Generationsübergreifend. Polnische Kunst in Marl 6. März bis 12. Juni 2016
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Die Auswahl der jüngeren Künstler war, so Georg Elben, vor allem der Ausrichtung des Marler Museums auf Skulptur, Video‑ und Klangkunst geschuldet. Marlena Kudlicka, geboren 1973 in Tomaszów Lubelski und in Berlin ansässig, war bereits in dem Ausstellungsprojekt „Skulptur 2015“ des Museums vertreten. Im Frühjahr 2016 war eine Einzelausstellung von ihr im Rahmen des Projekts „Breslau – Berlin 2016 Europäische Nachbarn“ im Museum für zeitgenössische Kunst in Breslau (Muzeum Współczesne Wrocław) zu sehen. Absolventin der Kunstakademie in Poznań (Akademia Sztuk Pięknych w Poznaniu), stehen ihre in der Schlosserwerkstatt gefertigten Rauminstallationen, Skulpturen und Wandcollagen in der Tradition des Konstruktivismus und der Konkreten Poesie von Stanisław Dróżdż (1939-2009). In ihrer Installation „the weight of 8“ (2013) – in der Marler Ausstellung als Leihgabe der Galerie Żak|Branicka – ist die typographische Collage, die sich auf der Wand entwickelt, mit einer dreidimensionalen graphischen Zeichnung aus im Raum verspannten Metallstäben verbunden (Abb. 21).
Der gleichaltrige Paweł Książek (*1973 in Andrychów) war vorwiegend mit Malerei, aber auch mit einem Video-Loop vertreten. Nach seinem Studium an der Kunstakademie in Krakau und einem DAAD-Stipendium an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main lebt und arbeitet er in Krakau. Ähnlich wie Sasnal verarbeitet er in seiner Malerei Fotografien, Filme, Fundstücke, Musik und Material aus dem Internet und ist insofern durchaus als Medienkünstler zu verstehen. Den bedeutendsten Teil seiner Arbeit investiert er in die Recherche ikonografischer Motive, die er dann in eine klassische, technisch ausgefeilte und am Realismus geschulte Malerei umsetzt. Zu sehen waren unter anderem Gemälde und der Video-Loop nach den „Raumkonstruktionen“ des russischen Avantgarde-Künstlers Alexander Rodtschenko (1891-1956) aus den Jahren 1918 bis 1921, die heute (bis auf ein Exemplar im Museum of Modern Art in New York) nur noch von historischen Fotografien und aus dessen Skizzenbüchern bekannt sind (Abb. 22, 23). Außerdem war eine Serie von weiblichen Porträts ausgestellt, die Książek als nummerierte „Figuren“ anonymisiert und die sämtlich den Blickkontakt mit dem Betrachter vermeiden (Abb. 24).
Auftakt und Blickfang der Ausstellung bildeten Skulpturen und graphische Arbeiten von Natalia Stachon (*1976 in Kattowitz), die an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg und an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich studierte und heute in Berlin lebt und arbeitet. Seit 2015 unterrichtet sie an der HfbK in Hamburg. Auch sie sieht ihre Wurzeln in den visionären Raumkonzepten der russischen und polnischen Avantgarde der 1920er-Jahre, die sie aber über die Konkrete Kunst und Minimal Art weiterverfolgt. Stachon, die ebenso wie Kudlicka ihre Arbeiten in der Ausstellung selbst aufgebaut hat, arbeitet bei ihren Skulpturen (Abb. 25, 26) mit räumlichen Dimensionen, architektonischen Setzungen und einer rhythmischen Sprache materieller Formen, die der Minimal Art nahesteht. In ihren fotografisch exakten Kohlezeichnungen (Abb. 27) kehren ähnliche skulpturale und räumliche Situationen in geheimnisvollen Alltagsszenen wieder.