Jan de Weryha-Wysoczański
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Zum Ende des Jahres 2005 musste de Weryha sein Harburger Atelier aufgeben, da die Stadt Hamburg andere Pläne mit den historischen Gebäuden hatte. Daher entschied er sich schon zu Beginn des Jahres, die auf über fünfzig Objekte angewachsene Sammlung seiner Werke auf Reisen nach Polen zu schicken, von wo ihn inzwischen zahlreiche Einladungen für Ausstellungen erreicht hatten. Nach 24-jähriger Abwesenheit als Künstler konnte er umfangreiche Einzelausstellungen in der Patio Kunstgalerie/Patio Galeria Sztuki in Łódź, in der Galeria Szyb Wilson/Galerie Schacht Wilson in Katowice und 2006 im Centrum Rzeźby Polskiej w Orońsku/Zentrum für polnische Skulptur in Orońsko zeigen, zu denen Kataloge erschienen. Eine Einzelausstellung in der städtischen Galeria BWA (Biuro wystaw artystycznych) in Jelenia Góra und eine Präsentation zahlreicher Werke auf der XV. Internationalen Skulpturen-Triennale in Poznań folgten. Der Erfolg dieser Ausstellungen war so groß, dass 2008, 2011 und 2014 an Kunstfakultäten in Rzeszów und Radom drei Magisterarbeiten über den Künstler und sein Werk geschrieben wurden, die engen Bezug auf die öffentlichen Präsentationen nahmen.
In der Zwischenzeit erhielt de Weryha von öffentlichen Stellen in Hamburg das Angebot, das ehemalige Lagerhaus eines Museums im Stadtteil Bergedorf, in dem der Künstler und seine Familie seit der Übersiedlung aus Polen ansässig sind, zu übernehmen. Anfang 2007 eröffnete er in dem vierhundert Quadratmeter großen zweistöckigen Gebäude das bis heute existierende Galerieatelier, in dem er sowohl seinen Arbeitsbereich als auch die ständige Ausstellung seiner Werke etablierte. Bis 2008 zeigte er dort unter dem Titel Holz-Archiv rund siebzig Werke, von 2009 bis 2012 unter der Überschrift Tabularium jene Collection, die 2009 unter demselben Motto in der Städtischen Galerie in Danzig/Gdańska Galeria Miejskazu sehen war. 2012 erhielt der Künstler vom Hamburger Bezirk Bergedorf den Auftrag für das Mahnmal am Bergedorfer Schleusengraben, das an die Tausenden von Zwangsarbeitern aus allen Teilen Europas erinnert, die von den Nationalsozialisten in den Industriebetrieben von Bergedorf und dem Umland zur Sicherung der Kriegsproduktion eingesetzt worden waren (Abb. 72a-c ). Seit 2013 ist im Galerieatelier eine ständige Ausstellung zu sehen, die Sammlung de Weryha, die bis heute auf über 230 Arbeiten angewachsen ist. Die musealen Räume (Abb. 94-97 ) sind regelmäßig für das Publikum geöffnet. Ein Förderverein, der Freundeskreis Sammlung de Weryha e.V., veranstaltet Land-Art-Workshops und Kunstreisen mit dem Künstler, organisiert Konzerte in der Sammlung und kümmert sich um die künftige Erhaltung des Bestands.[25] In Deutschland und Polen war der Künstler seit 1988 an zahlreichen Gruppenausstellungen beteiligt, zeigte seine Werke aber auch in den USA, in Luxemburg, in der Schweiz, in Belgien und England.
Wojciechowski hat 2005 auch eine ökologische Komponente in de Weryhas Werk ausgemacht. Dessen Objekte seien „keine Begriffsfiguren, keine rein konzeptuelle Stellungnahme“; die Geometrie spiele eine „dienende Rolle […] dank der die ‚Natur‘ sich klarer ausdrücken kann. Und vielleicht sind sie eine Art, die ‚Natur‘ zum Sprechen anzuspornen, ihre eigenen Eigenschaften aufzudecken, die im herkömmlichen Sinne unsichtbar sind.“[26] Und de Weryha ergänzte 2006 im Interview mit Mariusz Knorowski: „Das Holz als Stoff meiner Arbeit habe ich nicht ohne Grund gewählt. Es ist ein Werk der Natur, das nach seinem physischen Tod gewissermaßen ein neues Leben beginnt. Es duftet und verändert seine Farbe, es quillt an, trocknet aus. Die Kraft dieses Materials bewirkte, dass ich von ihm restlos beherrscht wurde und regte mich an, ihm treu zu bleiben trotz der heute sich anbietenden, wie es scheinen könnte – ‚aktuelleren‘ – Multimediatechniken.“[27]
Zwölf Jahre später, 2018, ist die Vielfalt künstlerischer Techniken und Ausdrucksmöglichkeiten weltweit so groß geworden, dass ein Gegensatz oder eine Konkurrenz zwischen klassischer Bildhauerei, möglicherweise ökologisch inspirierter Kunst, auf elektronischem Wege produzierten Arbeiten oder ganz anderen Positionen nicht mehr bestehen. „Multimedia“ bezeichnet heute an Kunsthochschulen und Akademien vielmehr die Arbeit mit allen nur denkbaren Materialien. In dieser vielfältig gewordenen Welt behauptet de Weryha mit seinem Werk, das in zahlreichen Traditionen steht, dennoch ein in sich geschlossenes Bild bietet und auch in Bezug zur heutigen Ökologiedebatte aktuell ist, eine künstlerisch einmalige Position von herausragender Qualität.
Axel Feuß, April 2018
[25] Webseite des Fördervereins: http://freunde-de-weryha.de/
[26] Jan Stanisław Wojciechowski 2005, S. 6 f./10 f. (siehe Literatur; Text online verfügbar auf der Webseite des Künstlers, polnisch, Seite 4/englisch, Seite 4)
[27] Jan de Weryha im Interview „Offenbarungen in Holz“ mit Mariusz Knorowski 2006 (Ausstellungs-Katalog Jan de Weryha-Wysoczański. Objawienia w drewnie, Orońsko 2006, Seite 3/7)