Tadeusz Różewicz einen besonderen Platz in unserem Theater, besonders im Prozess des Aufbaus der deutsch-polnischen Bühne in Berlin und in der Geschichte unseres Theaters. Er ist im gewissen Sinne zum Spiritus Movens der Idee, ihr Mäzen und ihr Inspirator geworden. Von Anfang an glaubte er an den besonderen Sinn dieses Unternehmens und durch sein Interesse und Wohlwollen gab er uns Mut und Kraft... (…) Die Wahl seines Stückes für den Akt der Eröffnung des Theaters ist intuitiv und selbsttätig geschehen, obwohl wir uns schon kannten und im Kontakt blieben. Ich bin auch heutzutage der Meinung, dass kein anderer Autor dafür besser wäre ...“[9]
Die Aufführung sowie die Entstehung der deutsch-polnischen Bühne werden vom Publikum und von der Presse begeistert aufgenommen. Nur zwei Monate später erhält die Einrichtung im April 2004 von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien eine Zuwendung zum Erwerb technischer Geräte. Im Juni 2004 findet mit der Aufführung des Stücks „Transatlantik“ von Witold Gombrowicz die nächste Premiere statt. In den folgenden Jahren zeigt das Theater weitere Produktionen, lädt Gastensembles zu sich ein und ist mit seinem eigenen Repertoire in Polen und Deutschland unterwegs.
Der Stil der Aufführungen von Janina Szarek ist sehr eigen. Ihr Theater ist durch die ungewöhnliche Emotionalität der Inszenierungen geprägt. Letzteres wohl als Antwort auf das deutsche Theater, das ihr als zu intellektuell vorgekommen ist, was damit zu tun hat, dass sich die deutsche Wahrnehmung der Welt von der polnischen Wahrnehmung unterscheidet. „Die Unterschiede zwischen deutscher und polnischer Mentalität kann man generell und grob definieren als Konflikt zwischen Intellekt und Emotion. Das ist ein typischer Konflikt zwischen ost- und westeuropäischer Mentalität.“[10] Dabei ist die Wahrnehmung der Welt durch das Prisma der Emotionen für die Kunst etwas, was sich bestens bewährt. „Die Polen“, sagt Janina Szarek, „sind wie kleine Kinder, sie sind emotionaler. Die Deutschen sind viel reifer. In der Politik sind die Polen nicht sehr gut. Aber in der Kunst hat man diese Verrücktheit.“[11]
Das Teatr Studio kooperiert quasi von Anfang an mit der Warschauer Akademia Teatralna (Theaterakademie). 2006 nimmt die Berliner Bühne eine regelmäßige Zusammenarbeit mit dem Teatr Współczesny in Szczecin (Stettin) auf. Im Januar 2007 findet in Berlin die Premiere des Stücks „Eine alte Frau brütet“ (Stara kobieta wysiaduje) von Tadeusz Różewicz, die zusammen mit dem Haus in Szczecin entstand. Janina Szarek spielte die Hauptrolle und führte Regie. Den Anstoß dazu gibt Różewicz selbst, der meinte, dass die Schauspielerin „... in einem guten Alter ist, physisch und psychisch, um die Hauptrolle zu spielen.“[12] Die Aufführung wird vom Publikum sehr gut aufgenommen und geht bald darauf auf Tournee durch Polen und Deutschland. Insgesamt wird das Stück 70 Mal auf die Bühne gebracht. Auch die Aufführung „König Ubu“, die ebenfalls mit dem Stettiner Teatr Współczesny erarbeitet wird, ist ein Erfolg.
[9] Janina Szarek, Vorwort..., S. 10
[10] Janina Szarek, Vorwort..., S. 9.
[11] Nicole Köstler, Spielen heißt kämpfen, Tagesspiegel, 16.04.2010 https://www.tagesspiegel.de/kultur/theater-spielen-heisst-kaempfen/1801912.html
[12] Maria Dębicz, Das war ein neuer Ort für Tadeusz Różewicz in Berlin im Jahr 2004, [in:] Teatr Studio am Salzufer – Tadeusz Różewicz Bühne. 10 Jahre der deutsch-polnischen Studiobühne in Berlin, Kraków 2015, S. 55.