Das letzte Jahr von General „Grot“ Rowecki
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Heute weiß man nicht mehr, in welcher der 80 Zellen Stefan Rowecki anfangs inhaftiert war (es könnte die Nr. 71 gewesen sein) und warum er im Januar 1944 in die Zelle Nr. 50 neben dem SS-Büro verlegt wurde. Tatsache ist, dass das Fenster dieser Zelle nicht auf den Ausgehhof ging, was den Kontakt mit anderen Häftlingen wesentlich erschwerte. Vermutet wird,[5] dass die Verlegung wegen der geplanten Flucht stattgefunden hat oder/und im Zusammenhang mit der Meldung eines ukrainischen Häftlings stand, der behauptete, die Banderisten [Anhänger von Stepan Bandera – Anm. d. Übers.] planten, den General zu ermorden und seinen Tod wie einen Selbstmord aussehen zu lassen.[6]
In Sachsenhausen hatte General Rowecki, ähnlich wie in Berlin den Status eines „Ehrenhäftlings“, so dass er seine Zivilkleidung tragen durfte, besseres Essen, die sogenannte „Truppenkost“, bekam, die den SS-Wachmännern vorbehalten war und mit seiner Familie korrespondieren durfte. Die insgesamt fünf Briefe an seine Cousine Halina Królikowska, geb. Chrzanowska, sind wertvolle historische Dokumente, das nur dank der Courage seiner Verwandten aus den Kriegswirren gerettet wurden. Sie legen ein wertvolles Zeugnis vom Lagerleben des Generals ab, von seiner Sorge um die nächsten Angehörigen sowie in verschleierter Form vom Schicksal der Heimatarmee. Mit Genehmigung der Deutschen durfte „Grot“ auch Pakete mit Lebensmitteln, Kleidung und Medikamenten empfangen.
General „Grot“ litt bereits lange an einer Lebererkrankung. In Sachsenhausen verschlechterte sich seine Gesundheit enorm. In einem seiner Briefe bittet er um die Übersendung von Obst „und etwas aus Gemüse (aber ohne Erbsen und Kohl), getrocknete Pflaumen, Marmelade, Heidelbeeren.“[7] In der „Notiz für den Arzt in Warschau“, die er seinem Brief im Februar 1944 beigelegt hat, klagt er darüber, dass die Untersuchungen, die im Dezember in Berlin durchgeführt wurden, völlig wirkungslos geblieben sind. Dem General wurden weder die Ergebnisse noch eine Diagnose mitgeteilt. „Kurz darauf wurde ich darüber informiert, dass man nichts Böses, nichts was auf eine Grunderkrankung hindeuten würde gefunden hat.“[8]
[5] Harro Thomsen soll bei seiner Vernehmung in Nürnberg 1948 gesagt haben: „die Gestapo besaß allgemeine Informationen, dass General Rowecki illegale Kontakte zu einem Häftling im Zellenbau unterhielt“, in: Żenczykowski, S. 49.
[6] Darüber schreibt Tomasz Szarota in seinem Buch Stefan Rowecki ‚Grot‘, S. 246–248, 258–261. Der Autor bezieht sich unter Vorbehalt auf den Artikel von Edward Prus Generał Rowecki „Grot“ i ludzie Bandery, in: „Życie Literackie“, Nr. 2, 1974, in dem ohne Umschweife vom Verrat der Ukrainer und von dem geplanten Mordanschlag zu lesen ist.
[7] Żenczykowski, S. 61 ff.
[8] Ebenda.