Zdzisław Nardelli
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Wenngleich sich Nardelli auf dem Weg nach Polen in Gedanken als „linksorientierten Poeten“ bezeichnete, dem seine Unterlagen mit vier Jahren seines literarischen Schaffens während seiner Inhaftierung von der Gestapo konfisziert worden waren, und dem die Lebenslust und der Glaube an den Sinn des Schreibens vergangen waren, so gestand er ein, dass er nach all den Gefängnis- und Konzentrationslageraufenthalten eher an seine physische Kraft glaubte, denn an seine intellektuellen Fähigkeiten. An den Ruinen Warschaus vorbei gelangte Nardelli in sein geliebtes, unversehrtes Krakau: „Der ausgebrannte Poet reiste auf dem Dach eines Zuges, seines Werkes beraubt, keinen Sinn mehr darin sehend, von Neuem zu beginnen.“[31] Aber die Rückkehr in die Heimat hatte einen primordialen Sinn; hier im ebenso wie er selbst unversehrt gebliebenen Krakau, in der Stadt seiner Jugend- und Studienzeit, begann die Reinkarnation unseres Protagonisten, hier wurde er mit der Einrichtung des Polnischen Radios beauftragt. Diese Aufgabe setzte bisher verborgene Kräfte und neuen Enthusiasmus bei ihm frei und erlaubte es ihm, sich wieder zu motivieren.
Die fruchtbare und langjährige Arbeit Nardellis für das Polnische Radio, seine Spezialisierung auf die Radioregie, die Realisierung von Hörspielen und Aufführungen des Polnischen Radiotheaters, die vielleicht hauptsächlich dank Nardelli zu einer polnischen Spezialität geworden sind, trugen maßgeblich zur Entfaltung seiner großartigen Karriere bei. Für sein originelles Schaffen nahm er zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen entgegen. Die nächste Etappe seines Lebens, nach dem Ende seiner langjährigen Tätigkeit für das Radio, brachte wertvolle autobiographische, präzise Beobachtungen und historiosophische Reflexionen hervor, die Nardelli in seinen Büchern festhielt. Heute bieten sie eine wertvolle Hilfestellung, etwa für die Rekonstruktion der Atmosphäre des Septembers 1939, der Gefangenschaft in Görlitz und der gemeinsam mit Olivier Messiaen erlebten Ereignisse, die in die Geschichte eingingen. Aus der Perspektive seines Schaffens und seiner Leistungen können wir heute mit Anerkennung feststellen, dass der aus dem alten Adelsgeschlecht der Nardellis aus Teschen stammende Zdzisław Nardelli zu einem der herausragenden Vertreter der polnischen Kultur gehört.
Im Gästebuch zum „Saganer Krippenspiel“ unter dem Titel Uwaga! Sagan Wrze! [Achtung! In Sagan brodelt es!] findet sich neben den Bemerkungen und Erinnerungseinträgen „zum Andenken“, die viele seiner Leidensgenossen aus der Gefangenschaft niederschrieben, auch ein Eintrag von Zdzisław Nardelli:
„Die Sonne hat eine humorige Eigenart – sie wirft Schatten. Vielleicht schaffen es unsere Schatten weiter als wir?
Sagan, den 22. Januar 1940. Zdzisław Nardelli”
Jerzy Stankiewicz, April 2016
[31] Ebd, S. 12.