Jan de Weryha-Wysoczański
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Jan de Weryha-Wysoczański wurde 1950 in Gdańsk/Danzig geboren. Die Familie entstammt väterlicherseits einem galizischen Adelsgeschlecht, die Mutter hatte deutsche Vorfahren. Beide Eltern stammten aus Lemberg.[21] Nach dem Abitur absolvierte er eine Ausbildung in Danziger Bildhauerwerkstätten, um eine insgesamt vierjährige Wartezeit auf einen Studienplatz zu überbrücken. 1971 erhielt er nach einer Intervention beim Kulturministerium einen Studienplatz am Fachbereich Skulptur der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Danzig/Państwowa Wyższa Szkoła Sztuk Plastycznych w Gdańsku (PWSSP), der heutigen Akademie der Schönen Künste/Akademia Sztuk Pięknych w Gdańsku. Dort studierte er bis 1976, zunächst in der Bildhauerklasse von Alfred Wiśniewski, anschließend in der Klasse für Skulptur in der Architektur bei Adam Smolana, einem der bedeutendsten Professoren seines Fachs, bei dem auch Magdalena Abakanowicz studiert hatte. Beide Hochschullehrer waren Anfang der 1950er-Jahre mit der Wiederherstellung historischer Skulpturen in Danzig betraut und in den Bereichen Denkmalplastik, räumliche und architektonische Plastik, Keramik und Medaillenkunst tätig. De Weryha arbeitete nach seinem Examen freiberuflich und schuf Statuetten, Reliefs und Medaillen in Bronze und Keramik. Bis 1981 war er an der Wiederherstellung von historischer Bauplastik an den während des Zweiten Weltkriegs in der Danziger Altstadt zerstörten Bürgerhäusern beteiligt.[22]
Beruflich erfolgreich, verließ de Weryha Polen 1981 aus politischen Gründen noch vor der Ausrufung des Kriegsrechts zusammen mit seiner Frau Maryla, die polnische Philologie studiert hatte, und seinem Sohn Rafał und ging nach Hamburg. Dort beschäftigte er sich zunächst mit Zeichnungen, dann bis 1996 mit Malerei, kleinen bildhauerischen Formen und Medaillen in Bronze, Kupfer, Wachs und Polyester und arbeitete schließlich figürlich und abstrakt, gelegentlich auch großem Format, in Holz. Beim Bearbeiten großer Holzblöcke mit der Kettensäge und mit dem Handwerkszeug, so sagt er, bemerkte er die Schönheit und die abstrakte Qualität des roh belassenen Materials. Spuren dieser frühen Experimente sind noch in den Arbeiten von 1997 zu entdecken (Abb. 1-5 . ). Von Anfang an in der Hamburger Kulturszene aktiv, eröffnete er 1998 in einer Halle des Ehemaligen Bundesbahn-Ausbesserungswerks in Hamburg-Harburg, einem 1883 errichteten und 1990 aufgegebenen Industriebau, der ihm von der Hamburger Kulturbehörde zur Verfügung gestellt worden war, ein Atelier.[23]
1999 folgte der Entwurf für das Mahnmal in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Abb. 18a-c . ), das an die über sechstausend Polinnen und Polen erinnert, die nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstands 1944 in das Konzentrationslager deportiert worden waren. Angeregt von der Hamburger Ortsgruppe des Bundes der Polen in Deutschland e.V., vom Künstler in ehrenamtlicher Arbeit entworfen und durch Spenden finanziert, wurde das Mahnmal im sechzigsten Jahr nach dem deutschen Überfall auf Polen und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs unter der Schirmherrschaft des polnischen Generalkonsulats und der Polnischen Katholischen Mission von Hamburgs Kultursenatorin Christiana Weiss und in Anwesenheit des polnischen Schriftstellers Andrzej Szczypiorski eingeweiht. Im Jahr 2000 zeigte de Weryha im Rahmen einer Veranstaltungsreihe Kultur aus Polen in Hamburg im Bundesbahn-Ausbesserungswerk die erste Ausstellung seiner bis dahin entstandenen Holzobjekte, die ebenfalls von Christina Weiss eröffnet wurde. Von 1998 bis 2005 entstanden im Harburger Atelier die auf dem Boden platzierten und in die Architektur eingefügten Arbeiten (Abb. 9-30 . , 38 . , 40 . , 41 . , 47-49 . ), ab 2001 die an der Wand hängenden „Hölzernen Tafeln“ (Abb. 31-37 . , 39 . , 42-46 . ).
2003 schrieb de Weryha über die zuletzt entstandene Werkgruppe: „Meine künstlerischen Überlegungen in den letzten Jahren konzentrieren sich auf die Erforschung des Materials Holz, auf das Begreifen seiner Struktur und seines Kerns, was zum denkbar höchsten Zustand führt, welcher auf dem Zelebrieren des Archaischen im Holz beruht. Alles fängt hier mit der Frage an, welche technischen Materialbearbeitungsmittel dem Künstler zur Disposition stehen und in welchem Ausmaß. […] Ich fange intuitiv mit folgender Fragestellung an: Inwiefern darf man mit dem Eingriff das Material beeinflussen, sodass es seine Identität nicht verliert. In der Praxis funktioniert dies durch die Einführung von strengen Regeln, die der Künstler in seiner empirischen Auseinandersetzung mit der Natur aushandeln muss. Es entstehen dann bestimmte Rhythmen, aber auch eine gewisse Monotonie. Diese beiden Erscheinungen thematisiere ich in einer anhaltenden Hervorhebung, welche mit einer pulsierenden Balance überrascht. Parallel dazu führe ich eine bestimmte Geometrie ein, voll von sachlichen Ausdrucksweisen, die mich bei der Minimal Art beeindrucken. Auf der anderen Seite interessiert mich das individuelle unwiederholbare Geflecht von künstlich geschaffenen, aber natürlich wirkenden Holzoberflächen, die kaum erkennbare Spuren der Werkzeugintervention bemerken lassen. Dieses ständige Geben und Nehmen zwischen der Natur und dem Künstler wird zu einem höchst sublimen und durchdachten Austauschprozess, der zur Grundlage meiner Handlungen wird, und die mir immer wieder auf überraschende Weise ganz neue Lösungsmöglichkeiten eröffnen. […] Manche der bis zu zehn Quadratmeter großen hölzernen Tafeln sind riesig, reliefähnlich, archaisch atmend und monumental wirkend und zeugen von Kraft und Erhabenheit. Jene neuen Wandarbeiten fallen vor allem durch eine stark entwickelte architektonische Ordnung und durch kraftvoll geladene Holzstrukturen auf, die in konkreten Rhythmen geschlossen sind. Diese sonderbare Konstellation, die unerwartete Ausdruckformen auftut, erlaubt mir aufs Neue, Holz als Material zu definieren.“[24]
[21] Ausführliche Biographie bei Maryla Popowicz-Bereś 2014, Seite 5 ff. (siehe Anmerkung 16)
[22] Abbildungen auf der Webseite des Künstlers
[23] Ehemaliges Bundesbahn-Ausbesserungswerk in Hamburg-Harburg, Schlachthofstraße 1-3, http://www.hamburg.de/flaechenrecycling/142834/bundesbahn-ausbesserungswerk/; historische Aufnahmen des Ateliers auf der Webseite des Künstlers; Bianca Fischer: Jan de Weryha-Wysoczański: Alles Holz - Eine Hommage an Mutter Natur, in: Harburger Anzeigen und Nachrichten, 22. August 2002, Text online: http://www.kultura-extra.de/kunst/portrait/jan_de_weryha_a.html
[24] Jan de Weryha-Wysoczański: Ein paar Worte über meine neuesten Arbeiten „Hölzerne Tafeln“, 2003; online verfügbar auf http://www.kultura-extra.de/kunst/portrait/jan_de_weryha_a.html