Zwischen der deutschen Reichsgründung und dem Ersten Weltkrieg migrierten weit über eine halbe Million Menschen aus den preußischen Ostgebieten in das Industrierevier an Rhein und Ruhr. Die später mit dem Begriff „Ruhrpolen“ bezeichneten, polnische Dialekte sprechenden Menschen nahmen im Westen Deutschlands Tätigkeiten in der Industrie auf und organisierten sich in der Anfangsphase landsmannschaftlich. Mit der Zeit bildete sich auch ein reges kulturelles und soziales polnisches Leben heraus. Im Zuge der politischen Umwälzungen, an deren Ende die Wiedererrichtung eines polnisches Staates stand, kehrte etwa ein Viertel der Ruhrpolen in die polnisch gewordene Heimat zurück und ein weiteres Viertel wanderte in französische, belgische und niederländische Industriereviere weiter. Unter den im rheinisch-westfälischen Industrierevier verbliebenen Menschen kam es zu vielschichtigen Integrations- und Assimilationstendenzen. Einige zehntausend Ruhrpolen pflegten allerdings weiterhin ihre regionalen und nationalen Traditionen und organisierten sich u.a. im 1922 gegründeten Bund der Polen in Deutschland.
Bericht über den Stand der Polenbewegung in Rheinland und Westfalen und anderen Gebieten des Deutschen Reiches und des nahen Auslands im Jahr 1912, Verfasser: Bochumer Polizeipräsident Gerstein.
Die „Ruhrpolen“ - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
In Zusammenarbeit mit "COSMO Radio po polsku" präsentieren wir Hörspiele zu ausgewählten Themen unseres Portals.
Kirchkreuz vor dem Haupteingang der Hl.-Maria-Magdalena-Kirche
Sockel des Kirchkreuzes vor dem Haupteingang der Hl.-Maria-Magdalena-Kirche
Masurenaufruf
Vereinsfahne des polnisch-katholischen Bergarbeitervereins zu Eving, Vorderseite
Kirchkreuz vor dem Haupteingang der Hl.-Maria-Magdalena-Kirche
Sockel des Kirchkreuzes vor dem Haupteingang der Hl.-Maria-Magdalena-Kirche
Masurenaufruf
Vereinsfahne des polnisch-katholischen Bergarbeitervereins zu Eving, Vorderseite
Vereinsfahne des polnisch-katholischen Bergarbeitervereins zu Eving
Vereinsfahne der Bruderschaft des Hl. Rosenkranzes der Frauen in Suderwich, Vorderseite
Vereinsfahne der Bruderschaft des Hl. Rosenkranzes der Frauen in Suderwich, Rückseite
Vereinsfahne des Mickiewicz-Gesangvereins aus Oberhausen 1898, Vorderseite
Vereinsfahne des polnisch-katholischen Bergarbeitervereins zu Eving
Vereinsfahne der Bruderschaft des Hl. Rosenkranzes der Frauen in Suderwich, Vorderseite
Vereinsfahne der Bruderschaft des Hl. Rosenkranzes der Frauen in Suderwich, Rückseite
Vereinsfahne des Mickiewicz-Gesangvereins aus Oberhausen 1898, Vorderseite
Vereinsfahne des Mickiewicz-Gesangvereins aus Oberhausen 1898, Rückseite
Sokół-Mitgliedskarte von Ludwik Najdecki
Mitgliedskarte des Bundes der Polen in Deutschland von Ludwik Najdecki
Mitgliedskarte des Bundes der Polen in Deutschland von Josef Najdecki
Vereinsfahne des Mickiewicz-Gesangvereins aus Oberhausen 1898, Rückseite
Sokół-Mitgliedskarte von Ludwik Najdecki
Mitgliedskarte des Bundes der Polen in Deutschland von Ludwik Najdecki
Mitgliedskarte des Bundes der Polen in Deutschland von Josef Najdecki
Bereits in den Jahren zuvor war die behördliche Diskriminierung der polnischen Bevölkerung stark ausgeweitet worden. Der sogenannte „Sprachen- und Maulkorbparagraf“, ein Bestandteil des Reichsvereinsgesetzes von 1908, schränkte die Verwendungsmöglichkeiten der polnischen Sprache in der Öffentlichkeit in Landkreisen, in denen nachweislich der letzten Volkszählung weniger als 60 Prozent der ortsansässigen Bewohner polnischer Muttersprache waren, stark ein.[22] Überdies machte die Novelle zum Ansiedlungsgesetz aus dem Jahr 1904 in Verbindung mit der 1908 eingesetzten Kolonisationskommission in einigen ostpreußischen Gebieten, in die man deutsche Siedler zu locken versuchte, den Landerwerb für den Häuserbau in den Ostprovinzen für polnische Preußen nahezu unmöglich und zerstörte die Träume vieler Ruhrpolen von einer Rückkehr in die Heimat und den Erwerb von Haus und Hof.[23] Im Alltag und Vereinsleben der Ruhrpolen kam es bisweilen zu absurden Maßnahmen, wie etwa 1904 in Wanne, wo ein Verbot der Verwendung der polnischen Sprache beim Kommunionsunterricht, bei der Beichte, bei Taufen und Trauungen sowie Begräbnissen mit dem Kampf gegen die „politisch-polnische Agitation“ begründet wurde.[24] Der Begriff des Politischen wurde von manchen Behörden willkürlich auf nahezu alle Bereiche des sozialen und religiösen Lebens ausgeweitet, bis hin zu den oben genannten Verboten im religiösen Raum, was bei großen Teilen der sehr religiösen ruhrpolnischen Bevölkerung auf Unverständnis stieß und bisweilen heftige Erregung auslöste.
Im Jahr 1912 gab es im rheinisch-westfälischen Industrierevier nahezu 900 von polnischen Zuwanderern gegründete Vereine mit insgesamt mehr als 80.000 Mitgliedern.[25] Diese Zahl wird durch den hohen Anteil an Mehrfachmitgliedschaften jedoch relativiert, denn nicht selten war eine Person zugleich Mitglied mehrerer Vereine.[26] Zudem ist die Tatsache erwähnenswert, dass ein großer Teil der Gesamtzahl an Vereinsmitgliedern auf die 1902 gegründete Polnische Berufsvereinigung (Zjednoczenie Zawodowe Polskie, ZZP) entfiel – zehn Jahre nach ihrer Gründung hatte sie allein im Ruhrrevier etwa 30.000 Mitglieder.[27] Ihr Erfolg beruhte einerseits auf der flachen Struktur mit zahlreichen Filialen in einzelnen Ortschaften und Stadtteilen des rheinisch-westfälischen Industriereviers, andererseits auf ihrem vielfältigen Angebot. Die Mitgliedschaft bot eine umfangreiche arbeits- und versicherungsrechtliche Absicherung des Mitglieds und – im Todesfall – auch seiner Familie, sowie zusätzlich die Möglichkeit zu geselligen Treffen und Feiern.[28] In den Jahren vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges waren auch die militärisch organisierten und als Gymnastikvereine geltenden, national-polnisch ausgerichteten Sokół-Vereine mit ca. 6.000 Mitgliedern an Rhein und Ruhr recht erfolgreich. Im Anschluss an den Ersten Weltkrieg verloren sie jedoch zügig an Einfluss und der Gesamtverband der Sokół-Vereine in Rheinland und Westfalen löste sich 1927 auf. Zwei Faktoren waren dafür ausschlaggebend: einerseits verließen viele aktive Mitglieder nach 1918 das Ruhrrevier, andererseits verloren die Sokół-Vereine massenhaft Mitglieder zugunsten der seit den 1920er Jahren zahlreich entstehenden Fußballvereine in den einzelnen Ortschaften und Stadtteilen des Ruhrgebiets.[29]
[22] Oenning, Ralf Karl: „Du da mitti polnischen Farben…“. Sozialisationserfahrungen von Polen im Ruhrgebiet 1918 bis 1939, Münster/New York 1991, S. 19.
[23] Peters-Schildgen, Susanne: „Schmelztiegel“ Ruhrgebiet. Die Geschichte der Zuwanderung am Beispiel Herne bis 1945, Essen 1997, S. 36.
[24] Matwiejczyk: Zwischen kirchlicher Integration, S. 31.
[25] Peters-Schildgen, Susanne: Das polnische Vereinswesen in der Kaiserzeit und in der Weimarer Republik. Ein Vergleich, in: Dahlmann u.a.: Schimanski, S. 61.
[27] Kleßmann, Christoph: Zjednoczenie Zawodowe Polskie ZZP – polnische Berufsvereinigung und Alter Verband im Ruhrgebiet (Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 15. Jg. 1979,, Heft 1), S. 69.
[28] StA Hattingen, SHC01-397, Übersetzungen..., Nr. 6, Jg. 1913, 7. Februar 1913, Was lehren die christlichen Gewerkschaften den polnischen Arbeiter, in: Wiarus Polski, Nr. 22, 28. Januar 1913; Wachowiak: Polacy, S. 117 und 162–163.
Die Geschichte der Familie Jankowski aus Herne gehört sicherlich zu den „klassischen“ Schicksalen der Ende des 19. Jahrhunderts ins Ruhrgebiet eingewanderten Polen.
Die Geschichte der Auswanderung der Familie Tomczak ins Ruhrgebiet beginnt 1918 in dem kleinen Dorf Orkowo, Kreis Śrem, Provinz Posen und führt 2018, nach einem 100-jährigen Aufenthalt in Oberhausen, ...