Stanisław Toegel
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Stanisław Toegel - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
Toegel gab 1947 in Starczewskis Verlag Strażnica einen weiteren Zyklus von fünfzehn Karikaturen heraus, diesmal im Schwarzweißdruck, in Heftform und mit Kapitelband unter dem Titel „Olymp of Today“, dessen einziges heute bekanntes Exemplar in der Polnischen Nationalbibliothek den Stempel der Polish Combatants' Association (Stowarzyszenie Polskich Kombatantów) – Branch in the British Zone trägt. Die Folge zeigt Karikaturen internationaler politischer Führungspersönlichkeiten der Zeit, denen er Namen aus der griechisch-römischen Mythologie gab und die er in antike Phantasiekostüme kleidete. Beschäftigt sind sie mit der Errichtung einer friedlichen neuen Welt (Abb. 12/1-12/4).
Als letztes Werk von Toegel in Deutschland erschien ebenfalls 1947 im Verlag Strażnica ein Heft für Kinder mit dem Titel „Przygoda Kosmatki“ (dt. Zottelchens Abenteuer) mit Text von Rozmaryna Łozińska[42] und Illustrationen von Stanisław Toegel (siehe PDF). Die Titelfigur Zottelchen (Kosmatka) ist wie ihre Schwestern Streifelchen, Flügelchen, Dickbäuchlein und Honigbienchen, die im polnischen Original Pasiatka, Skrzydlatka, Gruby Brzuszek und Mioduszka heißen, eine Biene, die meint alles zu können: auf das Haus aufzupassen, Gefahren abzuwehren und erfolgreich zu arbeiten. Als die diebische Wespe Osa-Złodziejosa das Haus angreift und Regen die Honigernte verhindert, versagen die Schwestern kläglich und werden von Zottelchen verspottet. Den Angriff der kleinen schwarzen Ameise Mrówka-Czarnówka kann jedoch auch Zottelchen nicht abwehren, verliert ihren Honig, wird von den Schwestern aber nicht gescholten, sondern getröstet und verspricht: „Nie wieder werde ich jemanden necken. Ich will gut zu allen sein.“[43]
Es ist offensichtlich, dass das Heft den erstmals 1912 veröffentlichten Roman „Die Biene Maja und ihre Abenteuer“ von Waldemar Bonsels zum Vorbild hat, der in Polen den Titel „Pszczółka Maja i jej przygody“ trägt und auch dort seit den 1920er-Jahren in verschiedenen Ausgaben erschien. Nicht nur geben die Bienen als Hauptdarsteller und das Titelwort „przygoda“ einen ersten Hinweis. Auch andere Figuren aus Bonsels Roman wie die alles wissende Erzieherin Kassandra, die Räuberbande der Ameisen und das kriegerische Volk der Hornissen haben Łozińska und Toegel im Sinne einer sehr viel kürzeren Fassung umgedeutet. Toegel vermenschlichte in seinen leuchtend farbigen Illustrationen die Insekten, indem er sie nicht nur mit weiblichen Köpfen und Frisuren der Zeit, sondern sogar mit Stahlhelm und Gewehr ausstattete, als der Angriff der diebischen Wespe zu illustrieren war. Es sind ähnlich sorgfältig geschminkte Damen, wie er sie für seine Folge „Polski wojak na obczyźnie“ (Abb. 11/4) und für die privaten Karikaturen mit polnischen und amerikanischen Soldaten porträtierte. Die übergroße Darstellung von Gräsern, Sträuchern und Blumen, die allgemein bei Kinderbüchern geläufig ist, hat Toegel aus keiner der bis zu diesem Zeitpunkt erschienenen Ausgaben des originalen Biene-Maja-Romans übernommen.[44] Sie ähnelt jedoch auffällig einem in den 1920er-Jahren entstandenen Brettspiel mit dem Titel „Die Biene Maja“, das die Kinderbuchillustratorin Else Wenz-Viëtor (1882-1973) mit fünfundvierzig Bildern illustrierte (Abb. 13),[44] und das vielleicht irgendwo in Toegels Umgebung vorhanden war.
Bei Strażnica erschien auch eine deutsche Ausgabe des Kinderhefts, deren Titel „Ein Märchen von dem Bienchen ‚Meja‘“ noch deutlicher auf Bonsels‘ Vorbild verweist (siehe auch PDF). Sie verschweigt die Namen der beiden Urheber Łozińska und Toegel aus welchen Gründen auch immer, wobei Toegel als Illustrator jedoch leicht aus den Signaturen der Bilder zu entschlüsseln ist. Bei geringfügig anderer Textverteilung sind die Unterschiede zum polnischen Original gering. Mejas Schwestern heißen nun Zottelchen, Stockelchen, Honiglein, Dickelchen und Nickelchen, und Meja resümiert am Ende: „Nie wieder will ich die anderen plagen oder etwas Böses sagen!“
1948 ging Toegel nach Polen zurück, blieb für einige Zeit in Breslau und siedelte sich dann in Bytom an. Dort starb er 1953 im Alter von nur achtundvierzig Jahren an einer Krebserkrankung. Drei Monate vor seinem Tod wurde sein erster und einziger Sohn geboren. 2015 ehrten Ausstellungen im Oberschlesischen Museum in Bytom (Muzeum Górnośląskie w Bytomiu, Abb. 14) und im Warschauer Museum für Karikatur (Muzeum Karykatury im. Eryka Lipińskiego w Warszawie) das Lebenswerk des Künstlers.
Axel Feuß, April 2016
[42] Ob es sich bei Rozmaryna Łozińska um die Soldatin der Polnischen Heimatarmee Maria Bronisława Łozińska mit dem Decknamen Rozmaryna handelt (1944 Chefin der VI. Abteilung des Biuro Informacji i Propagandy [dt. Büro für Information und Propaganda] bei der Bezirkskommandantur Kielce, Redakteurin der Zeitschriften Prawda Polska [dt. Die Polnische Wahrheit] und Prawda Polska. Komunikat [dt. Die Polnische Wahrheit. Kommuniqué]), bleibt Spekulation (http://akokregkielce.pl/lozinska-maria-bronislawa-rozmaryna.html).
[43] Die polnischen Namen der Insekten sind von ihren Eigenschaften abgeleitet: kosmaty (dt. zottelig), pasiaty (dt. gestreift), skrzydlaty (dt. geflügelt), gruby brzuszek (dt. dickes Bäuchlein) und so weiter. Übersetzungen von Brigitte Nenzel, Übersetzerin und Dolmetscherin, Bonn.
[44] Illustrierte Ausgaben des Romans „Die Biene Maja und ihre Abenteuer“ erschienen seit den 1920er-Jahren mit Illustrationen von Fritz Franke, Franziska Schenkel, Ottmar Frick und Waltraut Frick-Kirchhoff, die alle einen völlig anderen Charakter als Toegels Illustrationen haben. Ähnlich wie Toegel illustrierte der Künstler Anton Kolnberger (1906-1976) die Pflanzenwelt des Romans. Die von ihm illustrierte Ausgabe erschien jedoch erst 1953.
[45] Brettspiel „Die Biene Maja“, 1920er-Jahre. Einzig autorisierte Ausgabe nach dem Märchen von Waldemar Bonsels, mit 45 Bildern von Else Wenz-Viëtor, Verlag Otto und Max Hausser, Ludwigsburg, um 1921-1930. Exemplare im Spielzeugmuseum Nürnberg und im Museum Europäischer Kulturen, Berlin, sowie im Handel.
Veröffentlichte Werke von Stanisław Toegel:
Album karykatur politycznych. Vorwort von Mirosław Ogórek, Lwów (Lemberg): Druk. Narodowa, 1932 (Polnische Nationalbibliothek / Biblioteka Narodowa, Warschau: A.5779/Repr.XX/IV-352)
Hitleriada furiosa, Celle: Antoni Markiewicz, 1946 (Polnische Nationalbibliothek / Biblioteka Narodowa, Warschau: A.2176/Repr.XX/IV-67)
Hitleriada macabra, Celle: Antoni Markiewicz, 1946 (Polnische Nationalbibliothek / Biblioteka Narodowa, Warschau: A.2174/Repr.XX/IV-65)
Polski wojak na obczyźnie, Celle: Wydawnictwo Antoniego Markiewicza, 1946 (Polnische Nationalbibliothek / Biblioteka Narodowa, Warschau: A.2195/Repr.XX/IV-77)
Olymp of Today, Celle: Strażnica, 1947 (Polnische Nationalbibliothek / Biblioteka Narodowa, Warschau: A.4932/Repr.XX/II-376)
Rozmaryna Łozińska: Przygoda Kosmatki. Illustrationen von Stanisław Toegel, Celle: Wydawnictwo „Strażnicy“, 1947 (Polnische Nationalbibliothek / Biblioteka Narodowa, Warschau: 1.980.926 A Cim.)
Ein Märchen von dem Bienchen „Meja“, Celle: Verlag „Strażnica“, 1947 (Privatbesitz)
Literatur:
Ausstellungs-Katalog Hitleriada Furiosa. Hitleriada Macabra. Karikaturzyklen von Stanisław Toegel, Deutsches Polen-Institut, Darmstadt 2005
Marcin Hałaś: Karykaturzysta odkryty na nowo, in: Życie Bytomskie, 18.5.2015, Seite 13
Maciej Droń: Stanisław Toegel. Karykatury wojenne i polityczne, auf: silesiakultura.pl, 18.5.2015, http://www.silesiakultura.pl/r/miasta/bytom/bytom/stanislaw-toegel-karykatury-wojenne-i-polityczne
Marcin Hałaś: Zapomniany karykaturzysta ze Lwowa, in: Polska Niepodległa, 30.8.2015
Webseite „Stanisław Toegel private Memorial Exhibition”, Regina Zienczyk, Bad Dürkheim: www.art-division.de