Roman Kochanowski (1857–1945). Der letzte „Münchner“ aus Polen
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Kochanowskis Palette war sparsam auf erdige und neutrale Töne reduziert. Zwischen dem Grün, dem Braun und dem Grau kommt nur selten ein roter, ein weißer oder ein blauer Klecks vor. Auch wenn der Künstler in seinen heiteren, frühlingshaften Landschaften ein helles Grün verwendet, lässt er sie nicht in vollem Sonnenlicht erstrahlen und er dramatisiert sie nicht mit Schattenkontrasten. Kochanowski vermeidet es, extreme Zustände der Natur darzustellen. Auf seinen Bildern gibt es keine sonnendurchfluteten Wiesen, keinen unter einer Schneedecke schlummernden Wald und keinen im tiefen rot des Sonnenuntergangs gefärbten Himmel. Einige Arbeiten haben jedoch eine formale Komponente, die ihnen gewisse Unruhe verleihen. Sie betrifft die Art und Weise des Farbauftrags, der in einem kurzen, kräftigen, in mehrere Richtungen verlaufenden Strich sowie in unruhigen, ausdruckstarken Linien der Stämme und Äste von Bäumen und der Wolken besteht. Mitunter scheint die Malfläche leicht zu vibrieren bzw. bei Wind etwas zu zittern, womit sich der Künstler Camil Corot nähert, der allerdings viel subtiler war und die Wirklichkeit viel mehr idealisierte.
Stanisław Przybyszewski[12], der von Kochanowskis Bildern angetan war, schrieb über ihn, er sei ein „großer Dichter der wahren Seele polnischer Landschaft”.[13] Mit diesen pathetischen Worten wird die Bedeutung der Malerei von Roman Kochanowski, der wie nur wenige das Wesen und die Stimmung einer Landschaft zu erfassen wusste, durchaus treffend beschrieben. Sein Werk wird zu Recht mit dem Landschafts-Oeuvre identifiziert, das ihm Anerkennung und Ruhm eintrug. Gleichwohl ist daran zu erinnern, dass sein Vermächtnis auch viele Porträts und einige wenige Stillleben, darunter auch Blumenbilder, umfasst.
Eine weitere Leidenschaft des Künstlers galt der Fotografie, einer Kunstgattung, die sich im Ausgang des 19. Jahrhunderts bei vielen Malern großer Beliebtheit erfreute. Manche gaben sogar den Pinsel zu Gunsten der Kamera auf. Fast alle aber nutzten die Möglichkeiten, die ihnen die Fotografie für ihre kreative Arbeit bot. Roman Kochanowski machte sich beide Vorteile des Mediums zu Nutze – als künstlerische Ausdrucksform und als wertvolles Gebrauchsmedium, wobei er wohl vor allem die Gestaltungsoptionen geschätzt hat. In seinen Sammlungen, die im Bezirksmuseum Suwałki (Muzeum Okręgowe w Suwałkach) aufbewahrt werden, finden sich zahlreiche Fotografien mit künstlerischen Eigenschaften. Der Künstler bannte Bäume, Klippen und Landschaftsformationen auf die Platte. Dabei galt sein besonderes Interesse dem Fragment, der aus der Nähe betrachteten Einzigartigkeit dessen, was sonst gewöhnlich und allgemein bekannt scheint. In diesem Sinne experimentierte er auch mit Spiegelkopien, indem er dieselben Bilder in Sepia und schwarzweiß entwickelte. Trotz alledem aber blieb Kochanowski Maler. Die Fotografie diente ihm als Hilfsfunktion.
[12] Stanisław Przybyszewski (1868–1927), Schriftsteller, Dramaturg, Dichter, Novellist und Publizist. Hielt sich als Vertreter der polnischen Dekadenz von 1906 bis 1918 in München auf und nahm am Leben der polnischen Künstlerkolonie teil.
[13] Stanisław Przybyszewski, [in:] „Dziennik poznański”, 1915, Nr. 262, S. 3.