„MRR“: Sein Leben
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Interview mit Gerhard Gnauck im SWR
Interview mit Gerhard Gnauck zum Gedenken an Marcel Reich-Ranicki
In Gedenken an Marcel Reich-Ranicki im Radio "Trójka" (polnisch)
Marcel Reich-Ranicki - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
Marcel Reich-Ranicki im Interview mit Joanna Skibińska
Marcel Reich-Ranicki auf Polnisch! Interview mit Joanna Skibińska 2000
Doch hat er Polen nie ganz losgelassen. In den ersten Jahren nach 1958 in Deutschland schrieb er immer wieder über polnische Literatur; daraus ist später ein Buch geworden[9]. MRR pflegte auch den Kontakt zu einigen polnischen und polnisch-jüdischen Emigranten sowie zu aus Polen anreisenden Intellektuellen (Szczypiorski). Allerdings sind weder er noch seine Frau noch – zumindest bis 2009 – sein Sohn jemals wieder in Polen gewesen, trotz zahlreicher Einladungen, unter anderem seitens des Staatspräsidenten Aleksander Kwaśniewski.
Auch Polen hat seinen einstigen Bürger nie ganz losgelassen. Das Regime unterstellte ihm Kontakte mit den schlimmsten „antisozialistischen Elementen“ des polnischen Exils. Reich-Ranickis Warschauer Kollege aus den fünfziger Jahren, der Germanist und Theaterwissenschaftler Andrzej Wirth, wurde beauftragt, seine Reisen in die Bundesrepublik zu nutzen, um „das Privatleben und die materiellen Verhältnisse Ranickis auf dem Gebiet Deutschlands“ auszuspionieren.[10] Er lässt sich darauf ein, trifft MRR, liefert jedoch seinen Auftraggebern fast nichts. Die polnische Staatssicherheit bekommt immer deutlicher den Eindruck, Wirth, Deckname „Bruno“, arbeite nur widerwillig für sie, und bricht die Zusammenarbeit ab.
Hier sollte schwerpunktmäßig das Polnische und Jüdische in Reich-Ranickis Leben dargestellt werden. Die deutsche Seite seines Lebens kommt ausführlich in den Biografien von Thomas Anz und Uwe Wittstock sowie (in Form eines Bildbands) bei Frank Schirrmacher zu Wort. 2011 starb Teofila, zwei Jahre später Marcel Reich-Ranicki; beide wurden auf dem städtischen Frankfurter Hauptfriedhof beigesetzt (Urnenhain, Gewann XIV 34 UG).
Sein Vaterland sei „die Literatur, die deutsche Literatur“, hat Reich-Ranicki einmal von sich gesagt. Als „halber Pole, halber Deutscher und ganzer Jude“ will er nicht in Erinnerung bleiben; diesen Satz aus den fünfziger Jahren hat er später dementiert. Jude im religiösen Sinne war er ohnehin nicht; er war bekennender Atheist. Wenn ihn etwas mit Polen verbinde, schrieb er, dann die Sprache, die Lyrik und Chopin. Und eine Stadt. Als er 1958 sein Geburtsland verlassen habe, sei seine Stimmung „wehmütig“ gewesen. „Aber nicht der Abschied von Polen fiel mir schwer, sondern der von Warschau. Beinahe zwanzig Jahre habe ich hier unendlich viel erlebt und ertragen, gelitten und geliebt.“[11]
Gerhard Gnauck, April 2017
Literatur:
Gerhard Gnauck: Wolke und Weide. Marcel Reich-Ranickis polnische Jahre, Stuttgart 2009
Hier finden Sie einen Videobeitrag zu der berühmten Rede von Marcel Reich-Ranicki im Bundestag über seine Erinnerungen an das Warschauer Ghetto. Eine Abschrift der Rede Reich-Ranickis im Bundestag finden Sie hier.
Dokumentation über MRR von seinem Sohn Andrew Ranicki:
http://www.maths.ed.ac.uk/~aar/surgery/bio.htm
Hier finden Sie den Eintrag zu Marcel Reich-Ranicki in der Encyclopaedia Polonica.
[9] Marcel Reich-Ranicki: Erst leben, dann spielen. Über polnische Literatur. Göttingen 2002. Die Widmung darin lautet: „Für Teofila Reich-Ranicki, die mich in schwerer Zeit – es war in Warschau, in den Jahren 1940 bis 1944 – für die polnische Dichtung gewonnen hat.“
[10] Aus den Akten des Sicherheitsdienstes (SB) zitiert nach: Gnauck, a.a.O. S. 207
[11] Marcel Reich-Ranicki, Mein Leben, S. 390