Janina Musiałczyk. W drodze, unterwegs
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Stimmen von Menschen, die die Künstlerin auf ihrem Weg begleitet haben:
Suche nach der perfekten Komposition
Janina Musiałczyk, für uns INKA. Vor 20 Jahren habe ich das kleine Künstlerbuch von Inka bekommen, „Zeichnungen und Texte”, mit reduzierten, fast trockenen kurzen Texten über ihren Weg von Polen nach Hamburg. Ich habe während des Lesens geweint, einfach geweint. Ich konnte mich nicht kontrollieren. Dank ihrer minimalistischen Mittel ist es Inka gelungen, ein ernstes Thema, MIGRATION, sehr tief anzupacken. Ich habe noch ein paarmal dieses kleine Buch gelesen und wieder geweint.
Natürlich gibt es schöne, ausbalancierte bunte Flächen in Inkas Malerei. Man spürt eine unglaubliche Konsequenz und Sturheit in ihrer Suche nach einer perfekten Komposition. Ja, wegen Inkas Umgang mit Farben bin ich als Maler immer etwas neidisch. Man spürt bei Inka eine große Liebe zur Farbe und einen großen Respekt vor der Malerei, aber gleichzeitig eine Bescheidenheit in der Berührung mit der Kunst. Vielleicht hat das ihr Professor aus Łódź, Stanisław Fijałkowski, vermittelt.
– Wiesław Smętek, Illustrator, Maler, Zeichner und Freund von Janina Musiałczyk. Seevetal, 2023 –
Kunstlehrerin in Łódź
Ich war acht Jahre alt, als mein Vater mich zu einem Kunstunterricht brachte, der von einer außergewöhnlichen Frau geleitet wurde, die in wöchentlichem Rhythmus für die nächsten zehn besonders prägenden Jahre einen gewaltigen Einfluss auf mich ausübte. Es folgten vierzig weitere Jahre unserer Begegnungen sowohl in Briefen als auch in einem flüchtigeren, gedanklichen Austausch.
– Piotr eL. Częstochowa, 2023 (Übersetzung aus dem Polnischen: F.L./Z.M.) –
Kunstlehrerin und wunderbarer Mensch
Inka Musiałczyk ist eine der wichtigsten Personen in meinem Leben, der ich sehr viel verdanke. Schon aus meinem Elternhaus in Polen nahm ich das Interesse und die Affinität zur Kunst mit. So bin ich dann in einem Alter, das mich als Mensch geprägt hat und mich vor Entscheidungen über meinen weiteren Lebensweg stellte, nämlich als 16/17-Jähriger, in der Kunstklasse von Inka Musiałczyk gelandet. Dort war es mir gegeben nicht nur die hervorragende Kunstlehrerin kennen zu lernen, sondern auch einen wunderbaren Menschen. Nach einigen Jahren Pause, die nur durch seltene Briefe unterbrochen wurde, konnte ich in Deutschland, wo ich seit Jahren lebe und als Papierrestaurator arbeite, Inka wieder treffen. Die Relation zwischen Lehrerin und Schüler hat sich in eine starke Freundschaft verwandelt. Inka bereichert mein Leben nicht nur mit ihrer Kunst, die ich sehr schätze, sondern sie hat stets auch ein offenes Ohr und gibt, wenn nötig, guten Rat.
– Krzysztof Nast M.A., Restaurator. Kleve, 2023 –
„Sie verkörperte für uns die Welt der Kunst“
Der Palast der Jugend/Pałac Młodzieży in Łódź, untergebracht in einem schönen modernistischen Bauwerk im Stadtzentrum, war der Ort vieler kreativer Werkstätten, unter anderem eines Ateliers für bildende Kunst, geleitet von Janina Musiałczyk.
Es war ein Ort künstlerischer Initiation, Inspiration und Begegnung mit ähnlich empfindsamen Gleichaltrigen. Einige von uns blieben Freunde fürs Leben.
Zur Einweihung in die Kunst gehörten Zeichnen, einfache grafische Techniken wie Monotypie, erst dann Malerei vom Aquarell bis hin zur ersehnten Herausforderung: Ölfarben und Malen auf Leinwand an der Staffelei. Sinnlich und geheimnisvoll klingende Namen von Farben auf der Palette: Ultramarin, Pariser Blau, Ägyptisch Blau, Ocker, Umbra, Satinober, Veronesergrün … Begriffe und Grundlagen der Bildkomposition, Denken vermittels Symbolen und grafischer Zeichen im Plakat, Realismus der Verbildlichung und abstraktes Denken. Studienreisen, Gespräche über Kunst, ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einem außergewöhnlichen Ort. Diese Versuche standen unter der Obhut von Janina Musiałczyk, Inka. Schön, freundschaftlich, klug, stilvoll wie ein Hauch künstlerischer Vollendung. Wir himmelten sie an. Sie verkörperte für uns die Welt der Kunst, zu der wir hinstrebten. Sie war es, die die Atmosphäre dieser wirkmächtigen Werkstatt geschaffen hatte. Sie war vor allem eine begnadete Lehrerin. Später schenkte sie uns, einer Gruppe ihrer Schüler, ihre Freundschaft.
Das Schaffen von Janina Musiałczyk lernte ich so richtig erst später kennen, und es überraschte mich. Es war keine oberflächliche Ästhetik, obschon es in ihrer Malerei schöne, farblich erlesene, subtile Kompositionen gibt.
Es ist existenzielle Kunst, aufrichtig, persönlich, zuweilen beinah schmerzend. Das Protokollieren der Wanderschaft, ja, des Umherirrens, fehlender Verwurzelung, was die Titel der Arbeiten spiegeln (etwa „Kommen, werden, gehen“). Das Motiv des auf dem Rücken getragenen oder auf Rädern gezogenen Hauses, die ganze eigene Welt gepackt in einen Koffer, auf einer Karre, in einem Bündel, die Chiffre des Hauses, das wieder und wieder einzurichten ist, unterwegs, in „Mieträumen“, im Suchen nach einer Anlegestelle.
Zeichnungen, die Verwicklungen mit dem Anderen und sich selbst veranschaulichen, im Guten wie im Schlechten, in Liebe und Streit, Verstrickungen, der Kopf auf dem Rücken getragen wie ein Sorgenbuckel, Begegnungen und Trennungen unterwegs. Emotionen gebannt in Kurzdramen, wie kleine Theater-Szenen.
Besonders mag ich die zeichnerischen (Selbst-) Bildnisse, wo auf dem Brustkorb oder auf dem Bauch ein zweites Gesicht erscheint, wie ein die Welt verstohlen beobachtendes inneres Kind oder ein wach gewordener innerer Beobachter.
Für diese existenzielle, diesseitige Meditation hat Janina Musiałczyk eine raue, vereinfachte Form gefunden, die die Beobachtung schärft, das Beobachtete schärfer hervortreten lässt. Der Mut zur Aufrichtigkeit, der Mut, die innere, inwendige Welt zu zeigen in all ihrem existenziellen Ringen, machen den ungewöhnlichen Wert dieser Kunst aus. Sie ist ein Spiegel, der das universale, uns allen gemeinsame Schicksal zurückwirft.
– Małgorzata Misiowiec, Grafikdesignerin. Łódź, 2023 (Übersetzung aus dem Polnischen: F.L./Z.M.) –
Als Lehrerin und Mentorin in Hamburg
Schicksalsbegegnung: Mein Blick auf Malerei, Zeichenkunst und Komposition wurde von Janina Musiałczyk im tiefsten Sinne erweitert und wird bis heute mit der ihr eigenen empathischen Kompetenz begleitet.
– Rosemarie Burmeister, Studienrätin, Schriftstellerin und Malerin. Hamburg, 2023 –
„Vertrauen in unser Können“
Unsere Lehrerin Janina: Aufgabenstellungen, die uns größtmögliche Freiheit ließen, sie umzusetzen; persönliche einfühlsame Anleitung und Begleitung, getragen von dem wahrhaftigen, leidenschaftlichen Wunsch, dass wir zu unserem eigenen Ausdruck und Stil finden; ansteckendes Vertrauen in unser Können. Ich habe von dem Menschen und der Künstlerin Janina sehr viel gelernt, auch über mich selbst, und bin Ihr dankbar verbunden.
– Remda Saborowski, Schülerin für Zeichnung, Malerei und Komposition der Kunstschule von Janina Musiałczyk von 1990 bis 2008. Wedel bei Hamburg, 2023 –
Eine Brücke zur Kunst
Janina Musiałczyk ist eine meiner wichtigsten Lehrerinnen. Sie hat eine Brücke für mich zur Kunst gebaut, die mir in meinem Studium der visuellen Kommunikation gefehlt hat. Sie war als Lehrerin immer inspirierend und sehr genau in ihren Anmerkungen. Ich habe sie heute noch im Ohr, wenn ich arbeite. Auch ihr ermunterndes ‚mach mal weiter‘, wenn es nicht so gut lief. Sie war immer großzügig mit ihrem Wissen und Kontakten, hat Einblicke in ihre Arbeit und ihr Leben gewährt. Ihr Blick auf die Welt hat meinen Blick erweitert und sicherlich hat mich ihr Stil, speziell beim Zeichen geprägt.
– Silke Storjohann, freie Fotografin. Hamburg, 2023 –
„Das jahrelange Miteinander“
Ich war nie eine Schülerin von Janina Musiałczyk. Und doch, das jahrelange Miteinander, geführt durch Freundschaft und das künstlerische Dasein, hat mich geprägt und gelehrt. Ihre tiefgründigen Arbeiten berühren mich seit jeher so sehr, dass ich sprachlos werde, wenn ich vor den zarten und doch so starken Strichen in ihren grafischen Bildern stehe. Sie ist und war stets sehr konsequent, positiv streng und heimatverbunden. Die Themen eines „vom Gefühl angefüllten Menschen“, so herzlich, so tief, manchmal zerrend traurig, aber doch so menschlich … einfach großartig! Wir sind Kusinen, ihre Mutter und mein Vater waren Geschwister. Wir kamen uns erst im erwachsenen Leben nah, doch das Gefühl der Verbundenheit haben wir durch Kunst, durch ihre Kunst, gewonnen.
– Agata Schubert-Hauck, Künstlerin. Berlin, 2023 –
Erinnerungen an Janina Musiałczyk aus Paris
Hattest du das Glück, als junger Mensch in Paris gelebt zu haben,
dann bleibt es, wohin du für den Rest deines Lebens auch gehst, bei dir,
denn Paris ist ein bewegliches Fest.[83]
Hattest du das Glück, Inka als junger Mensch begegnet zu sein,
dann geht sie, wohin du für den Rest deines Lebens auch gehst, mit dir
wie ein bewegliches Fest.
In den zauberischen verwinkelten Gassen des beweglichen Fests ist alles möglich. An zauberischen Orten wird Vergangenheit hin und wieder zum heutigen Nachmittag. Und obgleich flüchtig, hat sie ihre Gestalt, ihr Gewicht und ihr Maß. Umgrenzt werden diese von Zeit und Ort. Doch haben Erinnerungen ihre Kraft, ihren Farbklang, ihren Rhythmus von Aufscheinen und unerwartetem Verschwinden. Derweil ich die Place de la Contrescarpe vom Pariser Restaurant Le Volcan aus beobachtete, sah ich den Schatten von Ernest Hemingways Schritten zu seiner Wohnung gehen.[84] Man konnte sein vom Wind hergetragenes Gespräch mit Gertrude Stein hören. Ein weiterer Hauch, diesmal von der Grünanlage des Santiago du Chili,[85] wehte ein leises Stimmchen her.
Kaum hörbar vernahm ich: Bitte zeichne mir ein Schaf.[86]
Unerwartet klangen die folgenden Worte schon etwas kräftiger: Bitte zeichne Erinnerungen auf.
Ich stand auf. Blickte um mich. Versuchte auszumachen, woher die Bitte kam. Fußgänger schritten eilig oder langsam, zuweilen gedankenverloren, an den zu dieser Stunde noch leeren Tischen vorbei.
Ich kehrte nicht mehr an den Tisch zurück, Herberts Rat eingedenk: Alles, was man am Tisch macht, erledige man kühl und sachlich.[87] Also setzte ich mich nicht mehr hin. Erinnerungen zeichne man nicht kühl und sachlich auf.
Inkas zauberische Lehrstunden im Erleben von Kunst gehen uns nach, und sehen wir uns aufmerksamer um, so gewahren wir, dass sie uns unausgesetzt begleiten. Und uns zuweilen sogar vorauseilen. Erst später werden wir uns dessen bewusst, dass Inka unsere weiteren Schritte lenkte, auch in Zeiten, als sie weit weg war.
Nicht allein in der Beziehung Meister–Schüler war sie eine Freundin von außergewöhnlicher Autorität. Mit zartem Lächeln wies sie den Weg, ohne ihn jedoch ausdrücklich zu bezeichnen. Eigene Wahl und Deutung erlaubte sie. Selbstständige Entscheidungen erwartete sie. Mit warmer Stimme milderte sie Widerständigkeiten und Niederlagen, wartete geduldig, bis das Ziel erreicht war.
Man musste schnell erwachsen werden, um dieser Botschaft zu folgen und deren Sinn zu verstehen. Und dann und wann reicht es aus, die Augen zu schließen, um zu sehen — und sich zu konzentrieren, um den Zauber der Kunst zu fühlen.
Es war die schönste Lehrstunde im Entdecken von
Gemütsbewegungen, die verborgen sind in der Kunst.
Es war ein bewegliches Fest.
– Prof. dr hab. inż. arch. Marek Pabich, Leiter der Abteilung für Zeichnung, Malerei und Bildhauerei, Direktor des Instituts für Architektur und Stadtplanung, Technische Universität Łódź / Politechnika Łódzka, 2023 (Übersetzung aus dem Polnischen: F.L./Z.M.) –
[83] Ernest Hemingway: A Moveable Feast [Ruchome święto / Paris – Ein Fest fürs Leben], 1964.
[84] 74, rue du Cardinal Lemoine.
[85] In der Grünanlage Santiago du Chili steht die von Madeleine Tezenas du Montcel geschaffene Büste von Antoine de Saint-Exupéry.
[86] Antoine de Saint-Exupéry: Der kleine Prinz [Le petit prince 1943 / Mały książę 1947], 1950.
[87] Zbigniew Herbert: Ostrożnie ze stołem (Vorsicht mit dem Tisch), in: Studium przedmiotu (Studium des Gegenstandes), 1961.