Stefan Szczygieł. Das fotografische und filmische Werk
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In den Titeln der jeweiligen Großfotos benennt der Fotokünstler nicht nur den jeweiligen Gegenstand mit Hilfe einer pragmatischen Bezeichnung, sondern auch dessen Ort der Entstehung und Herkunft. Szczygieł betitelt in drei unterschiedlichen Sprachen: Deutsch (der Großteil der insgesamt knapp 250 fotografierten Objekte) sowie Polnisch und Englisch. So lauten die Titel schlicht: „Coin“ (Münze) oder „Feuerzeug“ und „Lighter, Latarka“ (Taschenlampe), „Guzik“ (Knopf) oder „Silberdose“. Einerseits internationalisiert er sein Werk damit, vermittelt vermeintlich kulturelle und ästhetische Verortungen und transkulturalisiert insofern, dass gemeinsame (ästhetische) Werte, Vorlieben und Vorstellungen sichtbar werden. So ist das am japanischen Holzschnitt im Ukyo-e-Stil der sogenannten Edo-Zeit[8] orientierte Zedernzweigmotiv auf einem Feuerzeug einer gesamteuropäischen Vorliebe für und Sehnsucht nach Fernost geschuldet, die die Kunst West-, Zentral- und Nord-Europas seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts inspiriert hat und bis zum Ende des 20. Jahrhunderts beeinflusste.
Dass der Künstler bei den Blow Ups auch zwischen den Grenzen von kommerzieller und künstlerischer Fotografie oszilliert und diese oberflächlich überschreitet, ist für ihn kein Problem, obwohl dies auch seinerzeit mit Kunstexperten zu Diskussionen führt. Sein Gegenargument ist typisch für die Generation, die sich während der Ausbildung in den 1980ern in Deutschland inhaltlich mit einzelnen französischen Philosophen der „Ecole de Paris“ beschäftigt haben, und führt bei Szczygieł direkt nach den Blow Ups in eine neue Werkserie, die sich inhaltlich ebenso an deren Konzepten abarbeiten kann: die Landschaft. Er spricht von „Postmoderner Romantik“ und zitiert Jean Baudrillards Unterscheidung zwischen dem „Charme des Realen" und der „Magie des Konzepts“[9]. Die Homogenisierung von Zeichen – wie es Baudrillard in seinem links-orientierten und west-marxistischen Frühwerk sowohl mit Blick auf Konsumgüter als auch auf Kunstwerke postuliert – nimmt der Fotokünstler inhaltlich auf und stellt sie bei der Serie mit zur Disposition, zumal sich die beiden Systeme, was die fotografierten Objekte angeht, durchaus überlagern.[10]
[8] Edo-Zeit (Japan): Edo ist der ursprüngliche Name Tokios. Zeitraum zwischen 1603 bis 1868. Weitere Informationen unter: https://www.japandigest.de/kulturerbe/geschichte/geschichte/edo-zeit-16….
[9] Vgl. MILLS, Charles: „Simulations: The Death of the Real in Baudrillard”, Academy.edu, San Francisco, 2014, S.1.
[10] Ebd., S. 3.