Jesekiel David Kirszenbaum (1900–1954). Ein Bauhaus-Schüler
Seit Anfang der Fünfzigerjahre an Krebs erkrankt, besann sich Kirszenbaum in einer Serie von abstrahierten oder völlig abstrakten Bildern an seine Studienzeit am Bauhaus. Zwei Aquarelle, die Fische vor ungegenständlichen Hintergründen zeigen (Abb. 56 . , 58 . ) erinnern schon auf den ersten Blick an das 1925 entstandene Gemälde von Paul Klee, „Der Goldene Fisch“ (Hamburger Kunsthalle). Aus freien organischen Formen, wie sie Mondrian und Kandinsky um 1910 erfanden, konstruierte der Künstler Aquarelle und Gouachen mit abstrakten Geweben (Abb. 57 . ) und Arabesken. Die Kombination von gegenständlichen und frei gestalteten Formen, wie sie in seinem Aquarell eines „Abstrakten Gartens“[109] zu sehen ist, erinnert aber auch an Roger Bissière, Mitglied der École de Paris, der sich in frühen Jahren ebenfalls an Klee orientierte. Ein letztes Erinnerungsbild an Staszów, „Der Prophet Elijah“ (Abb. 59 . ), schließt an die Bilder vom Einzug des Messias im Stetl an und zeigt vor der Kulisse der Stadt die bekannten volkstümlichen Figuren. Anstelle des Erlösers wird jedoch der Prophet zur Hauptfigur, der nach biblischer Überlieferung von feurigen Rossen in den Himmel entrückt wird (2. Könige 2, 11).
1954 starb Kirszenbaum an seiner Krebserkrankung. Retrospektiven fanden 1955 in der Galerie Tsavta in Jerusalem und 1962 in der Galerie Karl Flinker in Paris in der Rue du Bac 34 statt. Im Katalog der letztgenannten Ausstellung schrieb Friedrich Hagen einen umfangreichen Essay über Leben und Werk des Künstlers.
Axel Feuß, Oktober 2019
Wir danken den Großneffen von Jesekiel Kirszenbaum, Nathan und Amos Diament (Tel Aviv), für die großzügige Überlassung von Informationen, Fotovorlagen und Reproduktionsgenehmigungen sowie Frau Anna Taube (Osnabrück, ehemals Goethe-Institut, Tel Aviv) für die freundliche Unterstützung bei der Beschaffung von Informationen.
[109] Vergleiche auf diesem Portal die Solinger Ausstellung, https://www.porta-polonica.de/de/atlas-der-erinnerungsorte/jesekiel-kirszenbaum-ausstellung-solingen, Abbildung 26
Literatur:
Yechezkel Kirszenbaum: Childhood and Youth in Staszów. From „Life Chapters of a Jewish Artist“, übersetzt von Leonard Levin, original hebräisch in: Sefer Staszów (The Staszów Book), herausgegeben von Elhanan Erlich, Tel Aviv 1962, Seite 221-229, online: https://www.jewishgen.org/yizkor/staszow/sta221.html; erneut in: J.D. Kirszenbaum 2013 (siehe unten), Seite 129-170
Revolution und Realismus. Revolutionäre Kunst in Deutschland 1917 bis 1933, Ausstellungs-Katalog Staatliche Museen zu Berlin, (Ost-)Berlin 1978
Inna Goudz: Herwarth Walden und die jüdischen Künstler der Avantgarde, in: Der Sturm. Zentrum der Avantgarde, Band 2: Aufsätze, Ausstellungs-Katalog Von der Heydt-Museum, Wuppertal 2012, Seite 515-540
Johanna Linsler: Jesekiel David Kirszenbaum, entre aspiration révolutionaire et mémoire du shtetl / Jesekiel David Kirszenbaum, zwischen revolutionärem Streben und Erinnerungen an das Schtetl, in: Anne Grynberg / Johanna Linsler: L’Irréparable. Itinéraires d’artistes et d’amateurs d’art juifs, réfugiés du „Troisième Reich“ en France / Irreparabel. Lebenswege jüdischer Künstlerinnen, Künstler und Kunstkenner auf der Flucht aus dem „Dritten Reich“ in Frankreich, herausgegeben von der Koordinierungsstelle Magdeburg, Magdeburg 2013, Seite 265-289 / 290-314
J.D. Kirszenbaum (1900-1954). The Lost Generation. From Staszów to Paris, via Weimar, Berlin and Rio de Janeiro / La génération perdue. De Staszów à Paris, via Weimar, Berlin et Rio de Janeiro, herausgegeben von Nathan Diament, Paris 2013; darin: Baron David de Rothschild: Alix de Rothschild: Student and Benefactor / Alix de Rothschild, élève et bienfaitrice, Seite 11; Nadine Nieszawer: Jechezkiel Kirszenbaum, a Jewish Artist of the School of Paris / Jechezkiel Kirszenbaum, un artiste juif de l’École de Paris, Seite 13-16; Nathan Diament: A Personal Pathway / Un cheminement personnel, Seite 21-32; Caroline Goldberg Igra: Kirszenbaum’s Artistic Journey / Le parcours artistique de Kirszenbaum, Seite 35-124
Caroline Goldberg Igra: The Restoration of Loss: Jechezkiel David Kirszenbaum’s Exploration of Personal Displacement, in: Ars Judaica, herausgegeben von der Bar-Ilan University, Faculty of Jewish Studies, Department of Jewish Art, Nr. 10, Ramat Gan 2014, Seite 69-92
Nadine Nieszawer / Deborah Princ und andere: Artistes juifs de l’École de Paris 1905-1939 / Jewish Artists of the School of Paris, Paris 2015, Seite 177 f. / 428 f., online: http://ecoledeparis.org/wp-content/uploads/2018/12/1.pdf
J.D. Kirszenbaum (1900-1954). Retrospektiva/Retrospective, Ausstellungs-Katalog Muzej Mimara/The Mimara Museum, Zagreb 2018
Alle elektronischen Links wurden zuletzt im Oktober 2019 aufgerufen.
Video:
Anlässlich des International Holocaust Remembrance Day am 27. Januar engagiert sich das Willy Brandt Center in Jerusalem für J.D. Kirszenbaum mit einem Film: https://www.youtube.com/watch?fbclid=IwAR02r8UDCLPmFRa_SQznLW4zMTpgJG_lM7mDwYbC1kNNRoVyU09LIhnIvms&v=JsUXlvHp06I&feature=youtu.be