Monika Czosnowska
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Natürlich muss erwähnt werden, dass in den Gemälden der Symbolisten den Protagonistinnen zahlreiche Attribute, also symbolisch zu verstehende Gegenstände, und üppige Bildhintergründe zugeordnet sind, während die Modelle von Czosnowska ohne diese Symbole, in ausgesprochen einfacher Kleidung, meist ohne Schmuck und vor einfarbigem Hintergrund daherkommen. Wer lange genug sucht, würde sicher weitere Vorbilder aus anderen Epochen der Porträtmalerei finden. Darum kann es aber nicht gehen. Denn Czosnowska hat nach eigener Aussage niemals konkrete Werke der Malerei im Blick, wenn sie ihre fotografischen Bildnisse arrangiert. Jedoch wähle sie in der Regel, wie sie zu Protokoll gibt, das Halbprofil, wobei Kopfneigung und Schulterhaltung klassischen, ruhigen Posen entsprächen.[7] Das Halbprofil ist seit der Renaissance die gängige Form des Bildnisses, wobei zu dieser Zeit Kopf und Körper noch gleich ausgerichtet waren, man denke an Beispiele von Hans Holbein (1497/98-1543) oder Lucas Cranach (1515-1586). Erst im Barock werden Körper und Kopf gegeneinander verdreht, wobei der Blick eine weitere Drehung, meist am Betrachter vorbei, vollzieht. So ist es bei Vermeer und in der Folge bei Czosnowska der Fall. Auch Rembrandts jugendliches „Selbstbildnis mit Halsberge“ (um 1629, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg) wäre ein treffendes Beispiel, dessen gesamte Haltung in den fotografischen Porträts von „Jan“ (Abb. 22) aus der 2008 entstandenen Serie „Eleven“ (Abb. 18-27), bei „August“ (Abb. 18) sogar mit der Form der Nase, der Augenbrauen und einem Ansatz der Stirnlocke wiederkehrt.
Czosnowska findet ihre Modelle in geschlossenen sozialen Verbänden wie Schulklassen, Knabenchören, Pfadfindergruppen oder Klostergemeinschaften, aus denen sie einzelne Protagonisten auswählt. In der Regel fährt sie dazu nach Polen. Die neue Serie „Eliten“ (Abb. 40-47) ist an einem Sportgymnasium in Berlin entstanden. Einzelmodelle (Abb. 1-8) findet sie aber auch auf der Straße: „Ich halte die Augen ständig offen, scanne Gesichter, bin permanent auf der Suche nach der richtigen Physiognomie, dem richtigen Ausdruck, der richtigen Haltung, die genau in meine Bilder passt. Wenn der Funke dann überspringt, wenn ich das richtige, das noch fehlende Gesicht sehe, verdichtet es sich für mich, vor meinem inneren Auge, bereits zu dem späteren Bild.“[8] Nicht nur ihre Reisen nach Polen gelten Gesichtern, die sie aus ihrer frühen Kindheit kennt. Auch in Deutschland spreche sie unbewusst, so Czosnowska, immer wieder slawisch aussehende Typen an. Diese Physiognomien würden sie an ihren Ursprung erinnern, sagt sie, mit ihnen verbinde sie innere menschliche Werte wie Unberührtheit, Unschuld oder Reinheit. Die Darstellung dieser Werte, nicht die konkreten Personen, würden sie bei ihrer fotografischen Arbeit interessieren. Makellosigkeit und Unversehrtheit, so möchte man ergänzen, ja innere Schönheit sprechen aus ihren Bildern.