Stanisław Toegel
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Stanisław Toegel - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
Einen Vergleich mit Künstlern der internationalen Karikatur-Szene braucht Toegel nicht zu scheuen. Seine Entwürfe sind, weil sie zu einem geschlossenen Zyklus gehören, in der Bildgestaltung aufwändiger, in den Porträts ausgefeilter und in der Kolorierung ambitionierter als Hitler-Karikaturen berufsmäßiger Zeichner, wie sie bis 1933 in deutschen Zeitschriften oder während der gesamten Hitler-Herrschaft in der internationalen Tagespresse erschienen. In Deutschland waren gezeichnete Satiren auf Hitler und die Nazibewegung bereits seit 1923 in der Münchner Satirezeitschrift Simplicissimus zu finden, unter anderem von Thomas Theodor Heine, Karl Arnold, Erich Schilling und Olaf Gulbransson. Schilling (1885-1945) wagte sich erstmals 1929 unter dem Titel „Adolf, ein verhinderter Diktator“ an eine ganzfigurige Karikatur Hitlers in Form eines Hakenkreuzes.[13] In der Münchner Literatur- und Kunstzeitschrift Jugend erschienen seit 1929 Karikaturen auf Hitler und die Nazis unter anderem von Erich Wilke („Hakenkreuzzug ins Heilige Land“, 1929), Josef Geis („Der Duce Adolf vor Gericht“, 1930) und in größerer Anzahl von dem Karikaturisten Herbert Marxen (1900-1954, „Legaler Hochverrat“, 1930; „Auf Posten vor dem Braunen Haus“, 1931).[14] Die weitaus schärfsten Hitler-Karikaturen waren in der sozialdemokratischen Satirezeitschrift Der wahre Jakob zu sehen. So erschienen im Heft vom 27. Februar 1932 allein acht großformatige Karikaturen auf die Nationalsozialisten, darunter auf dem Titelblatt „Schlächter Hitler“ von Karl Holtz (1899-1978, Abb. 9/14) und auf der Rückseite ein verfremdetes Hitler-Porträt des russischen Malers Jacobus Belsen (1870-1937, Abb. 9/15).[15] Der Zeichner Erich Ohser (1903-1944) veröffentlichte zwischen 1929 und 1933 in der sozialdemokratischen Zeitung Vorwärts zahlreiche Karikaturen auf Hitler und die nationalsozialistischen Schlägerbanden.[16]
Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten und der „Gleichschaltung“ der deutschen Presse erschienen im Simplicissimus und in der Jugend Hitler-Porträts nur noch in realistischer und übertrieben heroischer Form. Thomas Theodor Heine floh aus München und emigrierte, Arnold und Gulbransson arrangierten sich mit den neuen Machthabern, Schilling zeichnete fortan Propagandablätter im Sinne der Nazis.[17] Die Zeitschrift Jugend gab bereits Ende 1931 aus Rücksicht auf ihre Anzeigenkunden alle Angriffe auf die Nationalsozialisten auf. In der Folge wurde der Karikaturist Herbert Marxen im August 1932 entlassen.[18] Der wahre Jakob und der Vorwärts wurden 1933 verboten. Gleichzeitig entwickelten die Nationalsozialisten ein ganz besonderes Verhältnis zur Karikatur: 1933 gab der Auslandspressechef der NSDAP, Ernst Hanfstaengl, ein „vom Führer genehmigtes“ Buch mit dem Titel „Hitler in der Karikatur der Welt. Tat gegen Tinte“ heraus, in dem satirische Zeichnungen aus der deutschen und internationalen Presse auf 174 Seiten wieder abgedruckt und im Sinne Hitlers kommentiert, umgedeutet oder „richtiggestellt“ wurden. In diesem Buch erschien unter anderem eine Karikatur aus der 1933 in Amsterdam erschienenen jüdischen Zeitung Waak!, in der Hitlers Pakt mit dem Tod, den Toegel später umdeutete (Abb. 9/5), bereits vorformuliert wurde (Abb. 9/16). Hanfstaengl, der wegen kritischer Äußerungen 1937 liquidiert werden sollte, gelang die Flucht nach Großbritannien. Aber auch andere von Toegels Entwürfen haben Vorläufer wie beispielsweise Hitler als Friedensengel (Abb. 9/7): Anlässlich des Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieges steht dieser in einer Karikatur von Vaughn Shoemaker (1902-1991), die am 6.11.1937 in der Chicago Daily News erschien, auf dem asiatischen Teil der Weltkugel (Abb. 9/17). Bruce Russell (1903-1963), wie Shoemaker einer von zahlreichen Pulitzer-Preisträgern, die Hitler-Karikaturen veröffentlichten,[19] zeichnete am Ende des Krieges einen gealterten und erschöpften Hitler, der auf einem Vertreter des geknechteten deutschen Volks reitet (Abb. 9/18), und publizierte diese Karikatur im Juni 1945 in der Los Angeles Times. In Buchform veröffentlichten 1941 die britischen Zeichner Robert und Philip Spence eine Hitler-Parodie auf Grundlage des weithin bekannten „Struwwelpeter“ mit dem Titel „Struwwelhitler. A Nazi Story Book by Dr. Schrecklichkeit“, das neben Hitler-Karikaturen auch solche auf Goebbels, Göring, Stalin und Mussolini enthält.[20]
In Toegels zweiter Folge, „Hitleriada macabra“, kann nur das erste Blatt (Abb. 10/2) im strengen Sinn als Karikatur bezeichnet werden. Es zeigt Heinrich Himmler, welcher als Reichsführer SS durch die SS-Totenkopfverbände die Kontrolle über die Konzentrationslager hatte, als Henker (in der englischen und französischen Übersetzung als Schlachter) mit blutbesudelter Hose, Henkerbeil und Richtklotz vor dem Hintergrund eines KZs mit Schädelberg und Gehenkten. Vor ihm hängt die Schlinge, durch die er in Kürze seinen eigenen Kopf stecken wird, rechts steht bereits sein Denkmal mit der Überschrift „H. Himmler oprawca“ (dt. Folterknecht) und den Namen der Konzentrationslager. Karikaturen arbeiten, so die gängige Definition, mit den Mitteln der Vereinfachung und Übertreibung, also der Satire, menschliche Schwächen heraus, geben sie der Lächerlichkeit preis und fordern zum Lachen auf. In den folgenden Blättern, in denen Toegel mit den Mitteln der satirischen Zeichnung die Folter-, Mord- und Raubtaktiken der Nazischergen schildert, erkennt der Betrachter jedoch unmittelbar, dass es sich keineswegs um Satire, sondern um die ungeschönte Darstellung von Naziverbrechen handelt. Vernehmungen mit vorgehaltenem Gewehr und der Androhung des Schlagstocks (Abb. 10/3), Prügel-, Erschießungs- und Folterszenen gehören ebenso dazu wie das medizinische Experiment an einer Gefangenen. Satirische Elemente treten durch Beischriften hinzu, wenn Toegel das Erpressen eines Geständnisses durch die prügelnde Gestapo mit dem Slogan „Kraft durch Freude“, dem Namen der offiziellen NS-Freizeitorganisation, kommentiert (Abb. 10/4), wenn er das Erschießungskommando als „Scharfschützen“ (Abb. 10/5), die SS-Männer als „Rittertum und Stolz des deutschen Volkes“ (Abb. 10/8) persifliert oder wenn er dem „SS-Sadisten“ unterstellt, das Foltern bringe ihn zu Lachen (Abb. 10/6). Karikaturhafte Züge tragen hingegen die als „Komplizen der Deutschen“ bezeichneten ukrainischen Soldaten an der Mauer des Warschauer Ghettos (Abb. 10/7), der Wissenschaftler, der sich beim medizinischen Experiment als „Folterknecht“ entpuppt (Abb. 10/10) und die „Eroberer von Warschau“, die sich geraubte Kunstwerke als „Trophäen“ präsentieren lassen (Abb. 10/11).
[13] Erich Schilling: Adolf, ein verhinderter Diktator, in: Simplicissimus, 22. April 1929, Titelblatt (http://www.simplicissimus.info)
[14] http://www.jugend-wochenschrift.de
[15] Der wahre Jacob: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/wj1932?sid=70a81f212972cb3deef9…. Jacobus Belsen: http://library.fes.de/library/html/galerie/fesgalerie-kampf-brosch18.ht…
[16] Ausstellungs-Katalog Erich Ohser - e.o.plauen (1903-1944). Der politische Zeichner, Vogtlandmuseum Plauen 2004, Seite 15-22
[17] Zu Erich Schilling vergleiche Axel Feuß: Karikatur und Propagandablatt. Darstellungsformen im Grenzbereich zweier Bildgattungen, in: Klaus Herding, Gunter Otto (Herausgeber): „Nervöse Auffangsorgane des inneren und äußeren Lebens“. Karikaturen, Gießen 1980, Seite 318-336
[18] Ausstellungs-Katalog Politisch inkorrekt. Der Flensburger Karikaturist Herbert Marxen (1900-1954), bearbeitet von Axel Feuß, Museumsberg Flensburg 2014, Seite 41
[19] Erika J. Fischer / Heinz-D. Fischer: Die Entlarvung Hitler-Deutschlands. Das Dritte Reich in Karikaturen von Pulitzer-Preisträgern, Berlin 2008
[20] Struwwelhitler. A Nazi Story Book by Dr. Schrecklichkeit. Eine Parodie des Original-Struwwelpeter von Robert und Philip Spence. Mit einem Vorwort von Joachim Fest, Reprint Berlin 2005, Nachdruck 2014 (Erstausgabe 1941)