Roman Kochanowski (1857–1945). Der letzte „Münchner“ aus Polen
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1874 schrieb er sich in die Klasse von Christian Grippenkerl sowie in die Klasse des Landschaftsmalers Eduard Lichtenfels ein. Die frühe Studienzeit war für den angehenden Künstler aufgrund finanzieller Probleme in seiner Familie nicht leicht, so dass er sich bemühte, möglichst schnell unabhängig zu werden. Er verkaufte erste Werke und nahm an Ausstellungen in Krakau, Warschau (Warszawa) und Lemberg (Lwów; heute Lwiw in der Ukraine) teil. Nach dem Abschluss seines Studiums entschied er sich 1881, nach München zu gehen. Die Stadt zog bereits seit Jahrzehnten Generationen angehender Künstler aus Polen an. Ein paar Jahre nachdem sich Kochanowski in der bayerischen Metropole niedergelassen hatte, erinnerte sich sein jüngerer Kollege Marian Trzebiński an die Zeit an der Krakauer Kunstschule: „immer wieder tauchte bei uns irgendein ‚Münchner‘ auf, (…) und erzählte Wunder von München (…). Bloß malen und verkaufen. Obendrein das Leben märchenhaft billig.”[6] Der gut entwickelte Kunstmarkt, sein hohes Niveau und die lebendige Ausstellungsszene hatten auch auf Kochanowski starke Anziehungskraft. In München hat er nicht weiter studiert, sondern begann damit, selbständig zu arbeiten. Er schickte seine Bilder zu Ausstellungen nach Wien und Berlin und stellte auch in München und in Polen aus. Schon 1888 feierte er einen Erfolg, als Kaiser Franz Joseph sein Bild „Polnischer Winter“ (Zima w Polsce)[7] erwarb. Einige Jahre später kaufte der Monarch noch einmal ein Werk, diesmal das Gemälde „Herbst“ (Jesień).[8] Kochanowski hat viele Bilder mit dieser Thematik geschaffen.
1888 lernt der Künstler bei einem Kurzaufenthalt in Paris die Werke des Malers Jean Baptist Corot sowie anderer Vertreter der Schule von Barbizon kennen, die sein Schaffen, wie oft unterstrichen wurde, beeinflusst haben. [9] Reisen in andere europäische Kunstzentren unternimmt Kochanowski nicht. Regelmäßig besucht er jedoch Krakau und er durchwanderte die Wiesen und die Moore im Münchner Umland, die sich später auf seinen Leinwänden als vermeintliche Feuchtgebiete in Masowien oder in der Krakauer Region wiederfanden. In seinem Gedächtnis bewahrte er unwegsame Gegenden, von armen Leuten bewohnte Kleinstädte, Landschaften, die in ihrer Melancholie und Unscheinbarkeit malerisch wirkten, und setzte sie später ins Bild.
Eine der längsten Reisen, die Roman Kochanowski unternahm, diente einer Wanderung entlang der Grenze im südöstlichen Galizien. Ziel dieser Reise war, Zeichnungen von den geographisch und historisch interessantesten Orten anzufertigen. Anschließend entstand im Auftrag von Kaiser Franz Joseph die mehrbändige Monographie „Österreichisch-Ungarische Monarchie in Wort und Bild“, die zahlreiche Beschreibungen und Illustrationen ihrer Regionen enthielt. Roman Kochanowski und andere polnische Künstler wie Julian Fałat, Wojciech Kossak und Piotr Stachiewicz schufen Illustrationen für den Band, der Galizien gewidmet wurde. [10] Zu dieser Zeit arbeitete Kochanowski schon seit geraumer Zeit als Illustrator und Titelseitengestalter für das 1888 in Krakau gegründete Gesellschafts- und Kulturmagazin „Świat” (Die Welt). Hauptinitiator dieser Beschäftigung war Piotr Stachiewicz, ein für Kochanowski wichtiger Mensch, mit dem er befreundet war und mit dem er seine Gedanken und Interessen teilte. Reproduktionen von Kochanowskis Bildern erschienen auch in zwei anderen polnischen Wochenzeitschriften, in „Biesiada Literacka” (Literarische Tafel-Runde) und in „Tygodnik Ilustrowany” (Illustrierte Wochenzeitschrift).
[6] Marian Trzebiński, Pamiętnik malarza, Wrocław 1958, S. 52.
[7] Das Bild ist unbekannt. Nähere Informationen liegen nicht vor. Über den Ankauf ist nachzulesen bei: Trościanko, op. cit., S. 38.
[8] Ebenda, S. 40. Auch zu diesem Bild sind keine näheren Informationen bekannt.
[9] Die Münchner Schule 1850–1914”, Ausstellungskatalog, München 1979, S. 258; Halina Stepień, Artyści polscy w środowisku monachijskim 1856–1914, Warszawa 2003, S. 170; Trościanko, op. cit., S. 38.
[10] Piotr Stachiewicz (1858–1938), polnischer Maler und Illustrator, studierte von 1883 bis 1885 in München und wirkte anschließend in Krakau. Sein Gemäldezyklus „Królowa Niebios. Legendy o Matce Boskiej“ (Die Königin des Himmels. Die Marienlegenden) machte ihn sehr populär.