Stanisław Toegel
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Stanisław Toegel - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
Toegels Karikatur-Zyklen waren sicher nicht für das deutsche Publikum gedacht, denn das Vorwort ist in polnischer Sprache abgefasst, und auch bei den Bildtiteln auf den dunkelgrauen Passepartouts dominiert neben Englisch und Französisch das Polnische – ein weiterer Beleg dafür, dass als hauptsächliche Adressaten die polnischen Leser des in Deutschland neu entstandenen Vertriebssystems aus polnischen Verlagen und Buchhandlungen anzusehen sind. Die Zyklen waren als Kunstmappen konzipiert, denn es existieren zwei Auflagen A und B, wobei die Serie A vermutlich vom Künstler handsigniert werden sollte. Jedes Exemplar ist nummeriert.[32] Ebenfalls 1946 und im Verlag von Antoni Markiewicz gab Toegel eine Mappe mit vier farbig gedruckten Karikaturen unter dem Titel „Polski wojak na obczyźnie“ (dt. Der polnische Soldat in der Fremde) heraus, die er schon im Jahr zuvor gezeichnet hatte und in denen er offenbar Kameraden aus dem DP-Lager in Osnabrück aufs Korn nahm (Abb. 11/1-11/5). Die Folge erschien nur in polnischer Sprache und ist bislang in einem einzigen Exemplar in der Polnischen Nationalbibliothek (Biblioteka Narodowa) in Warschau überliefert. 2008 tauchte im Auktionshandel in den USA eine Folge mit acht gezeichneten und aquarellierten Karikaturen von Toegel aus dem Jahr 1946 auf, die polnische und amerikanische Soldaten mit ihren Damen zeigt und die persönliche Widmungen trägt.[33]
Ab 1947 arbeitete Toegel mit einem neuen Verleger in Celle zusammen, Tadeusz Starczewski, der ebenfalls aus dem Kreis der polnischen DPs kam. Starczewski war, so die Überlieferung, während der deutschen Besetzung Polens ab 1939/40 in Łódź Kopf der im Untergrund tätigen Gruppe Szaniec (dt. Die Schanze), die zu der im Oktober 1939 in Warschau gegründeten nationalradikalen Untergrundorganisation Eidechsenbund (Związek Jaszczurczy) gehörte. Student und bekannt unter dem Spitznamen „Stary“ (dt. der Alte), gab Starczewski seit dem Sommer 1940 die gleichnamige Untergrundzeitschrift Szaniec heraus, die sich im Dezember in Pochodnia (dt. Die Fackel) umbenannte. Starczewski und die Druckerei der Zeitschrift, welche in der Wohnung der Haushälterin des Pfarrers der Gemeinde Św. Jana Chrzciciela (dt. St. Johannes der Täufer) in Nowe Złotno eingerichtet worden war, wurden im März 1941 von der Gestapo aufgespürt, sämtliche Geistlichen der Gemeinde verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt, während Starczewski Ostern 1941 die Flucht aus dem Gefängnis in der ul. Sterlinga gelang.[34] Starczewski, geboren 1911 in Łódź, war nach eigenen Angaben[35] zuvor von 1934 bis 1939 Hauptschriftleiter beim Zeitungsverlag ABC in Łódź gewesen. Von 1941 bis 1943 arbeitete er als Buchhändler und Verleger mit eigener Druckerei weiter. 1943 wurde er erneut verhaftet, kam ins Konzentrationslager Auschwitz,[36] dann in das KZ-Außenlager Salzgitter-Drütte und schließlich vom 8.7.1943 bis zum 15.4.1945 als politischer Häftling („roter Winkel“) in das KZ Bergen-Belsen. Seit dem 1.11.1945 war Starczewski in Celle gemeldet und stellte dort wenig später einen Konzessionsantrag für den „Verlag und den Verkauf von Büchern und Zeitschriften in polnischer Sprache an Displaced Persons in den Lagern“.[37]
Seine erste Verlagspublikation, die er herausgab und als Redakteur betreute, war eine Zeitschrift für die polnischen Insassen der DP-Lager, die 1945 unter dem Titel Strażnica. Czasopismo dla harcerzy (dt. Wachturm. Zeitschrift für Pfadfinder) – The Boy Scouts Weekly für die Polnische Pfadfinder-Vereinigung im Ausland – Kommando Pfadfindergruppe Celle (Związek Harcerstwa Polskiego poza Granicami Kraju – Komenda Hufca Harcerzy [Celle]) erschien.[38] Strażnica wurde auch der Name des Verlags, den Starczewski in Celle betrieb und in dem 1947 mehrere Broschüren erschienen, unter anderem die Gedichtsammlung „Szlak tęsknoty“ (dt. Die Spur der Sehnsucht) des polnischen Piloten Zygmunt Witymir Bieńkowski (1913-1979), der 1945 über Wesel abgeschossen und in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten war, „Partyzanckim szlakiem“ (dt. Die Route der Partisanen) von Jerzy Szczepańczyk, „Skarb śląski“ (dt. Der schlesische Schatz) der Schriftstellerin und Widerstandskämpferin Zofia Kossak-Szczucka (1889-1968), „O zmierzchu nowele“ (dt. Geschichten bei Einbruch der Dunkelheit) von Zbigniew Topór-Krygler, einem Soldaten der Polnischen Heimatarmee, „Nowele wybrane“ (dt. Ausgewählte Kurzgeschichten) des polnischen Schriftstellers Bolesław Prus (1847-1912), aber auch 1948 eine 68-seitige Broschüre in deutscher Sprache, „Der kleine Betriebsberater in Organisationsfragen“ von Erich Gammelin.[39] 1948 stellte Starczewski erneut einen Lizenzantrag „für die Zeitschrift Strażnica (Zeitschrift in polnischer Sprache für Displaced Persons)“, die bis 1949 erschien.[40] Im selben Jahr meldete sich Starczewski in Celle mit unbekanntem Ziel ab, danach verliert sich seine Spur.[41]
[32] “Printed 1450 numbered copies of each, each series A and B” (Sammlung des United States Holocaust Museum, Washington, http://collections.ushmm.org/search/catalog/bib245657)
[33] PBA Galleries, San Francisco, Auktion vom 20.3.2008 (https://www.liveauctioneers.com/item/5017650_8-caricatures-by-stani)
[34] Widerstandsbewegung in der Kolonie Nowe Złotno. Informationen von Jacek Wystop, auf: Nasze Złotno (http://nasze-zlotno.strefa.pl/jacek-wystop.html). Ich danke Frau Brigitte Nenzel, Übersetzerin und Dolmetscherin, Bonn, für die Übersetzung ins Deutsche.
[35] Stadtarchiv Celle, Findbuch. Ich danke der Archivarin, Frau Sabine Maehnert, für die Auskunft.
[36] Starczewski, Tadeusz (prisoner number: 131167), born: 1911-08-09. Fate: 1. 1943-07-27, Auschwitz, arrived to camp. Sources: 1. Memorial Book Silesia, 2. Arbeitseinsatz (Gefangene des KZs Auschwitz, http://auschwitz.org/en/museum/auschwitz-prisoners/). Die von Starczewski genannte Häftlingsnummer stimmt mit dieser überein.
[37] Meldekarte, Findbuch, Stadtarchiv Celle.
[38] http://www.worldcat.org; http://katalog.nukat.edu.pl
[39] http://www.worldcat.org, Suchwort: Strażnica
[40] Dokument im Niedersächsischen Landesarchiv, Hannover: NLA HA Nds. 53 Nr. 299 (https://www.arcinsys.niedersachsen.de/arcinsys/detailAction.action?deta…)
[41] Meldekarte, Stadtarchiv Celle. – Über den weiteren Verbleib von Tadeusz Starczewski ist trotz intensiver Suche nichts bekannt (freundliche Mitteilung von Dr. Agnieszka Łakomy vom 5.3.2016).