Roman Kochanowski (1857–1945). Der letzte „Münchner“ aus Polen
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Er fotografierte seine Bildmodelle, sammelte Fotos menschlicher Charaktere und Volkstrachten aus professionellen Fotoateliers und besaß ein eigenes imaginäres Museum, in dem er dutzende Reproduktionen zeitgenössischer Münchner Malerei zusammentrug, darunter auch Gemälde polnischer Provenienz.[14] Den größten Teil des fotografischen Nachlasses machen jedoch Landschaftsfotografien aus. Das, was im Zentrum seiner Malerei stand, dominierte auch die Fotografie. Hunderte von Kartons aus Hartpappe hat er mit kryptischen Ziffern beschriftet, die nur für ihn nachvollziehbar waren. Unter diesen Landschaftsfotos finden sich sehr interessante Aufnahmen, auf denen die Wirklichkeit galizischer Dörfer und Jahrmärkte sowie Bewohner der Region abgebildet sind, die neugierig, aber auch ängstlich in die Kamera schauen. Die Anzahl der erhaltenen Fotografien spiegelt Kochanowskis Leidenschaft für dieses Medium wider.[15] In den Aufzeichnungen des Künstlers finden sich Notizen darüber, wie er zusammen mit seiner Verlobten Bilder entwickelte, Ausflüge ins Freie unternahm und im Austausch über den Kauf einer Fotokamera war.
Ein anderer wichtiger Teil der künstlerischen Arbeit Kochanowskis bestand in der Gestaltung von Gegenständen, unter anderem von farbigen Keramikvasen, Paravents und Fächern. Außerdem arbeitete er mit der Krakauer Zeitschrift „Świat” an der grafischen Gestaltung des Magazins, indem er Umschlagseiten entwarf und Illustrationen schuf. Zu den Publikationsformen, die ihm sehr am Herzen lagen, zählten aber auch Kalender. Unter den erhaltenen Zeichnungen und Skizzen finden sich einige Arbeitsentwürfe mit je 12 Zeichnungen, die den Monaten des Jahres zuzurechnen sind. Darüber hinaus beschäftigte sich der Künstler gern damit, elegante, mit Gemäldeminiaturen geschmückte Fächer zu entwerfen, ein damals beliebtes Accessoire.[16]
Diese gestalterischen Aufgaben boten Kochanowski die Möglichkeit, sein Budget aufzubessern, da sich seine Landschaften im Laufe der Zeit immer schlechter verkauften und immer seltener auf Ausstellungen auf Publikum trafen. Mit der Zeit geriet der Künstler in Vergessenheit, unter anderem auch, weil die Nationalsozialisten ihn mit einem Malverbot belegten. Da er weder malen noch ausstellen durfte, zeichnete er bis zu seinem Lebensende Landschaften, in denen es in der Regel eine Baumgruppe, einen Feldweg und die Kontur einer gebückten Bäuerin zu sehen gab.
Die letzten Lebensjahre waren für den Künstler schwer: er war verwitwet und durfte seine Bilder aus den genannten Gründen weder verkaufen noch öffentlich zeigen. Dennoch entschied er sich nicht dafür, in seine Heimat zurückzukehren. Er starb in Bayern und wurde so zum letzten „Münchner" aus Polen.
Eliza Ptaszyńska, August 2020
[14] Diese Sammlung befindet sich im Bezirksmuseum Suwałki (Muzeum Okręgowe w Suwałkach).
[15] Der fotografische Nachlass kam 2009 ins Bezirksmuseum. Der Ankauf von einem Mann in Berlin, der einen Teilnachlass Kochanowskis erworben hatte, wurde aus Mitteln des polnischen Ministeriums für Kultur und nationales Erbe (Ministerium Kultury i Dziedzictwa Narodowego) finanziert. Die Sammlung in Suwałki umfasst außerdem Fotografien aus der Schenkung von Barbara Lewkowicz, der Eigentümerin des künstlerischen und archivarischen Nachlasses von Roman Kochanowski. Sie war gemeinsam mit ihrem Mann mit dem einzigen Sohn des Künstlers, Roman, befreundet und betreute ihn im Alter.
[16] Die Malerfächer und Malerpaletten wurden von mehreren Künstlern, manchmal ein Dutzend, gestaltet, von denen jeder eine Miniatur beitrug, und dienten anschließend als Gabe für eine ausgesuchte Person. Eine solche Malerpalette haben polnische Künstler Lucjan Wierciński, dem Präsidenten der Warschauer Gesellschaft der Freunde der Schönen Künste (Towarzystwo Zachęta Sztuk Pięknych), übereignet.