Monika Czosnowska
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Etliche der genannten Merkmale für ein Porträt, ein privater Auftrag oder öffentliches Interesse, die Kenntnis des wirklichen Namens, aber auch das Mitwirken der Porträtierten an der Kleidung oder anderen erkennbaren Kennzeichen ihrer Persönlichkeit sind bei Czosnowska außer Kraft gesetzt. Ihre Bilder sind für den außenstehenden Betrachter nicht Bildnisse einer „bestimmten Persönlichkeit“ wie Schramm definiert, sondern allesamt Bilder des allgemein Menschlichen, eines Ideals an traditionellen Werten wie „Unberührtheit, Anmut und Reinheit“: „Ich möchte diese Werte, die meine Kindheit geprägt haben“, sagt Czosnowska, „in meinen Bildern festhalten, zumal ich denke, dass sie in den letzten Jahren ein wenig aus der Mode gekommen sind.“[16] Nur für die Porträtierten selbst, für ihre Verwandten und Freunde, sind diese Aufnahmen, die sie in einem Exemplar besitzen und das die meisten von ihnen in einem flüchtigen Stadium der Entwicklung zeigt, echte Porträts, und zwar Porträts, die sie vielleicht nicht einmal mögen, weil sie darauf nicht fröhlich und nicht in ihren „Lieblingsklamotten“ zu sehen sind.
Auch bei dem ungewissen Status von Czosnowskas Bildnissen gibt es Berührungspunkte mit der Malerei. Seit der Renaissance haben Künstler Porträts wirklich existierender Personen zur Darstellung von Allegorien und Personifizierungen, von Berufen, in Liebes- ebenso wie in Massenszenen eingesetzt, indem sie bezahlte Modelle Porträt sitzen ließen oder früher gezeichnete Porträtskizzen aus Blättern und Heften als Vorlagen für repräsentative Gemälde verwendeten. In der Zeit des niederländischen Barocks, als sich fast jeder Bürger Gemälde zur Befriedigung seiner Liebe zur Kunst und zur Ausgestaltung der eigenen Wohnräume leisten konnte, entwickelte sich parallel zum Porträt die Genredarstellung. Das sind Bilder von Menschen, meist Frauen, in Wohnräumen, bei einfachen Tätigkeiten, der häuslichen oder bäuerlichen Arbeit oder beim Warten auf ein Schiff. „Alle diese unbedeutenden Figuren“, schreibt Johan Huizinga in seiner berühmten Studie über die niederländische Kultur des 17. Jahrhunderts, „scheinen weit aus der gewöhnlichen Wirklichkeit entrückt zu sein in eine Sphäre von Klarheit und Harmonie, wo das Wort nicht mehr klingt und der Gedanke keine Form annimmt. Ihr Tun ist voll Geheimnis, wie man in einem Traum wahrzunehmen glaubt.“[17] Huizinga schreibt hier über Vermeer, bei dem sich – denken wir an „Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“ – ein Porträt, vermittelt durch die Darstellung des Alltags und des Genres, offenbar zu einer Allegorie allgemein gültiger, innerer menschlicher Werte verdichten kann.