Stefan Szczygieł. Das fotografische und filmische Werk
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Der Künstler und Fotograf Stefan Szczygieł ist 1961 in Warschau geboren und hat von 1984 bis 1992 Freie Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf studiert, zunächst einige Jahre in der Fotografieklasse von Bernd Becher[1], anschließend Video-Kunst beim Pionier der Medienkunst, dem Koreaner Nam June Paik[2]. 1993 zieht es ihn zurück in seine Heimatstadt Warschau. Er eröffnet sein eigenes Fotostudio und arbeitet als freischaffender Fotograf und Künstler. Szczygieł verdient sich seinen Lebensunterhalt, indem er für diverse Foto- und Werbeagenturen sowie Fachmagazine fotografiert, Künstler portraitiert, für touristische Broschüren die Stadt Warschau ablichtet und später für verschiedene Fotografie-Portale im Internet Aufträge erhält. Ab den frühen 2000ern erhält er auch Fotoaufträge von Institutionen, Unternehmen und Agenturen aus Deutschland.
Seine besondere Beziehung zu Deutschland führt er zeitlebens in seinem fotografischen Werk fort. Ihm gefallen besonders die Einladungen, seine freien fotografischen und filmischen Projekte durchzuführen und zu präsentieren, besucht regelmäßig Köln und Hamburg. Außerdem nimmt er an zahlreichen Ausstellungen in Polen, Deutschland, den Niederlanden und Norwegen teil. Er verstirbt nach Krankheit kurz vor Weihnachten des Jahres 2011.
Szczygieł kommt zu einer Zeit zum Studium nach Deutschland, als in Polen gerade das Kriegsrecht beendet worden war und im darauffolgenden Jahr, 1984, mehr als 550.000 Polen das Land verlassen[3]. Über 50%[4] von ihnen reisen – entgegen der Beantragung – dauerhaft in die Bundesrepublik Deutschland und nach Westberlin. Stefan Szczygieł gehört dazu. Er will eine gute und ideologiefreie Ausbildung, die es ihm ermöglicht, sowohl in seinem Heimatland Polen als auch im Westen später einmal Karriere zu machen.
Zur Zeit des „Eisernen Vorhangs“ schauen westliche Kulturvermittler, Kunstexperten in Museen und Galerien selten aufmerksam gen Osten: Obwohl in Wellenbewegungen und dem jeweiligen politischen Klima geschuldet, konnte sich in diesen Jahrzehnten gerade in Polen, der ČSSR und Ungarn, aber auch in der DDR eine ganz eigene Szene bilden, die auch jenseits von sozialistisch-propagandistischer und Auftragskunst ein bescheidenes Dasein fristete. Erst in den 1980ern wird in der Bundesrepublik Deutschland langsam auch die Kunst jenseits der Ideologiegrenze wahrgenommen, obwohl Berufsbilder innerhalb der Bildenden Kunst in Szczygiełs Heimatland Polen sowie in den sozialistischen Nachbarländern als „perspektivlos“ gelten. Künstler im gesamten Ostblock werden über Jahrzehnte von den relevanten kunststrategischen und Kunstmarkt-orientierten Staaten und Nationen nicht gesehen, nicht ernst genommen und damit ausgeschlossen. So ist der Beruf ‚Künstler’ alles andere als attraktiv[5].
[1] WS 1984/85 bis SS 1988.
[2] WS 1988/89 bis SS 1992.
[3] Vgl. STOLA, Dariusz: „Das Kommunistische Polen als Auswanderungsland“, in Zeithistorische Forschungen, Heft 3/2005, S. 359.
[4] Detaillierte Informationen zu Auslandsreisen der 1980er-Jahre gibt Barbara Sakson in ihrer Studie Der Einfluss „unsichtbarer“ Auslandsmigrationen in den achtziger Jahren auf die Demographie in Polen (Warszawa 2002), in der die Autorin die Daten des Systems zur Erfassung der Auslandsmobilität der Bevölkerung (SERP), in dem alle Reisen in den Westen registriert wurden, analysiert und auswertet.
[5] Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn.