Die Ruhrpolen
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Die „Ruhrpolen“ - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
Aufgrund der beschriebenen restriktiven Maßnahmen der preußischen Behörden im Hinblick auf den Immobilienerwerb in Teilen der ostpreußischen Heimatgebiete begannen viele Ruhrpolen, ihr angespartes Geld im rheinisch-westfälischen Industriegebiet in Immobilien anzulegen oder sie suchten den Weg in die Selbstständigkeit. So gab es um 1911 nachweislich etwa 130 ruhrpolnische Immobilienbesitzer in Bottrop,[34] und derer 36 in Gladbeck.[35] Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges sollen mehr als 1.000 Immobilien an Rhein und Ruhr im Besitz von Ruhrpolen gewesen sein.[36] Zeitgleich betrieben mehr als 2.000 Ruhrpolen ein Gewerbe an Rhein und Ruhr – vor allem Handwerker und Händler, es befanden sich allerdings auch Metzger, Bäcker, Tischler, Buchhändler und Betreiber von Druckereien darunter.[37]
Die Integrationstendenzen unter der ruhrpolnischen Bevölkerung nahmen mit der Aufenthaltsdauer im Ruhrrevier, mit der Geburt von Kindern und dem wachsenden behördlichen und teils auch gesellschaftlichen Druck zu. Häufig waren es die Frauen – in aller Regel aus den Herkunftsgebieten ihrer Ehemänner stammend – die zu den Antriebsmotoren der Integration wurden. Zunächst emanzipierten sie sich erfolgreich auf beruflicher und sozialer Ebene. Sie organisierten neben dem Führen des eigenen Haushaltes und der Erziehung der Kinder das Kostgängerwesen mit ca. 35.000 Kostgängern um 1910 und trugen damit erheblich zum Einkommen vieler Familien bei. Überdies gingen um 1912 an Rhein und Ruhr etwa 19.000 ruhrpolnische Frauen und Mädchen einer Beschäftigung nach, u.a. als Haushaltshilfen und Dienstmädchen, aber auch in der Landwirtschaft und im Textilgewerbe.[38] Auch die Leitung der mit der Zeit entstehenden Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe sowie insbesondere Läden, die nach ihrer Gründung häufig parallel zur abhängigen Hauptbeschäftigung des Ehemannes in einem Bergwerk oder Industriebetrieb geführt wurden, oblag sehr oft den Ehefrauen und erwachsenen Töchtern.[39]
[34] Klon, Zygmunt: Historia Rogowa nad Olzą, Heft 2, Bielsko-Biała 1990, S. 28.
[35] Schmidt, Georg: Kaiser Wilhelms Gastarbeiter. Die polnischen Erwerbsauswanderer in Gladbeck während der Jahre 1874–1914, Gladbeck 1990, S. 39.
[36] Molenda, Jan: Miejsce kobiet wśród polskiego wychodźstwa w reńsko-westfalskim okręgu przemysłowym na początku XX wieku (Przegląd Historyczny, Bd. LXXXVIII, 1997, Heft 1) S. 124.
[37] Molenda, Jan: Das Zusammenleben von Deutschen und Polen im Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in: Maier, Robert/Stöber, Georg (Hgg.): Zwischen Abgrenzung und Assimilation. Deutsche, Polen und Juden. Schauplätze ihres Zusammenlebens von der Zeit der Aufklärung bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges, Hannover 1996, S. 200; Wachowiak: Polacy, S. 82–83.
[38] Molenda: Miejsce kobiet, S. 122.
[39] Schmidt: Kaiser Wilhelms Gastarbeiter, S. 38.