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Józef Brandt

Bolesław Szańkowski (1871/73-1953): Porträt Józef Brandt, 1910. Öl auf Leinwand, 162 x 112 cm, Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie, Inv. Nr. MP 961

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Bolesław Szańkowski (1871/73-1953): Porträt Józef Brandt, 1910.
Bolesław Szańkowski (1871/73-1953): Porträt Józef Brandt, 1910. Öl auf Leinwand, 162 x 112 cm, Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie, Inv. Nr. MP 961

Bei den Genrebildern nimmt Brandt Jagdszenen neu in sein Repertoire auf, die ebenfalls das Volksleben der Ukraine widerspiegeln (Abb. 35, 39), in die er aber auch eigene Erfahrungen einfließen lässt (Abb. 56). Beim „Markt in Białka“ (1885, Abb. 36), der verschiedene gleichnamige Orte in der Ukraine (Belka, Bilka, Belika) betreffen kann, steht der Betrachter unmittelbar vor dem Verkaufsgeschehen auf einem ländlichen Markt in der Steppe, bei dem ein Orientale aus seiner am Boden liegenden Auswahl an bunten Teppichen, Schuhen, Musikinstrumenten und Schalen einen Sattel anbietet, dessen Geschirr zwei mit Pferden angereiste Kaufleute interessiert betrachten. Ein mehrfach variiertes erzählerisches und zugleich dramatisches Motiv ist die Begegnung zweier Pferdegespanne auf der Brücke (1886, Abb. 37) oder auf dem Deich (1890, Abb. 43), bei denen ein auf den Betrachter zu rasender Mehrspänner rücksichtslos ein in Gegenrichtung fahrendes Bauernfuhrwerk in die Uferböschung drängt. Dazu gehören auch Einzelstudien (Abb. 38) und Bilder mit nur einem „Fliehenden Pferdegespann“ (um 1900, Abb. 55). Volkskundlichen Charakter hat eine großformatige „Kosakenhochzeit“ zu Pferde mit singenden und musizierenden Reitern (1893, Abb. 46), die gleichzeitig mit den entsprechenden militärischen Bildern entsteht.

Seit den 1890er-Jahren malt Brandt wieder wandfüllende Historiengemälde. Zu Anfang des Jahrzehnts entsteht das motivisch nicht mehr vollständig zu entschlüsselnde Bild „Unserer Lieben Frau von Poczajów“ (um 1890, Abb. 44, 45), früher auch unter der Titeln „Das Gebet“ oder „Gottesmutter von Armenien“ bekannt, welches das Abend- oder Morgengebet gläubiger Menschen in der Ukrainischen Steppe vor dem an einem Wagen aufgehängten und von einer Laterne beleuchteten Gnadenbild zeigt. Die vom Ende des 16. Jahrhunderts stammende Ikone der Gottesmutter aus dem Mariä-Entschlafens-Kloster in Poczajów/Potschajiw soll sich vorübergehend in der armenischen Kathedrale von Kamieniec Podolski/Kamjanez-Podilskyj befunden haben, wurde später zurückgegeben und errettete das Kloster Potschajiw, so die Legende, 1675 aus einer Belagerung durch osmanische Truppen. Brandt erweist sich hier als bedeutender Kolorist, der nicht nur die Figuren und die Szenerie, sondern auch die Natur durch eine ausgeklügelte Beleuchtung charakterisiert. Dies ist ebenso bei dem in München („Monachium“) entstandenen Monumentalgemälde „Die Abfahrt von Johann III. und Marysieńka Sobieska aus Wilanów“ (1897, Abb. 50) der Fall, das die von Fackeln und Laternen beleuchtete Abreise des polnischen Königspaars Johann III. Sobieski/Jan III Sobieski (1629-1696) und  Maria Kazimiera Sobieska (geborene de la Grange d’Arquien, 1641-1716), genannt Marysieńka, im Pferdeschlitten aus dem Warschauer Palast von Wilanów zeigt. Das Gemälde ist im Entstehungsjahr auf der VII. Internationalen Kunstausstellung im Münchner Glaspalast ausgestellt und wird von der Kritik positiv beurteilt: „Um so glaubwürdiger sieht J. v. Brandts große ‚Königs-Schlittenfahrt‘ aus, die bei aller Pracht durchaus wahr anmutet, weil die Charaktere vom König Sobieski bis zum letzten Trabanten so echt polnisch gerieten, das man unbedingt an sie glaubt.“[64] Eine weitere, vier Meter Breite messende Fassung dieses Motivs (Abb. 51), zu der sich eine Vorstudie im Münchner Lenbachhaus befindet (Abb. 52), ist summarischer gemalt und lässt die dramatischen Lichteffekte vermissen.

 

[64] Die Kunst für alle. Malerei, Plastik, Graphik, Architektur, Band 12, 1896-1897, Seite 336; Digitalisat: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kfa1896_1897/0420; doppelseitige Abbildung Seite 132; Digitalisat: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kfa1896_1897/0418  (beide aufgerufen am 25.11.2017)